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Anspruch auf Weihnachtsgeld trotz Kündigung – Stichtagsregelung

Eine Sonderzahlung mit Mischcharakter, die jedenfalls auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember des Jahres abhängig gemacht werden, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde.

Die Parteien haben über einen Anspruch auf eine als „Weihnachtsgratifikation“ bezeichnete Sonderzahlung für das Jahr 2010 gestritten. Der Kläger war seit  2006 bei der Beklagten, einem Verlag, als Controller beschäftigt. Er erhielt jährlich mit dem Novembergehalt eine als Gratifikation, ab dem Jahr 2007 als Weihnachtsgratifikation bezeichnete Sonderzahlung in Höhe des jeweiligen Novemberentgelts. Die Beklagte übersandte jeweils im Herbst eines Jahres ein Schreiben an alle Arbeitnehmer, in dem „Richtlinien“ der Auszahlung aufgeführt waren. In dem Schreiben für das Jahr 2010 hieß es ua., die Zahlung erfolge „an Verlagsangehörige, die sich am 31.12.2010 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis“ befänden; Verlagsangehörige sollten für jeden Kalendermonat mit einer bezahlten Arbeitsleistung 1/12 des Bruttomonatsgehalts erhalten. Im Lauf des Jahres eintretende Arbeitnehmer erhielten die Sonderzahlung nach den Richtlinien anteilig. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete aufgrund seiner Kündigung am 30. September 2010. Mit der Klage hat er anteilige (9/12) Zahlung der Sonderleistung begehrt. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Auf die Revision des Klägers hat der Zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts die Beklagte entsprechend dem Klageantrag zur Zahlung verurteilt. Die Sonderzahlung soll nach den Richtlinien einerseits den Arbeitnehmer über das Jahresende hinaus an das Unternehmen binden und damit die Betriebstreue belohnen, dient aber zugleich der Vergütung der im Laufe des Jahres geleisteten Arbeit. In derartigen Fällen sind Stichtagsregelungen wie die in den Richtlinien vereinbarte nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Klausel benachteiligt den Kläger unangemessen. Sie steht im Widerspruch zum Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB, weil sie dem Arbeitnehmer bereits erarbeiteten Lohn entzieht. Der Vergütungsanspruch wurde nach den Richtlinien monatlich anteilig erworben. Anhaltspunkte dafür, dass die Sonderzahlung Gegenleistung vornehmlich für Zeiten nach dem Ausscheiden des Klägers oder für besondere – vom Kläger nicht erbrachte – Arbeitsleistungen sein sollte, sind nicht ersichtlich.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.11.2013, – 10 AZR 848/12 –
Quelle: Pressemitteilung des BAG Nr. 69/13 vom 13.11.2013

Rückzahlung von Weihnachtsgeld

s. a. Gratifikation, Dreizehntes Monatsgehalt

Um zu klären, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitnehmer das Weihnachtsgeld zurückzuzahlen hat, wenn das Arbeitsverhältnis gekündigt wird, muss vorab klargestellt sein, ob es sich bei der fraglichen Leistung des Arbeitgebers um eine Gratifikation oder um ein 13. Monatsgehalt handelt.

Die Gratifikation ist eine Sonderleistung des Arbeitgebers. Sie kann im Arbeits- oder Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder einer Gesamtzusage enthalten sein. Hat sich der Arbeitgeber bei jeder Zahlung die Freiwilligkeit vorbehalten, kann er zu jedem Zahlungstermin erneut entscheiden, ob er eine Gratifikation gewähren will oder nicht. Es besteht dann kein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers. Hat es der Arbeitgeber jedoch versäumt, sich die Freiwilligkeit vorzubehalten, entsteht nach dreimaliger vorbehaltloser Leistung eine sog. betriebliche Übung, die einen Rechtsanspruch des Ar-beitnehmers für die Zukunft zur Folge hat. Grundsätzlich können die Arbeitsvertragsparteien für den Fall der arbeitnehmerseitigen Kündigung eine Rückzahlungsverpflichtung vereinbaren. Um aber seine übermäßig lange Bindung zu verhindern, hat die Rechtsprechung zeitliche Grenzen entwickelt, in denen solche Rückzahlungsklauseln zulässig sind. Eine Gratifikation bis zu einem Betrag i.H.v. 100,00 € darf überhaupt nicht zurückgefordert werden. Eine solche Rückzahlungsklausel wäre unwirksam. Wurde dem Arbeitnehmer eine Gratifikation zwischen 100,00 € und einer Monatsvergütung gewährt, kann die Rückzahlung bis zum Ablauf des 31.03. des Folgejahres vorgesehen werden. Beträgt die Gratifikation zwischen einem und zwei Monatsgehältern, darf die Verpflichtung zur Rückzahlung höchstens bis zum 30.06. des Folgejahres vorgesehen werden. Übersteigt sie zwei Monatsgehälter, ist eine gestaffelte Rückzahlung möglich. So kann z.B. vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer bei einem Ausscheiden bis zum 31.03. eineinhalb Monatsbezüge, bei einem Ausscheiden bis zum 30.06. einen Monatsbezug und bei einem Ausscheiden bis zum 30.09. einen halben Monatsbezug zurück-zahlen muss. Eine längere Bindung kann auch bei hohen Gratifikationen nicht wirksam vereinbart werden (s. zu dem Thema auch den Aufsatz von Rechtsanwalt Potratz „Gratifikation – Begriff, Anspruch und Rückzahlungsvoraussetzungen“ unter www.foerderland.de[1]).

Im Unterschied zur Gratifikationen muss das sog. dreizehnte Monatsgehalt überhaupt nicht zurückgezahlt werden. Es wird zwar auch als „Weihnachtsgeld“ gezahlt. Da es sich beim dreizehnten Monatsgehalt aber um echtes Entgelt für bereits erbrachte Arbeitsleistung handelt, ist insoweit eine Rückzahlungsverpflichtung nicht zulässig. Die Besonderheit besteht nämlich darin, dass das dreizehnte Monatsgehalt anteilig jeden Monat mit der Beschäftigung verdient wird, so dass grundsätzlich ein dahingehender Anspruch entsteht, auch bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeits-verhältnis.





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