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Beweis für den Zugang einer E-Mail

Den Absender einer E-Mail trifft gem. § 130 BGB die volle Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die E-Mail dem Empfänger zugegangen ist. Ihm kommt keine Beweiserleichterung zu Gute, wenn er nach dem Versenden keine Meldung über die Unzustellbarkeit der E-Mail erhält. Dies hat das Landesarbeitsgericht am 11. Januar 2022 entschieden.

In dem Rechtsstreit stritten die Parteien um die Verpflichtung des Klägers, ein ihm zur Finanzierung einer Fortbildung gewährtes Darlehen an die Beklagte zurückzuzahlen. In dem Darlehensvertrag war geregelt, dass die Beklagte auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet, wenn sie aus betrieblichen Gründen dem Kläger nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Fortbildung die Übernahme in ein Arbeitsverhältnis anbietet. Ob der Kläger eine E-Mail der Beklagten mit einem Beschäftigungsangebot als Anlage am letzten Tag der Frist erhalten hat, war streitig. Die Beklagte verwies auf ihr Postausgangs- und Posteingangskonto, wonach die E-Mail verschickt worden sei und sie daraufhin keine Meldung der Unzustellbarkeit bekommen habe. Laut Kläger ging eine solche E-Mail erst drei Tage später bei ihm ein. In dem daraufhin vereinbarten Arbeitsverhältnis begann die Beklagte, vom Gehalt des Klägers monatlich jeweils 500 Euro als Darlehensrückzahlung einzubehalten. Sie war der Ansicht, dass dem Kläger rechtzeitig ein Arbeitsplatz aufgrund der E-Mail angeboten worden sei. Die Bedingung für den Verzicht auf die Rückzahlung sei nicht eingetreten. Sie könne sich hinsichtlich des fristgerechten Zugangs der E-Mail auf den Beweis des ersten Anscheins berufen. Das Arbeitsgericht hat der Lohnzahlungsklage stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Der Zugang einer E-Mail sei vom Versender darzulegen und zu beweisen. Die Absendung der E-Mail begründe keinen Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger. Ob nach dem Versenden einer E-Mail die Nachricht auf dem Empfängerserver eingeht, sei nicht gewiss. Wie auch bei einfacher Post sei es technisch möglich, dass die Nachricht nicht ankommt. Dieses Risiko könne nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Denn der Versender wähle die Art der Übermittlung der Willenserklärung und trage damit das Risiko, dass die Nachricht nicht ankommt. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, habe der Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mail-Programms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern.

Quelle: LAG Köln v. 11.01.2022 – 4 Sa 315/21
Pressemitteilung LAG Köln 2/2022 vom 21.02.2022

Arbeitnehmer können aufgrund betrieblicher Übung einen Anspruch auf Vereinbarung eines Versorgungsrechts haben

Die beklagte Landesbank ist im Jahre 1972 aus einer Fusion hervorgegangen. Bestandteil des Fusionsvertrags ist eine „Personalvereinbarung“ (sog. PV 72). Nach deren Nr. 3.2 können Mitarbeiter, die mindestens 20 Jahre im Kreditgewerbe beschäftigt waren, davon mindestens 10 Jahre bei den fusionierten Instituten oder bei der Bayerischen Landesbank – Girozentrale -, einen Rechtsanspruch auf Versorgung nach beamtenähnlichen Grundsätzen (sog. Versorgungsrecht) erhalten; über die Erteilung des Versorgungsrechtes entscheidet nach Nr. 3.2 PV 72 der Vorstand. Die Beklagte bot seit 1972 (nahezu) allen Arbeitnehmern, die eine Dienstzeit von 20 Jahren im Kreditgewerbe, davon mindestens 10 Jahre bei der Bayerischen Landesbank zurückgelegt, eine gute Beurteilung durch ihre Vorgesetzten erhalten hatten und in einer gesundheitlichen Verfassung waren, die eine vorzeitige Zurruhesetzung nicht erwarten ließ, Versorgungsrechte an. Anfang des Jahres 2009 beschloss die Beklagte, die Vereinbarung von Versorgungsrechten einzustellen. Dem Kläger, der die Voraussetzungen am 1. Januar 2010 erfüllte, wurde kein Versorgungsvertrag angeboten.

