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Krankheit mit Ansage rechtfertigt nicht immer eine Kündigung

Arbeitnehmer dürfen eine Krankheit zwar grds. nicht als „Druckmittel“ einsetzen, um den Arbeitgeber zu einem von ihnen gewünschten Verhalten zu veranlassen. Nicht immer rechtfertigt ein solches Verhalten aber eine Kündigung. Diese scheidet insbesondere aus, wenn der Arbeitnehmer objektiv an einer nicht ausgeheilten Grunderkrankung leidet und befürchtet, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert, wenn der Arbeitgeber seinem Verlangen nicht entsprechen sollte.

Die Klägerin war im Oktober 2012 wegen eines sog. Tennisarms arbeitsunfähig erkrankt. Ende Oktober nahm sie ihre Arbeit wieder auf und sollte rund vier Wochen später eine erkrankte Kollegin aus der Registratur vertreten. Sie machte ohne Erfolg geltend, dass sie Schmerzen im Arm habe, die sie an der Arbeit in der Registratur hindern würden. Die beklagte Arbeitgeberin behauptete später, die Klägerin habe auf die entsprechende Anweisung ihrer Vorgesetzten mit den Worten reagiert:

„Dir ist schon klar, dass ich mich dann krankschreiben lasse?“

Nach zwei Arbeitstagen in der Registratur legte die Klägerin eine Krankschreibung für den Zeitraum vom 27.11. bis zum 14.12.2012 vor. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Die hiergegen gerichtete Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg.

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist zwar bereits die Ankündigung einer zukünftigen, im Zeitpunkt der Ankündigung nicht bestehenden Erkrankung durch den Arbeitnehmer für den Fall, dass der Arbeitgeber einem Verlangen des Arbeitnehmers nicht entsprechen sollte, ohne Rücksicht auf eine später tatsächlich auftretende Krankheit an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung abzugeben.

 

Auch wenn ein objektiv erkrankter Arbeitnehmer den Arbeitgeber nach Ablehnung eines kurzfristig gestellten Urlaubsgesuchs darauf hinweist, „dann sei er eben krank“, schließt dies eine Pflichtverletzung nicht von vornherein aus. Denn auch bei tatsächlich bestehender Erkrankung ist es dem Arbeitnehmer aufgrund des Rücksichtnahmegebots verwehrt, die Krankheit und ein sich daraus ergebendes Recht, der Arbeit fern zu bleiben, gegenüber dem Arbeitgeber als „Druckmittel“ einzusetzen.

 

Etwas anderes gilt aber, wenn der objektiv erkrankte Arbeitnehmer – wie hier die Klägerin – davon ausgeht, dass sich die schon bestehende Krankheit im Fall der Ablehnung seines Begehrens verschlimmert. In einem solchen Fall kann nicht ohne weiteres fehlender Arbeitswille unterstellt werden. Daher erweist sich die der Klägerin zu Last gelegte Äußerung als unglücklich und ungeschickt, nicht aber als pflichtwidrig. Selbst wenn aber von einer Pflichtwidrigkeit auszugehen wäre, wäre die Beklagte nicht ohne vorherige Abmahnung berechtigt gewesen, eine außerordentliche Kündigung auszusprechen.

 

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom  29.01.2014, – 5 Sa 631/13 –

Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.08.2014

Kirchliche Einrichtungen dürfen Bewerber nicht ohne weiteres wegen fehlender Religionszugehörigkeit ablehnen

Ein in Trägerschaft der katholischen Kirche stehendes Krankenhaus wies im September 2011 die Bewerbung eines objektiv geeigneten Bewerbers für eine Stelle als Intensivpfleger zurück, weil dieser nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft ist. Der Bewerber fühlte sich diskriminiert und klagte vor dem Arbeitsgericht Aachen auf eine Entschädigungszahlung in Höhe von 3 Bruttomonatsgehältern, die er bei dem Krankenhaus verdient hätte. Das angerufene Arbeitsgericht Aachen (2 Ca 4226/11) sprach dem Kläger die geltend gemachte Entschädigung zu, wenn auch nicht in voller Höhe.


Das Gericht stellte fest:

Weist ein Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft die Bewerbung eines Krankenpflegers allein mit der Begründung zurück, er sei nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft, stellt dies eine Diskriminierung im Sinne des AGG dar und löst eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG aus. Die Religionsgemeinschaft kann sich insoweit nicht auf ihren verfassungsrechtlichen Sonderstatus berufen, wenn sie allein auf die formelle Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft abstellt. Nach ihren eigenen Vorgaben in § 3 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes darf sie nur bei der Besetzung von Stellen im pastoralen, katechetischen sowie in der Regel im erzieherischen Bereich und bei leitenden Aufgaben die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche verlangen. Bei allen übrigen Stellen reicht es aus, dass der Bewerber sicher stellt, den besonderen Auftrag glaubwürdig zu erfüllen. Nach dem Wortlaut der Grundordnung ergibt sich dies aus der fachlichen Tüchtigkeit, der gewissenhaften Erfüllung der übertragen Aufgaben und der Zustimmung des Bewerbers zu den Zielen der Einrichtung.

Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine Entschädigung wegen Diskriminierung im Einstellungsverfahren bis zu drei Bruttomonatsgehälter betragen. Die Kammer sah sich im vorliegenden Fall veranlasst, die Entschädigung auf etwa ein Bruttogehalt zu reduzieren, da die Schwere des Verstoßes wegen der schwierigen und weitgehend ungeklärten Rechtslage als gering einzustufen war.

Arbeitsgericht Aachen, Urteil vom 13.12.2012, – 2 Ca 4226/11 –

Quelle: Arbeitsgericht Aachen PM 3/12 vom 14.12.2012

 

Insolvenzverwalter können noch nicht unverfallbare Anwartschaft auf Direktversicherung widerrufen

Hat der Arbeitgeber zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung eine Direktversicherung abgeschlossen und dem Arbeitnehmer ein bis zum Ablauf der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt, steht dem Arbeitnehmer in der Insolvenz des Arbeitgebers kein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO an der Versicherung zu, wenn der Insolvenzverwalter das Bezugsrecht wirksam widerrufen hat. Die Zulässigkeit des Widerrufs richtet sich allein nach der versicherungsrechtlichen Rechtslage im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Versicherung, nicht nach den arbeitsrechtlichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Verstößt der Insolvenzverwalter mit dem Widerruf des Bezugsrechts gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, so kann dies grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers begründen. Dieser ist jedoch weder auf Erstattung der Beiträge zur Direktversicherung noch auf Zahlung des Rückkaufswerts gerichtet, sondern auf Ausgleich des Versorgungsschadens.

 

Der Kläger war vom 01.12.1998 bis zum 31.12.2005 bei der späteren Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Diese sagte dem Kläger am 30.08.1999 Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu. Dazu schloss die Schuldnerin eine Direktversicherung ab und räumte dem Kläger ein bis zum Ablauf der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist widerrufliches Bezugsrecht ein. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin widerrief der beklagte Insolvenzverwalter gegenüber der Versicherungsgesellschaft das Bezugsrecht. Der Kläger hat den Widerruf des Bezugsrechts für unwirksam gehalten und den Insolvenzverwalter auf Übertragung der Versicherung in Anspruch genommen. Hilfsweise hat er im Wege des Schadensersatzes die Erstattung der an die Versicherung gezahlten Beiträge, zumindest aber Zahlung des Rückkaufswerts der Versicherung verlangt.

 

Die Klage hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts, wie schon in den Vorinstanzen, keinen Erfolg. Der Widerruf des Bezugsrechts durch den Insolvenzverwalter ist wirksam, da die Unverfallbarkeitsfrist nach § 1 b iVm. § 30 f Abs. 1 BetrAVG im Zeitpunkt des Widerrufs nicht abgelaufen war. Der Insolvenzverwalter ist auch nicht verpflichtet, dem Kläger im Wege des Schadensersatzes die Beiträge für die Direktversicherung oder den Rückkaufswert der Versicherung zu erstatten. Den Ersatz eines Versorgungsschadens hat der Kläger nicht verlangt. Deshalb war auch nicht zu entscheiden, ob der Insolvenzverwalter im Verhältnis zum Kläger berechtigt war, das Bezugsrecht zu widerrufen, noch kommt es darauf an, ob ein Schadensersatzanspruch wegen eines zu Unrecht erklärten Widerrufs des Bezugsrechts eine Insolvenzforderung oder eine Masseforderung ist.

 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.09.2012, – 3 AZR 176/10 – 

Quelle: Bundesarbeitsgericht PM Nr. 65/12 vom 18.09.2012

Übergriffe auf Schutzbefohlene durch Mitarbeiter rechtfertigen nicht ohne weiteres die Kündigung des Vorgesetzten

