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Die personenbedingte Kündigung

I. Begriff

Voraussetzung für eine personenbedingte Kündigung i.S.d. § 1 Abs.2 S.1 KSchG ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund persönlicher Fähigkeiten, Eigenschaften oder nicht vorwerfbarer Einstellungen nicht mehr in der Lage ist, künftig eine vertragsgerechte Leistung zu erbringen. Der Grund für die nicht vertragsgemäße Leistung liegt allein in der Sphäre des Arbeitnehmers bzw. seinen persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften. Wesensmerkmal ist also der Verlust der Fähigkeit oder der Eignung zur Erfüllung der geschuldeten Arbeitsleitung, welcher vom Arbeitnehmer nicht (mehr) gesteuert werden kann. Dabei ist die geschuldete Leistung individuell zu bestimmen. Bemüht sich der Arbeitnehmer ausreichend und unterschreitet er dennoch das Normalmaß, hat er lediglich die Erwartungshaltung des Arbeitgebers nicht erfüllt, nicht jedoch gegen den Arbeitsvertrag verstoßen.

Demgegenüber kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer ein steuerbares Verhalten vorgeworfen werden kann, durch das er seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt.

Problematisch kann v.g. Abgrenzung sein, wenn es um die Kündigung eines leistungsschwachen Mitarbeiters geht (sog. low-performer) oder der Kündigungsgrund außerhalb des Vertrages liegt (z.B. Strafhaft). Die personenbedingte Kündigung erfordert auch keine vorherige Abmahnung, da letztere ein steuerbares Verhalten voraussetzt.

 

II. Einzelfälle

1. Einer der wichtigsten personenbedingten Kündigungsgründe ist die Alkoholsucht des Arbeitnehmers. Die Abhängigkeit ist als Krankheit im medizinischen Sinn zu bewerten, so dass auch die Grundsätze der krankheitsbedingten Kündigung anzuwenden sind. Im Rahmen der Abwägung der Interessen zwischen denen des Arbeitgebers an der Kündigung und denen des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsverhältnisses kann auch ein etwaiges Mitverschulden des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Nimmt er einen Entzug vor, muss der Arbeitgeber den Erfolg der Maßnahme abwarten, bevor er kündigt, es sei denn, es gäbe dringende betriebliche Gründe, den Arbeitsplatz auf Dauer anders zu besetzen. War ein Entzug zunächst erfolgreich, genügt ein Rückfall allein nicht für die negative Prognose, es sei auch künftig mit alkoholbedingter Arbeitsunfähigkeit zu rechnen. Ist der Arbeitnehmer indes nicht bereit, eine Therapie durchzuführen, darf unterstellt werden, dass er in absehbarer Zeit nicht von seiner Sucht geheilt werden kann. Auch ist die Schlussfolgerung auf fehlende Therapiebereitschaft zulässig, wenn er trotz entsprechender Gespräche mit dem Arbeitgeber über Fehlzeiten oder Betriebsstörungen seine Sucht verheimlicht. Erfolgt eine Therapie nach Ausspruch der Kündigung, führt dies nicht zu einer Berichtigung der Prognose.

2. Eine personenbedingte Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn dem Arbeitnehmer eine Erlaubnis fehlt, welche zur Berufsausübung erforderlich ist (z.B. Führerschein, Arbeitserlaubnis) und dem Arbeitnehmer dadurch die Erbringung der geschuldete Tätigkeit rechtlich – nicht tatsächlich – unmöglich wird. Denn der Arbeitgeber darf nicht gezwungen sein, eine Arbeitsleistung anzunehmen, der ein gesetzliches Verbot entgegensteht.

Für die soziale Rechtfertigung einer personenbedingten Kündigung kommt es immer darauf an, ob die Erlaubnis dauerhaft wegfällt, d.h. ob in absehbarer Zeit nicht mit ihrer Vorlage bzw. Ausstellung gerechnet werden kann. Hinzukommen muss, dass dem Arbeitgeber die Überbrückung des Zeitraums bis zur Erteilung unzumutbar oder unter Umständen sogar eine anderweitige Beschäftigung, welche ohne Erlaubnis vorgenommen werden kann, möglich ist.

3. Der häufigste Fall der personenbedingten Kündigung ist die krankheitsbedingte. Sie ist damit also keine eigenständige Kündigungsart, sondern ein Unterfall der personenbedingten. Ihr Ausspruch ist sowohl wegen als auch während der Krankheit zulässig. Sie kommt bei

  • häufigen Kurzerkrankungen,
  • Langzeiterkrankung,
  • krankheitsbedingter Leistungsminderung,
  • dauernder Arbeitsunfähigkeit

in Betracht.