Als Arbeitnehmer richtig kündigen

 

Das Wichtigste gleich vorweg: Für die Kündigung genügt ein Satz!  Ein Musterschreiben finden Sie unten!

 

Kündigungserklärung

Der Arbeitgeber muss durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die das Arbeitsverhältnis für die Zukunft sofort mit Zugang oder nach Ablauf einer Kündigungsfrist beenden soll, erfahren, dass der Arbeitnehmer das bestehende Arbeitsverhältnis beenden will. Irgendein Mitwirkungsakt des Arbeitgebers ist nicht erforderlich.

Das Kündigungsschreiben sollte klar und eindeutig sein. Ein Beendigungszeitpunkt, also zum Beispiel „zum 31.12.2013“ kann angegeben werden. Besteht Unsicherheit hinsichtlich der Kündigungsfrist, reicht es auch aus, „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ zu kündigen.

 

Schriftform

Seit dem 01.05.2000 muss jede Kündigung schriftlich erfolgen (§ 623 BGB). Telefax, Telegramm, Email und SMS genügen daher nicht mehr. Dies bedeutet auch, dass die Kündigung eigenhändig oder per notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sein muss.

 

Zugang der Kündigung

Was hierfür erforderlich ist, hängt davon ab, ob die Kündigung unter Abwesenden oder Anwesenden ausgesprochen wurde. Unter Abwesenden muss sie derart in den Bereich des Arbeitgebers gelangen, dass er unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (Briefkasten, Postfach, o.ä.). Unter Anwesenden geht sie durch einfache Übergabe zu. Nicht zugegangen ist die Kündigung, wenn lediglich eine Kopie übergeben wird.

Der Einwurf in den Briefkasten sollte möglichst am frühen Morgen erfolgen, bevor er üblicherweise geleert wird. Sonst zählt womöglich erst der nächste Tag als Zugang. Damit kann sich schlimmstenfalls die Kündigungsfrist nach hinten verschieben.

 

Kündigungsfrist

Nach der Probezeit beträgt die gesetzliche Grundkündigungsfrist vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Abs. 1 BGB). Falls vertraglich etwas anderes vereinbart wurde, dürfen die Kündigungsfristen für Arbeitnehmer nicht länger sein als für den Arbeitgeber. Häufig wird auch eine dynamische Verlängerung der Frist vereinbart, die von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängt. Besteht ein Tarifvertrag, gelten dessen Bestimmungen. Ein „wichtiger Grund“ kann gegebenenfalls sogar zu einer fristlosen Eigenkündigung des Arbeitnehmers führen (z.B. bei Mobbing oder wenn längere Zeit das Gehalt nicht gezahlt wurde).

Kündigungsgrund

Grundsätzlich muss ein Kündigungsgrund nicht angegeben werden. Lediglich bei der außerordentlichen Kündigung kann dies der Fall sein, allerdings nur, wenn es verlangt wird (§ 626 Abs. 1 BGB).

Empfangsbestätigung

Eine Bestätigung betreffend den Erhalt der Kündigung ist üblich, aber rechtlich nicht erforderlich.

 

Musterkündigung für Arbeitnehmer zum Download

Eine Musterkündigung für Arbeitnehmer haben wir für Sie vorbereitet. Sie können sie hier herunterladen.

Arbeitnehmer riskieren bei eigenen Geschäften mit Kunden des Arbeitgebers die fristlose Kündigung

Wer als Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber unerlaubt Konkurrenz macht, kann fristlos gekündigt werden.

Das hat das Hessische Landesarbeitsgericht entschieden und damit ein Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden abgeändert.