Die Klägerin war seit dem 01.04.1993 zunächst als Psychologin und ab 2005 als Bereichsleiterin für fünf Wohngruppen mit vierzig Mitarbeitern für die Beklagte, einer gemeinnützigen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung, tätig. Die Betreuung in einer Wohngruppe orientierte sich an einem sog. „Intra-act-plus-Konzept“, welches als Reaktion auf fremdaggressives Verhalten differenzierte Belohnungs- und Bestrafungstypen vorsieht. Im Rahmen dieses Konzepts kam es im April und Mai 2008 zu massiven Übergriffen und Misshandlungen anvertrauter Schutzbefohlener durch Mitarbeiter der Beklagten. Hieran war die Klägerin nicht beteiligt. Die Beklagte hat der Klägerin aber vorgeworfen, ihren Kontrollpflichten als zuständiger Bereichsleiterin nicht nachgekommen zu sein, um die „erzieherischen“ Grenzüberschreitungen zu unterbinden. Sie habe nach dem Vortrag der Beklagten zudem jedenfalls zunächst Kenntnis von den Vorfällen gehabt, ohne die Geschäftsleitung zu informieren. Spätestens am 26.05.2008 informierte die Klägerin die damalige Geschäftsführung. Die mittlerweile neue Geschäftsführung der Beklagten hat die Vorfälle im August 2009 untersucht und als Ergebnis die Klägerin mit Schreiben vom 30.09.2009 fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 31.03.2010 gekündigt.

Wie schon erstinstanzlich das Arbeitsgericht Düsseldorf hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf im Berufungsverfahren der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung stattgegeben. Der Klägerin konnte nicht nachgewiesen werden, dass sie vor Unterrichtung der damaligen Geschäftsleitung positive Kenntnis von den Vorfällen hatte. Ob sie gegen ihre Kontrollpflichten verstieß, ließ das Landesarbeitsgericht offen. Es hätte insoweit vor Ausspruch einer Kündigung einer Abmahnung bedurft. Der parallel gestellte Weiterbeschäftigungsantrag wurde jedoch zurückgewiesen. Die Weiterbeschäftigung der Klägerin ist derzeit aufgrund einer inzwischen ergangenen öffentlich-rechtlichen Auflage des Landschaftsverbands Rheinland an die Beklagte, die Klägerin bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen nicht zu beschäftigen, rechtlich nicht möglich. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.02.2011, – 16 Sa 1016/10 –

Quelle: LAG Düsseldorf PM Nr. 13/11 vom 15.02.2011

Freistellung schützt Arbeitnehmer nicht vor einer fristlosen Kündigung

Im Falle einer schwerwiegenden Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten kommt auch bei einem von der Arbeitspflicht bis zum vereinbarten Beendigungstermin freigestellten Arbeitnehmer eine außerordentliche Kündigung in Betracht.Dies hat das Hessische Landesarbeitsgericht entschieden und damit ein Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Der 36- jährige, verheiratete Kläger des Rechtsstreits war seit Oktober 2008 bei seiner Arbeitgeberin, einer Bank aus Düsseldorf, als Firmenkundenbetreuer tätig, seit April 2009 mit Prokura. Am 16.06.2010 vereinbarten die Parteien die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2010 und die Freistellung des Klägers ab 01.07.2010 bis 31.12.2010 bei Fortzahlung der Bezüge.

Am 29./30.06.2010 übermittelte der Kläger insgesamt 94 E-mails mit ca. 622 MB in 1660 Dateianhängen an sein privates E-Mail Postfach bei gmx.de. Dabei handelte es sich überwiegend um Daten, die dem Bankgeheimnis unterliegen, darunter Daten der vom Kläger betreuten Kunden; Dokumente, in denen die einem Unternehmen eingeräumten Kreditlinien und in Anspruch genommenen Kredite aufgelistet werden; Risikoanalysen für diverse Unternehmen, Kreditverträge u.ä.

Hiervon erfuhr die Beklagte am 07.07.2010 durch ihre Datenschutzkommission. Am 20.07.2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos.Die hiergegen erhobene Klage hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Es ist der Ansicht gewesen, der Kläger habe eine schwerwiegende Vertragsverletzung begangen, die die fristlose Kündigung auch in einem tatsächlich nicht mehr vollzogen Arbeitsverhältnis rechtfertige. Zwar komme es zur Begründung einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig auf die Prognose zukünftigen Verhaltens an. Hier stehe die fehlende Wiederholungsgefahr aber nicht entgegen. Der Kläger habe das in ihn gesetzte Vertrauen seiner Arbeitgeberin durch die Mitnahme geheim zu haltender Bankdaten so schwer erschüttert, dass ihr das Festhalten an dem Arbeitsverhältnis und die Fortzahlung der Bezüge bis Dezember 2010 nicht mehr zumutbar seien. Das Fehlverhalten des Klägers habe ein nahezu gleich großes Gewicht wie eine strafbare Handlung zulasten des Arbeitgebers.Die Einlassung des Klägers, er habe die Daten auf seinem Rechner nicht an Dritte weitergeben wollen und sie während der Zeit der Freistellung nur zu Trainingszwecken verwenden wollen, wertete das Hessische Landesarbeitsgericht als unbeachtliche Schutzbehauptung.

Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 29.08.2011, – 7 Sa 248/11 –

Quelle: Hessisches LAG PM Nr. 14 vom 06.12.2011





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