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Fragerecht des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber darf im Rahmen des Vorstellungsgesprächs dem Bewerber nur solche Fragen stellen, die für ihn von berechtigtem Interesse im Hinblick auf das angestrebte Arbeitsverhältnis sind. Die Frage muss also einen konkreten Bezug zum Arbeitsplatz haben. Intimbefragungen bzw. solche Fragen, welche die Privatsphäre betreffen, sind schlechthin unzulässig. Bei einer unzulässigen Frage hat der Bewerber ein „Recht zur Lüge“. Beantwortet er dagegen eine Frage falsch, die der Arbeitgeber zulässigerweise gestellt hat, kann der Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten werden. Dies bewirkt nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte, dass das angefochtene Arbeitsverhältnis mit Zugang der Anfechtungserklärung für die Zukunft beendet, nicht jedoch – wie nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln -, der Vertrag rückwirkend vernichtet wird. Damit ist eine Rückforderung des für die Vergangenheit bereits gezahlten Arbeitslohns ausgeschlossen. Der Arbeitgeber kann die Anfechtung binnen eines Jahres ab Kenntniserlangung der Täuschung erklären.
Einzelheiten:
Die Frage nach einer Krankheit ist zulässig, wenn davon die Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers auf dem vorgesehenen Arbeitsplatz abhängt.
Die Frage nach einer Schwerbehinderung ist zulässig. Der Bewerber muss sie wahrheitsgemäß beantworten, wenn er danach gefragt wird. Er darf nicht verheimlichen, wenn er schwerbehindert im Sinne von § 2 Abs. 2, 3 SGB IX ist, also einen Grad der Behinderung von wenigstens 50% aufweist, oder eine Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen nach Abs. 3 vorliegt. Dies ist der Fall, wenn ein Grad der Behinderung von weniger als 50%, aber wenigstens 30% besteht und infolge der Behinderung ohne die Gleichstellung ein geeigneter Arbeitsplatz nicht erlangt oder behalten werden kann. Dies gilt jedenfalls nach der bisherigen – umstrittenen – Rechtsprechung.
Die Frage nach einer Behinderung darf indes nur gestellt werden, wenn sie einen konkreten Bezug zu dem geplanten Arbeitsplatz hat.
Die Frage nach Vorstrafen ist zulässig, wenn sie einen konkreten Bezug zu dem geplanten Arbeitsverhältnis hat. So darf z.B. ein Kassierer nach Vorstrafen wegen Eigentums- und Vermögensdelikten, oder ein Kraftfahrer nach Vorstrafen wegen Straßenverkehrsdelikten gefragt werden.
Die Frage nach einer Schwangerschaft ist generell unzulässig. Ungeklärt ist derzeit nur, ob dies auch gilt, wenn ein befristeter Arbeitsvertrag vereinbart wird und die Schwangere aufgrund ihrer Schwan-gerschaft die vereinbarte (befristete) Tätigkeit niemals ausüben kann.
Die Frage nach einer HIV-Infektion ist grundsätzlich unzulässig, es sei denn, der Arbeitnehmer darf auf dem vorgesehen Arbeitsplatz aufgrund der HIV-Infektion überhaupt nicht arbeiten ( z.B. als Arzt, Pfleger oder Krankenschwester). In diesem Fall muss die Frage nach einer HIV-Infektion also wahrheitsgemäß beantwortet werden.
Demgegenüber ist die Frage nach einer AIDS-Erkrankung zulässig, da hierdurch die Einsatzfähigkeit des Bewerbers/Arbeitnehmers stark eingeschränkt ist.
Die Frage nach der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft ist unzulässig.
Die Frage nach der Religions- oder einer Parteizugehörigkeit ist unzulässig. Im Arbeitsverhältnis ist erstere wegen der ggf. abzuführenden Kirchensteuer aber Voraussetzung für die Erstellung der Lohnabrechnung.
Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob Ausnahmen bei konfessionell oder parteipolitisch gebundenen Arbeitgebern gelten.
Die Frage nach der Scientology-Zugehörigkeit ist bei Führungspositionen und Vertrauensstellungen zulässig.