🠕 🠕

Im Mediapark 8 (Kölnturm)
50670 Köln
✆ 0221 - 99 22 566
✉ kanzlei@ra-potratz.de

Löschung von Daten kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen

Der Kläger war seit 01.01.2009 bei der Beklagten, einem Unternehmen der EDV-Branche in Frankfurt, als Account-Manager beschäftigt. Nach den Ermittlungen eines Sachverständigen hat der Kläger am 29. 06.2009 gegen 23:00 Uhr und am 30.06.2009 zwischen 11:02 Uhr und 14:50 Uhr von seinem Benutzer- Account im Betrieb ca. 80 eigene Dateien gelöscht und weitere 374 Objekte, nämlich 144 Kontakte, 51 Emails, 167 Aufgaben und 12 Termine. Hintergrund waren laufende Verhandlungen der Parteien um die Abänderung bzw. Aufhebung seines Arbeitsvertrages. Am 01.07.2009 entdeckte die Arbeitgeberin die Löschungen und kündigte dem Kläger fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.08.2009.
Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung nur als ordentliche Kündigung für gerechtfertigt.
Das Hessische Landesarbeitsgericht war dagegen der Ansicht, das Fehlverhalten des Klägers rechtfertige die fristlose Kündigung.

 

Die umfangreiche Datenlöschung am 29. und 30.06.2009 habe das Vertrauen in die Integrität des Klägers vollständig zerstört. Die Daten stünden in der Verfügungsmacht des Arbeitgebers. Eine eigenmächtige Löschung durch einen Arbeitnehmer mit den sich daraus ergebenden internen Problemen und gegenüber Kunden sei ein so erheblicher Verstoß gegen selbstverständliche Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag, dass die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sei.

 

Auch eine Abmahnung, die in der Regel einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen vorangehen muss, sei hier nicht notwendig gewesen. Der Kläger habe genau gewusst, dass die Löschung der Daten von der Arbeitgeberin auf keinen Fall hingenommen werden würde.

 

Das Hessische Landesarbeitsgericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.

 

 

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 05.08.2013, – 7 Sa 1060/10 –
Quelle: Hessisches LAG PM Nr. 1/14 vom 07.03.2014

Übergriffe auf Schutzbefohlene durch Mitarbeiter rechtfertigen nicht ohne weiteres die Kündigung des Vorgesetzten

Die Klägerin war seit dem 01.04.1993 zunächst als Psychologin und ab 2005 als Bereichsleiterin für fünf Wohngruppen mit vierzig Mitarbeitern für die Beklagte, einer gemeinnützigen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung, tätig. Die Betreuung in einer Wohngruppe orientierte sich an einem sog. „Intra-act-plus-Konzept“, welches als Reaktion auf fremdaggressives Verhalten differenzierte Belohnungs- und Bestrafungstypen vorsieht. Im Rahmen dieses Konzepts kam es im April und Mai 2008 zu massiven Übergriffen und Misshandlungen anvertrauter Schutzbefohlener durch Mitarbeiter der Beklagten. Hieran war die Klägerin nicht beteiligt. Die Beklagte hat der Klägerin aber vorgeworfen, ihren Kontrollpflichten als zuständiger Bereichsleiterin nicht nachgekommen zu sein, um die „erzieherischen“ Grenzüberschreitungen zu unterbinden. Sie habe nach dem Vortrag der Beklagten zudem jedenfalls zunächst Kenntnis von den Vorfällen gehabt, ohne die Geschäftsleitung zu informieren. Spätestens am 26.05.2008 informierte die Klägerin die damalige Geschäftsführung. Die mittlerweile neue Geschäftsführung der Beklagten hat die Vorfälle im August 2009 untersucht und als Ergebnis die Klägerin mit Schreiben vom 30.09.2009 fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 31.03.2010 gekündigt.