Der 43-jährige Arbeitnehmer war seit August 2000 bei seinem Arbeitgeber, der einen Betrieb für Abflussrohrsanierungen führt, als Rohrleitungsmonteur beschäftigt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war der Arbeitnehmer im August 2007 zunächst im Auftrag seines Arbeitgebers bei einer Kundin, um die Abflussrohre im Bereich Küche und Keller mit einer Spezialkamera zu inspizieren. Einige Tage später kam er zurück und verlegte bei der Kundin neue Abflussrohre zur Behebung des festgestellten Schadens. Dafür verlangte er 900 € in bar, die die Kundin auch zahlte. Eine Quittung stellte der Arbeitnehmer nicht aus. Das Geld behielt für sich.

Durch diese Konkurrenztätigkeit hat der Arbeitnehmer nach Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichts seine arbeitsvertraglichen Pflichten massiv verletzt. Ein Arbeitnehmer darf im Marktbereich seines Arbeitgebers Dienste und Leistungen nicht anbieten. Dem Arbeitgeber soll dieser Bereich uneingeschränkt und ohne die Gefahr nachteiliger Beeinflussung durch die eigenen Arbeitnehmer offenstehen.

Die dem Arbeitnehmer im Juli 2011 ausgesprochene fristlose Kündigung war deshalb nach Ansicht des Hessischen Landesarbeitsgerichts wirksam und beendete das Arbeitsverhältnis mit deren Zugang. Der Arbeitgeber hatte erst wenige Tage vor der Kündigung von dem Vorfall aus dem Jahr 2007 erfahren, als die Kundin bei ihm wegen der Nachbesserung mangelhafter Leistungen des Arbeitnehmers vorsprach.

 

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 28.01.2013, – 16 Sa 593/12 –

Quelle: Hessisches Landesarbeitsgericht PM Nr. 3 vom 15.04.2013

Arbeitnehmer, Fehlverhalten

s. Abmahnung

Einstellung schwerbehinderter Arbeitnehmer – Chance oder Risiko?

 

I. Allgemeines

Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen müssen auf mindestens 5 % dieser Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigen, insbesondere mit Schwerbehinderten, die bei der Agentur für Arbeit gemeldet sind (§ 71 Abs. 1 SGB IX).

Was viele Arbeitgeber nicht wissen:

Ist ein freier Arbeitsplatz zu besetzen, muss immer erst geprüft werden, ob die freie Stelle mit einem schwerbehinderten Menschen oder einem ihm Gleichgestellten besetzt werden kann (§ 81 SGB IX). Nimmt der Arbeitgeber diese Prüfung nicht vor, hat dies gegebenenfalls unangenehme Konsequenzen, insbesondere kann der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung eines nicht behinderten Arbeitnehmers verweigern.

Einen Einstellungsanspruch begründet § 71 Abs. 1 SGB IX allerdings nicht. Solange Arbeitgeber die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, entrichten sie für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz (lediglich) eine Ausgleichsabgabe. Die Zahlung hebt die Beschäftigungspflicht aber nicht auf.

Die Abgabe beträgt je unbesetzten Pflichtplatz

  • 105 € bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 3% bis weniger als dem geltenden Pflichtsatz (derzeit 5%),
  • 180 € bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 2% bis weniger als 3%,
  • 260 € bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von weniger als 2%.

 

Sonderregelung:

Hat der Arbeitgeber jahresdurchschnittlich weniger als 40 Arbeitsplätze, muss er nur einen schwerbehinderten Menschen einstellen und beschäftigen; andernfalls zahlt er je 105 €; hat er weniger als 60 Arbeitsplätze, muss er 2 Pflichtplätze mit schwerbehinderten Arbeitnehmern besetzen. Er zahlt dann 105 €, wenn er nur einen Pflichtplatz besetzt und 180 €, wenn er keinen schwerbehinderten Menschen beschäftigt.

 

II. Vorteile der Einstellung schwerbehinderter Arbeitnehmer

Arbeitgeber – auch Kleinbetriebe, die nach o.g. Kriterien nicht der Beschäftigungspflicht unterliegen – können in vielen Fällen Förderleistungen für die Beschäftigung und Einstellung schwerbehinderter Menschen in Anspruch nehmen.