 

a) Drei-Stufen-Prüfung

Die soziale Rechtfertigung der personenbedingten Kündigung wird nach der Drei-Stufen-Prüfung des BAG vorgenommen. Anschließend erfolgt die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

 

aa) Zunächst wird das Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose geprüft. Sie liegt vor, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beim Arbeitnehmer – abgestellt auf seine bisherige Tätigkeit – objektive Umstände vorliegen, welche die Besorgnis weitere krankheitsbedingter Fehlzeiten begründen. Nach dem Kündigungszugang eintretende neue Tatsachen dürfen nicht hinzugezogen werden. Wie die Umstände beschaffen sein müssen, ist vom Einzelfall abhängig. Herangezogen werden können vor allem Art, Dauer und Häufigkeit bisheriger Erkrankungen (z.B. Grippe, Bronchitis), es sei denn, sie sind ausgeheilt. Einmalige Ursachen und daraus entstandene Fehlzeiten (z.B. Arbeits- oder Sportunfall) bleiben unberücksichtigt. Haben allerdings in der Vergangenheit zahlreiche Unfälle des Arbeitnehmers zu den Fehlzeiten geführt, kann hieraus aber auf eine besondere Verletzungsanfälligkeit oder Unvorsichtigkeit geschlossen werden, so dass auch in Zukunft mit hohen Fehlzeiten zu rechnen ist. Bei einer schon krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit ist die negative Gesundheitsprognose indiziert. Eine solche kann aber nicht angenommen werden, wenn im Zeitpunkt des Zugangs einer ordentlichen Kündigung wegen lang andauernder Krankheit schon ein Kausalverlauf in Gang gesetzt war, der entgegen der Ansicht des behandelnden Arztes die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarere Zeit als sicher oder zumindest möglich erscheinen lässt.

Da nach Kündigungszugang eingetretene Umstände nicht berücksichtigt werden, ist auch unerheblich, ob der neue Kausalverlauf durch subjektiv vom Arbeitnehmer beeinflussbare Umstände (z.B. Änderung der Lebensführung) oder durch außerhalb seiner Einflusssphäre liegende Umstände (z.B. neue Heilmethode) ausgelöst wurde.

Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, sich vor Ausspruch der Kündigung über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers zu erkundigen. Dieser muss sich aber unter Umständen amtsärztlich untersuchen lassen und dabei auch die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden, zumindest dann, wenn es um die Feststellung der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit geht. Tut er dies nicht, ist gegebenenfalls die verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt. Hat sich der Arbeitnehmer geweigert, den Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden, darf er trotzdem im Kündigungsschutzprozess die negative Gesundheitsprognose unter Hinweis auf ein ärztliches Zeugnis bestreiten.

 

bb) Auf der 2. Stufe ist festzustellen, dass die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers führen.

Bei häufigen Kurzerkrankungen stehen erhebliche Störungen im Ablauf des Betriebs (z.B. Stillstand von Maschinen, Abzug von Arbeitnehmern aus anderen Bereichen) im Vordergrund, welche fehlen könne, wenn Ausfälle mit einer Personalreserve aufgefangen werden.

Bei lang anhaltenden Erkrankungen muss die unabsehbare Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu der erheblichen Beeinträchtigung führen.

Bei einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit kann regelmäßig von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers ausgegangen werden. Steht fest, dass der Arbeitnehmer in den nächsten 2 Jahren arbeitsunfähig sein wird, kann es für den Arbeitgeber sinnvoll sein, eine Vertretung des zu beschäftigen.

Wirtschaftliche Belastungen entstehen gerade bei häufigen Kurzerkrankungen, da der Lohn bzw. das Gehalt weitergezahlt wird. Für die Kündigung ist dann bedeutsam, ob künftig immer wieder neue Lohnfortzahlungskosten entstehen, die im Jahr für mehr als zusammengerechnet sechs Wochen geleistet werden müssen.

 

cc) Da im Kündigungsrecht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt, ist auf der 3. Stufe zu prüfen, ob keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, um die Störungen im Arbeitsablauf zu beseitigen. In Betracht kommt z.B. die Einstellung von Aushilfen.

