Arnd Potratz
Im Mediapark 8 (Kölnturm)
50670 Köln
✆ 0221 - 99 22 566
✉ kanzlei@ra-potratz.de
Krankheit mit Ansage rechtfertigt nicht immer eine Kündigung
Arbeitnehmer dürfen eine Krankheit zwar grds. nicht als „Druckmittel“ einsetzen, um den Arbeitgeber zu einem von ihnen gewünschten Verhalten zu veranlassen. Nicht immer rechtfertigt ein solches Verhalten aber eine Kündigung. Diese scheidet insbesondere aus, wenn der Arbeitnehmer objektiv an einer nicht ausgeheilten Grunderkrankung leidet und befürchtet, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert, wenn der Arbeitgeber seinem Verlangen nicht entsprechen sollte.
Die Klägerin war im Oktober 2012 wegen eines sog. Tennisarms arbeitsunfähig erkrankt. Ende Oktober nahm sie ihre Arbeit wieder auf und sollte rund vier Wochen später eine erkrankte Kollegin aus der Registratur vertreten. Sie machte ohne Erfolg geltend, dass sie Schmerzen im Arm habe, die sie an der Arbeit in der Registratur hindern würden. Die beklagte Arbeitgeberin behauptete später, die Klägerin habe auf die entsprechende Anweisung ihrer Vorgesetzten mit den Worten reagiert:
„Dir ist schon klar, dass ich mich dann krankschreiben lasse?“
Nach zwei Arbeitstagen in der Registratur legte die Klägerin eine Krankschreibung für den Zeitraum vom 27.11. bis zum 14.12.2012 vor. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Die hiergegen gerichtete Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist zwar bereits die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Ankündigung nicht bestehenden Erkrankung durch den Arbeitnehmer für den Fall, dass der Arbeitgeber einem Verlangen des Arbeitnehmers nicht entsprechen sollte, ohne Rücksicht auf eine später tatsächlich auftretende Krankheit an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben.
Auch wenn ein objektiv erkrankter Arbeitnehmer den Arbeitgeber nach Ablehnung eines kurzfristig gestellten Urlaubsgesuchs darauf hinweist, „dann sei er eben krank“, schließt dies eine Pflichtverletzung nicht von vornherein aus. Denn auch bei tatsächlich bestehender Erkrankung ist es dem Arbeitnehmer aufgrund des Rücksichtnahmegebots verwehrt, die Krankheit und ein sich daraus ergebendes Recht, der Arbeit fern zu bleiben, gegenüber dem Arbeitgeber als „Druckmittel“ einzusetzen.
Etwas anderes gilt aber, wenn der objektiv erkrankte Arbeitnehmer – wie hier die Klägerin – davon ausgeht, dass sich die schon bestehende Krankheit im Fall der Ablehnung seines Begehrens verschlimmert. In einem solchen Fall kann nicht ohne weiteres fehlender Arbeitswille unterstellt werden. Daher erweist sich die der Klägerin zu Last gelegte Äußerung als unglücklich und ungeschickt, nicht aber als pflichtwidrig. Selbst wenn aber von einer Pflichtwidrigkeit auszugehen wäre, wäre die Beklagte nicht ohne vorherige Abmahnung berechtigt gewesen, eine außerordentliche Kündigung auszusprechen.
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 29.01.2014, – 5 Sa 631/13 –
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.08.2014
Unfreundliches Verhalten gegenüber Kunden rechtfertigt Abmahnung
Verhält sich ein Arbeitnehmer gegenüber Kunden unfreundlich, so verstößt er gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Mahnt ihn der Arbeitgeber deshalb ab, kann in der Regel eine Entfernung der Abmahnung nicht verlangt werden.
Der Kläger ist als Ausbildungsberater eingesetzt. Als ein Lehrgangsteilnehmer per E-Mail nach Einzelheiten einer mündlichen Ergänzungsprüfung fragte, teilte er ihm mit, es dürfe „eigentlich selbstverständlich sein, dass man sich dort anmeldet wo man sich auch zur schriftlichen Prüfung angemeldet hat. Dass Anmeldungen nicht auf Zuruf erfolgen können, sollte ebenfalls klar sein.“ Als der Kunde die Antwort als unfreundlich beanstandete, antwortete der Kläger ihm unter anderem: „Nach heute mittlerweile ca. 20 Anrufen von angehenden Meistern bleibt die Freundlichkeit einfach aus.“ Wegen dieser Korrespondenz erteilte die Arbeitgeberin eine Abmahnung. Der Kläger hält den Leistungsmangel für nicht schwerwiegend genug, als dass eine Abmahnung gerechtfertigt wäre.
Das Landesarbeitsgericht wies, ebenso wie das Arbeitsgericht, die Klage ab. Arbeitnehmer können die Entfernung einer Abmahnung aus ihrer Personalakte nur verlangen, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt bzw. wenn bei einer zu Recht erteilten Abmahnung ein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an deren Verbleib in der Personalakte nicht mehr besteht. Hier war keine dieser Voraussetzungen erfüllt.
Insbesondere ist die Abmahnung nicht unverhältnismäßig. Die abgemahnte Pflichtverletzung des Klägers stellt keine Nichtigkeit dar. Aufgabe des Arbeitnehmers ist die Kommunikation mit den Kunden. Wenn der Arbeitnehmer nicht nur einmal unfreundlich antwortet, sondern dies im Lauf der E-Mail-Kommunikation wiederholt, ist die Abmahnung berechtigt.