Sie werden gewährt als

  • finanzielle Zuschüsse zur Ausbildung von Menschen mit einer Schwerbehinderung,
  • finanzielle Zuschüsse bei Einstellung von Menschen mit einer Schwerbehinderung,
  • finanzielle Zuschüsse für Hilfen im Arbeitsleben der Menschen mit einer Schwerbehinderung.

Die Integrationsämter, die Agenturen für Arbeit oder andere Rehabilitationsträger (z.B. gesetzliche Renten- oder Krankenversicherung) prüfen die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Förderung. Auch präsentieren die Bundesländer regelmäßig zeitlich befristete Sonderförderprogramme, bei denen vorrangig Arbeitgeber Förderleistungen erhalten, die ohne Beschäftigungspflicht oder über die Beschäftigungspflicht (§ 71 SGB IX) hinaus schwerbehinderte Menschen einstellen.

Voraussetzung: unbefristete oder für mindestens 12 Monate befristete Einstellung eines schwerbehinderten Menschen.

Höhe des Zuschusses: maximal 90% des Arbeitsentgelts zuzüglich des pauschalierten

Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag.

Dauer der Förderung: höchstens 24 Monate, bei schwerbehinderten Menschen ab 50 Jahren höchstens 36 Monate. Nach jeweils einem Jahr wird sie regelmäßig um mindestens 10% gekürzt. Eine teilweise Rückzahlungspflicht kann entstehen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 12 Monaten nach Ende der Förderung beendet wird (Ausnahmen: Kündigungsgrund für Arbeitgeber, Eigenkündigung oder Erreichen des Rentenalters).

 

III. Nachteile der Einstellung schwerbehinderter Arbeitnehmer

1. Erhöhter Kündigungsschutz:

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen bedarf zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes (§ 85 SGB IX). Wird sie erteilt, kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats erklären. Die eigentliche Kündigungsfrist muss dann noch mindestens vier Wochen betragen (§ 86 SGB IX). Voraussetzung für den erhöhten Kündigungsschutz ist der Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft zum Zeitpunkt der Kündigung.

Aber:

Ist der Schwerbehinderte noch nicht länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt, ist die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung nicht erforderlich (§ 90 Abs. 1 S. 1 SGB IX).

Weitere Ausnahmen nach § 90 SGB IX, d.h. kein erhöhter Kündigungsschutz bei

  • schwerbehinderten Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und Anspruch auf eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung auf Grund eines Sozialplanes haben,
  • schwerbehinderten Arbeitnehmern, die Anspruch auf Knappschaftsausgleichsleistung oder auf Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus haben, wenn der Arbeitgeber ihnen die Kündigungsabsicht rechtzeitig mitgeteilt hat und sie der beabsichtigten Kündigung bis zu deren Ausspruch nicht widersprechen.
  • bei Entlassungen aus Witterungsgründen, sofern die Wiedereinstellung bei Wiederaufnahme der Arbeit (bei besserem Wetter) gewährleistet ist.

Hat das Integrationsamt die Zustimmung erteilt, kann der Arbeitnehmer hiergegen Widerspruch einlegen und bei seiner Erfolglosigkeit Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Allerdings haben Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung. Der Arbeitnehmer hat aber auch die Möglichkeit, Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen.

Sollte das Integrationsamt meinen, eine Zustimmung sei gar nicht erforderlich, so hebt dies die „Kündigungssperre“ auf und die Behinderung ist nur noch bei der Interessenabwägung im Kündigungsschutzverfahren zu berücksichtigen.

2. Schwerbehinderte haben Anspruch auf bezahlten zusätzlichen Urlaub von 5 Arbeitstagen im Urlaubsjahr (§ 125 SGB IX). Dies gilt aber nicht für Gleichgestellte (vgl. § 63 Abs 3 SGB IX).

3. Renten, welche wegen der Behinderung bezogen werden, werden auf das Arbeitsentgelt nicht angerechnet (§ 123 SGB IX).

4. Schwerbehinderte Menschen werden auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freigestellt (§ 124 SGB IX).

5. Für in Heimarbeit beschäftigte und diesen gleichgestellte schwerbehinderte Menschen beträgt die Kündigungsfrist vier statt zwei Wochen (§ 127 Abs. 2 SGB IX) gilt.