Bei lang anhaltender Krankheit kommt – als ultima ratio – nur dann eine Kündigung in Betracht, wenn dem Arbeitgeber Überbrückungsmaßnahmen nicht mehr möglich oder zumutbar sind (z.B. Aushilfen, Überstunden etc.). Bei langjährigen Mitarbeitern verlangt das BAG Überbrückungsmaßnahmen über einen längeren Zeitraum, auch die unbefristete Einstellung von Aushilfen. Ist die Arbeitsunfähigkeit arbeitsplatzbezogen, kommt neben der Weiterbeschäftigung auf einem freien leidensgerechten Arbeitsplatz auch diejenige auf einem solchen in Betracht, den der Arbeitgeber erst durch Ausübung seines Direktionsrechtes frei machen muss. Handelt es sich hierbei um eine Versetzung, muss er sich um die Zustimmung des Betriebsrats bemühen. Ein Zustimmungsersetzungsverfahren bei Verweigerung der Zustimmung ist aber nicht erforderlich.

Häufige Kurzerkrankungen verlangen kurzfristige Maßnahmen des Arbeitgebers, so dass sich hier die Frage nach milderen Mitteln häufig gar nicht stellt.

Seit dem 01.04.2004 gibt es ein sog. betriebliches Eingliederungsmanagment (§ 84 Abs. 2 SGB IX). Ist der Arbeitnehmer mehr als sechs Wochen im Jahr arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung bzw. der Schwerbehindertenvertretung, wie die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt und eine neue verhindert werden kann. Kündigt der Arbeitgeber ohne Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagments, führt das aber nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit der Kündigung, da sie keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung der personenbedingten Kündigung ist (anders z.B. die vorherige Zustimmung zur Kündigung bei schwerbehinderten Menschen durch das Integrationsamt). Im Kündigungsschutzprozess kann der Arbeitgeber sich dann aber ggf. nicht pauschal darauf berufen, es seien keine alternativen Einsatzmöglichkeiten bekannt.

Die zuletzt vorzunehmende Interessenabwägung muss ergeben, dass die erheblichen Beeinträchtigungen zu einer Belastung des Arbeitgebers führen, die billigerweise nicht mehr von ihm hingenommen werden muss. Hierbei ist insbesondere zu bedenken, ob die Erkrankung ihre Ursache im betrieblichen Bereich hat und ob bzw. wie lange das Arbeitsverhältnis zuvor ungestört verlaufen ist. Zu berücksichtigen sind ferner die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter und Familienstand, etwaige Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers. Wichtig ist auch, ob der Arbeitgeber Personalreserven vorhält. Dies steht zwar in seiner freien unternehmerischen Entscheidung. Führt aber eine fehlende, bei geordneter Betriebsführung gebotene Personalreserve zu erheblichen Betriebsbelastungen, kann dies zu Lasten des Arbeitgebers gehen. Hat er jedoch eine und kommt es durch übermäßige Ausfälle zu Betriebsbelastungen, so ist dies zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Die übliche Personalreserve bemisst sich nach dem durchschnittlichen Krankenstand im Betrieb.

Lohnfortzahlungskosten müssen außergewöhnlich hoch sein, um für sich allein die weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers unzumutbar zu machen. Dies ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Fall, wenn sie für sechzig Arbeitstage im Jahr erfolgt.

Für die Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Belastung mit Lohnfortzahlungskosten noch zumutbar ist, ist die Ausfallquote von Arbeitnehmern mit vergleichbaren oder ähnlichen Arbeitsbedingungen maßgeblich. Haben auch diese einen besonders hohen Krankenstand, kann nur eine ganz erhebliche höhere Ausfallquote die Kündigung rechtfertigen, und dies auch nur dann, wenn Überbrückungsmaßnahmen des Arbeitgebers nicht erfolgreich oder nicht zumutbar waren.

Bei dauernder Leistungsunfähigkeit kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber nicht daran hindern, einen anderen Arbeitnehmer mit seiner Tätigkeit zu betrauen. Da dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung unmöglich wird, ist in aller Regel von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen.

Macht der Arbeitnehmer nach einer wirksamen krankheitsbedingte Kündigung einen Wiedereinstellungsanspruch geltend, so muss er eine positive Gesundheitsprognose vorweisen. Es genügt nicht, wenn er lediglich Tatsachen vorträgt, welche die negative Gesundheitsprognose erschüttern. Tritt die grundlegende Gesundung erst lange nach der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein, so kann er daher eine Wiedereinstellung nicht verlangen.