Wie schon erstinstanzlich das Arbeitsgericht Düsseldorf hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf im Berufungsverfahren der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung stattgegeben. Der Klägerin konnte nicht nachgewiesen werden, dass sie vor Unterrichtung der damaligen Geschäftsleitung positive Kenntnis von den Vorfällen hatte. Ob sie gegen ihre Kontrollpflichten verstieß, ließ das Landesarbeitsgericht offen. Es hätte insoweit vor Ausspruch einer Kündigung einer Abmahnung bedurft. Der parallel gestellte Weiterbeschäftigungsantrag wurde jedoch zurückgewiesen. Die Weiterbeschäftigung der Klägerin ist derzeit aufgrund einer inzwischen ergangenen öffentlich-rechtlichen Auflage des Landschaftsverbands Rheinland an die Beklagte, die Klägerin bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen nicht zu beschäftigen, rechtlich nicht möglich. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.02.2011, – 16 Sa 1016/10 –

Quelle: LAG Düsseldorf PM Nr. 13/11 vom 15.02.2011

Erhebliches Überziehen der Pausenzeiten kann fristlose Kündigung rechtfertigen

Nach einer Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts darf ein Flugsicherungsunternehmen einen Fluglotsen fristlos kündigen, der seine Pausen nachts mehrfach um 20 Minuten bis eine Stunde überzieht und dadurch sein Arbeitsplatz im Tower unbesetzt bleibt.

Der 35-jährige Kläger des Rechtsstreits ist Fluglotse und war seit April 2001 beschäftigt. Ab 1. April 2004 war er im Tower eines süddeutschen Flughafens eingesetzt. In der Nachtschicht ist dort nach den einschlägigen Vorschriften zur Flugsicherung eine Besetzung von zwei Fluglotsen vorgeschrieben. Die Pausen von je zwei Stunden sind abzusprechen. Jeder Fluglotse muss auch in der Pause erreichbar bleiben. Nach Videoaufzeichnungen konnte im Nachhinein rekonstruiert werden, dass der Kläger entgegen seinen Eintragungen im Arbeitsplatznachweis an vier Nächten im August 2009 und in einer Nacht im September 2009 die Towerkanzel länger als zwei Stunden verlassen hatte und die Pausen einmal um 20 Minuten, einmal um 45 Minuten und zweimal um etwa eine Stunde überzogen hatte.

Im September 2009 erklärte die Arbeitgeberin dem Kläger deshalb die fristlose Kündigung. Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung für unwirksam. Die dagegen gerichtete Berufung der Arbeitgeberin hatte Erfolg. Das Hessische Landesarbeitsgericht hielt die Kündigung für wirksam. Insbesondere habe es einer vorherigen Abmahnung des Klägers nicht bedurft.

Die Berufungskammer kam zu der Überzeugung, dass der Kläger allein „um seiner Bequemlichkeit zu frönen“, seinen Arbeitsplatz übermäßig lange verlassen und damit die Sicherheit des Luftverkehrs akut gefährdet hat. Dem Kläger sei aus einschlägigen Vorschriften und entsprechenden briefings bekannt gewesen, welche Risiken entstehen können, wenn nicht genügend Fluglotsen am Platz sind. Der Kläger habe gewusst, dass es gerade deshalb sechs Wochen zuvor nachts zu einer gefährlichen Annäherung zweier Flugzeuge auf dem Flughafen Frankfurt am Main gekommen war. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger seinen Arbeitsplatznachweis falsch ausgefüllt habe und so den Eindruck erwecken wollte, er habe die Pausen vorschriftsmäßig genommen.

Damit hatte – so das Hessische Landesarbeitsgericht – die Arbeitgeberin das Recht, den Kläger fristlos zu kündigen. Für die Beschäftigung eines Fluglotsen sei das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit unabdingbar. Die Arbeitgeberin habe darauf vertrauen dürfen, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz entsprechend den Vorschriften ausfüllt und dies zutreffend dokumentiert. Dies gelte insbesondere für die Nachtstunden, in denen eine Kontrolle faktisch entfällt. Die Pflichtverletzung sei so krass, dass – anders als im Regelfall – hier eine vorherige Abmahnung überflüssig gewesen sei, um den Kläger zu vertragstreuem Verhalten anzuleiten. Dem Kläger sei klar gewesen, dass seine Arbeitgeberin diese Vertragsverstöße keinesfalls hinnehmen würde.

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 24.11.2010, – 8 Sa 492/10 –

Quelle: Hessisches LAG PM Nr. 5 vom 25.07.2011





★★★★★
Sehr gut 5.00 / 5.00
95 Bewertungen.

⭐⭐⭐⭐⭐ 5.0/5.0