 

IV. Fazit

Die Beschäftigung eines schwerbehinderter Menschen kann eine echte Alternative sein. Je nachdem, wo er eingesetzt wird, ist er eine vollwertige Arbeitskraft. Auch sind gerade für Existenzgründer die staatliche Fördermaßnahmen zur Einstellung von Schwerbehinderten interessant. Andererseits haben viele Arbeitgeber Angst, einen schwerbehinderten Menschen nicht mehr „los zu werden“. Letztendlich muss der Arbeitgeber daher immer den konkreten Einzelfall beleuchten, um eine für sich tragfähige Entscheidung zu treffen.

Freistellung schützt Arbeitnehmer nicht vor einer fristlosen Kündigung

Im Falle einer schwerwiegenden Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten kommt auch bei einem von der Arbeitspflicht bis zum vereinbarten Beendigungstermin freigestellten Arbeitnehmer eine außerordentliche Kündigung in Betracht.Dies hat das Hessische Landesarbeitsgericht entschieden und damit ein Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main abgeändert.

Der 36- jährige, verheiratete Kläger des Rechtsstreits war seit Oktober 2008 bei seiner Arbeitgeberin, einer Bank aus Düsseldorf, als Firmenkundenbetreuer tätig, seit April 2009 mit Prokura. Am 16.06.2010 vereinbarten die Parteien die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2010 und die Freistellung des Klägers ab 01.07.2010 bis 31.12.2010 bei Fortzahlung der Bezüge.

Am 29./30.06.2010 übermittelte der Kläger insgesamt 94 E-mails mit ca. 622 MB in 1660 Dateianhängen an sein privates E-Mail Postfach bei gmx.de. Dabei handelte es sich überwiegend um Daten, die dem Bankgeheimnis unterliegen, darunter Daten der vom Kläger betreuten Kunden; Dokumente, in denen die einem Unternehmen eingeräumten Kreditlinien und in Anspruch genommenen Kredite aufgelistet werden; Risikoanalysen für diverse Unternehmen, Kreditverträge u.ä.

Hiervon erfuhr die Beklagte am 07.07.2010 durch ihre Datenschutzkommission. Am 20.07.2010 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristlos.Die hiergegen erhobene Klage hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Das Hessische Landesarbeitsgericht hat das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

Es ist der Ansicht gewesen, der Kläger habe eine schwerwiegende Vertragsverletzung begangen, die die fristlose Kündigung auch in einem tatsächlich nicht mehr vollzogen Arbeitsverhältnis rechtfertige. Zwar komme es zur Begründung einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses regelmäßig auf die Prognose zukünftigen Verhaltens an. Hier stehe die fehlende Wiederholungsgefahr aber nicht entgegen. Der Kläger habe das in ihn gesetzte Vertrauen seiner Arbeitgeberin durch die Mitnahme geheim zu haltender Bankdaten so schwer erschüttert, dass ihr das Festhalten an dem Arbeitsverhältnis und die Fortzahlung der Bezüge bis Dezember 2010 nicht mehr zumutbar seien. Das Fehlverhalten des Klägers habe ein nahezu gleich großes Gewicht wie eine strafbare Handlung zulasten des Arbeitgebers.Die Einlassung des Klägers, er habe die Daten auf seinem Rechner nicht an Dritte weitergeben wollen und sie während der Zeit der Freistellung nur zu Trainingszwecken verwenden wollen, wertete das Hessische Landesarbeitsgericht als unbeachtliche Schutzbehauptung.

Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 29.08.2011, – 7 Sa 248/11 –

Quelle: Hessisches LAG PM Nr. 14 vom 06.12.2011

Arbeitnehmer haben bei lang andauernder Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Weiternutzung des Dienstwagens

Räumt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das Recht ein, den überlassenen Dienstwagen privat zu nutzen, stellt dies einen geldwerten Vorteil und Sachbezug dar. Der Arbeitnehmer kann nach § 275 Abs. 1 i.V.m. §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 283 Satz 1 BGB Nutzungsausfallentschädigung in Höhe der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit verlangen, wenn ihm der Arbeitgeber das Fahrzeug vertragswidrig entzieht.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Bauleiter beschäftigt. Die Beklagte stellt ihm arbeitsvertraglich für seine Tätigkeit einen Pkw „auch zur privaten Nutzung“ zur Verfügung. In der Zeit vom 03.03.2008 bis einschließlich 14.12.2008 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Sein Entgeltfortzahlungsanspruch endete zum 13.04.2008. Auf Verlangen der Beklagten gab er den Pkw am 13.11.2008 zurück. Die Beklagte überließ dem Kläger erst nach Wiederaufnahme der Arbeit am 18.12.2008 wieder einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung. Der Kläger verlangt Nutzungsausfallentschädigung für die Zeit vom 13.11. bis 15.12.2008. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers war vor dem Neunten Senat ohne Erfolg. Die Gebrauchsüberlassung eines Pkw zur privaten Nutzung ist zusätzliche Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung. Sie ist steuer- und abgabenpflichtiger Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts und damit Teil der Arbeitsvergütung. Damit ist sie regelmäßig nur so lange geschuldet, wie der Arbeitgeber überhaupt Arbeitsentgelt schuldet. Das ist für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, für die keine Entgeltfortzahlungspflicht mehr nach § 3 Abs. 1 EFZG besteht, nicht der Fall.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.12.2010, – 9 AZR 631/09 –

Quelle: BAG PM Nr. 91/10 vom 14.12.2010

Unzulässige Überwachung des Arbeitsplatzes: Arbeitnehmer kann Entschädigung verlangen

Das Hessische Landesarbeitsgericht hat einen Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung von 7.000,00 € verurteilt, weil er eine Mitarbeiterin mindestens seit Juni 2008 an ihrem Arbeitsplatz permanent mit einer Videokamera überwachte. Die 24 – jährige kaufmännische Angestellte arbeitete in einer hessischen Niederlassung eines bundesweit aktiven Unternehmens. Gegenüber der Eingangstür des Büros hatte der Arbeitgeber eine Videokamera angebracht, die nicht nur auf den Eingangsbereich, sondern im Vordergrund auch auf den Arbeitsplatz der Klägerin gerichtet war. Mit der im Oktober 2008 eingegangenen Klage machte die Mitarbeiterin Schadensersatzansprüchen wegen Persönlichkeitsverletzung geltend. Das Arbeitsgericht verurteilte den Arbeitgeber zur Zahlung einer Entschädigung von 15.000,00 €.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hatte nur zum Teil Erfolg. Weder das Arbeitsgericht noch das Landesarbeitsgericht ließen die Einwendungen des Arbeitgebers gelten. Der Arbeitgeber hatte sich im Prozess damit verteidigt, dass die Kamera nicht ständig in Funktion gewesen und nur zur Sicherheit der Mitarbeiter angebracht worden sei, weil es in der Vergangenheit schon zu Übergriffen auf Mitarbeiter gekommen sei. Dennoch, so argumentierte das Hessische Landesarbeitsgericht, sei der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterin unverhältnismäßig. Eine Ausrichtung der Kamera nur auf den Eingangsbereich des Büros wäre möglich gewesen. Es sei auch unerheblich, dass die Kamera nicht ständig in Funktion war. Allein die Unsicherheit darüber, ob die Kamera tatsächlich aufzeichne oder nicht, habe die Mitarbeiterin einem ständigen Anpassungund Überwachungsdruck ausgesetzt, den sie nicht hinnehmen musste, nachdem sie sich bereits früh gegen die Installation der Videokamera gewandt hatte. Es handele es um eine schwerwiegende und hartnäckige Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts, die nach Abwägung aller Umstände die Verurteilung zu einer Entschädigung von 7.000,00 € rechtfertige. Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Falle einer solchen schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruhe auf dem Gedanken, dass ohne einen Entschädigungsanspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei der Entschädigung stehe regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund.

Hessisches LAG, Urteil vom 25.10.2010, – 7 Sa 1586/09 –

Quelle: LAG Hessen PM Nr. 02/11 vom 26.01.2011





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