Die Revision ist nicht zugelassen worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 20.05.2014, – 2 Sa 17/14 –
Quelle: LAG Schleswig-Holstein PM vom 15.07.2014
Einmaliger Fehler eines Bank-Mitarbeiters bei der Überprüfung von Überweisungsbelegen rechtfertigt noch keine Kündigung
Seit 26 Jahren beschäftigte Bankangestellte muss weiterbeschäftigt werden
Die 48-jährige Klägerin des Rechtsstreits arbeitet seit 1986 bei der beklagten Bank, zuletzt als Sachbearbeiterin im Zahlungsverkehr. Zu ihren Aufgaben gehört unter anderem die Überprüfung von Überweisungsbelegen und gegebenenfalls deren Korrektur. Am 02.04.2012 prüfte sie 603 Belege innerhalb von weniger als 1,4 Sekunden, 105 Belegen innerhalb von 1,5-3 Sekunden und nur 104 Belegen in mehr als 3 Sekunden. Dabei übersah sie in den Zahlungsbeleg eines Rentners, der durch einen Arbeitskollegen von 62,40 € auf 222.222.222,22 € korrigiert worden war. Wie sich im Nachhinein herausstellte, war der vorprüfender Arbeitskollege, der allerdings nicht für die Prüfung des Betragsfelds des Belegs zuständig war, bei einem Sekundenschlaf auf die Taste „2“ der PC-Tastatur geraten und hatte diese länger gedrückt gehalten. Durch eine systeminterne Prüfungsroutine wurde der Fehler bemerkt und berichtigt.
Die Bank hat der Klägerin die vorsätzliche Täuschung über ihre Arbeitsleistungen vorgeworfen indem sie Belege nicht geprüft, sondern ohne Prüfung freigegeben habe. Sie hat der Klägerin fristlos, hilfsweise fristgerecht gekündigt.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main und ihm folgend das Hessische Landesarbeitsgericht haben der Kündigungsschutzklage der Klägerin stattgegeben. Eine vorsätzliche Schädigung des Arbeitgebers oder eine vorsätzliche Manipulation des Arbeitsablaufs lägen nicht vor. Nach der Vorbearbeitung durch den Arbeitskollegen könne der Klägerin nur noch eine unterlassene Kontrolle des Überweisungsträgers vorgeworfen werden. Dies sei zwar ein schwerer Fehler gewesen, die für eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen notwendige negative Prognose sei nach Abwägung aller Umstände aber nicht erkennbar. Deshalb sei der beklagten Bank hier eine Abmahnung statt einer Kündigung noch zumutbar gewesen.
Auch die von der Bank begehrte Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch das Gericht hat das Hessische Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür lägen nicht vor. Nach wie vor sei eine weitere den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit möglich.
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 07.02.2013, – 9 Sa 1315/12 –
Quelle: Hessiches Landesarbeitsgericht PM 7/13 vom 10.06.2013
Unrechtmäßiges Einlösen von Pfandbons (Wert: 1,30 €) durch Kassiererin rechtfertigt im Fall „Emmely“ keine fristlose Kündigung
Die Kündigung ist unwirksam. Die mit einer sogenannten „Verdachtskündigung“ verbundenen Fragen stellten sich dabei in der Revisionsinstanz nicht, weil das Landesarbeitsgericht – für den Senat bindend – festgestellt hat, dass die Klägerin die ihr vorgeworfenen Handlungen tatsächlich begangen hat. Der Vertragsverstoß ist schwerwiegend. Er berührte den Kernbereich der Arbeitsaufgaben einer Kassiererin und hat damit trotz des geringen Werts der Pfandbons das Vertrauensverhältnis der Parteien objektiv erheblich belastet. Als Einzelhandelsunternehmen ist die Beklagte besonders anfällig dafür, in der Summe hohe Einbußen durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Schädigungen zu erleiden. Dagegen konnte das Prozessverhalten der Klägerin nicht zu ihren Lasten gehen. Es lässt keine Rückschlüsse auf eine vertragsrelevante Unzuverlässigkeit zu. Es erschöpfte sich in einer möglicherweise ungeschickten und widersprüchlichen Verteidigung. Letztlich überwiegen angesichts der mit einer Kündigung verbundenen schwerwiegenden Einbußen die zu Gunsten der Klägerin in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte. Dazu gehört insbesondere die über drei Jahrzehnte ohne rechtlich relevante Störungen verlaufene Beschäftigung, durch die sich die Klägerin ein hohes Maß an Vertrauen erwarb. Dieses Vertrauen konnte durch den in vieler Hinsicht atypischen und einmaligen Kündigungssachverhalt nicht vollständig zerstört werden. Im Rahmen der Abwägung war auch auf die vergleichsweise geringfügige wirtschaftliche Schädigung der Beklagten Bedacht zu nehmen, so dass eine Abmahnung als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung angemessen und ausreichend gewesen wäre, um einen künftig wieder störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu bewirken.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.06.2010, – 2 AZR 541/09 –
Quelle: BAG PM Nr. 42/10 vom 10.06.2010
⭐⭐⭐⭐⭐ 5.0/5.0