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Kirchliche Einrichtungen dürfen Bewerber nicht ohne weiteres wegen fehlender Religionszugehörigkeit ablehnen

Ein in Trägerschaft der katholischen Kirche stehendes Krankenhaus wies im September 2011 die Bewerbung eines objektiv geeigneten Bewerbers für eine Stelle als Intensivpfleger zurück, weil dieser nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft ist. Der Bewerber fühlte sich diskriminiert und klagte vor dem Arbeitsgericht Aachen auf eine Entschädigungszahlung in Höhe von 3 Bruttomonatsgehältern, die er bei dem Krankenhaus verdient hätte. Das angerufene Arbeitsgericht Aachen (2 Ca 4226/11) sprach dem Kläger die geltend gemachte Entschädigung zu, wenn auch nicht in voller Höhe.


Das Gericht stellte fest:

Weist ein Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft die Bewerbung eines Krankenpflegers allein mit der Begründung zurück, er sei nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft, stellt dies eine Diskriminierung im Sinne des AGG dar und löst eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG aus. Die Religionsgemeinschaft kann sich insoweit nicht auf ihren verfassungsrechtlichen Sonderstatus berufen, wenn sie allein auf die formelle Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft abstellt. Nach ihren eigenen Vorgaben in § 3 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes darf sie nur bei der Besetzung von Stellen im pastoralen, katechetischen sowie in der Regel im erzieherischen Bereich und bei leitenden Aufgaben die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche verlangen. Bei allen übrigen Stellen reicht es aus, dass der Bewerber sicher stellt, den besonderen Auftrag glaubwürdig zu erfüllen. Nach dem Wortlaut der Grundordnung ergibt sich dies aus der fachlichen Tüchtigkeit, der gewissenhaften Erfüllung der übertragen Aufgaben und der Zustimmung des Bewerbers zu den Zielen der Einrichtung.

Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine Entschädigung wegen Diskriminierung im Einstellungsverfahren bis zu drei Bruttomonatsgehälter betragen. Die Kammer sah sich im vorliegenden Fall veranlasst, die Entschädigung auf etwa ein Bruttogehalt zu reduzieren, da die Schwere des Verstoßes wegen der schwierigen und weitgehend ungeklärten Rechtslage als gering einzustufen war.

Arbeitsgericht Aachen, Urteil vom 13.12.2012, – 2 Ca 4226/11 –

Quelle: Arbeitsgericht Aachen PM 3/12 vom 14.12.2012

 

Übergriffe auf Schutzbefohlene durch Mitarbeiter rechtfertigen nicht ohne weiteres die Kündigung des Vorgesetzten

Die Klägerin war seit dem 01.04.1993 zunächst als Psychologin und ab 2005 als Bereichsleiterin für fünf Wohngruppen mit vierzig Mitarbeitern für die Beklagte, einer gemeinnützigen Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung, tätig. Die Betreuung in einer Wohngruppe orientierte sich an einem sog. „Intra-act-plus-Konzept“, welches als Reaktion auf fremdaggressives Verhalten differenzierte Belohnungs- und Bestrafungstypen vorsieht. Im Rahmen dieses Konzepts kam es im April und Mai 2008 zu massiven Übergriffen und Misshandlungen anvertrauter Schutzbefohlener durch Mitarbeiter der Beklagten. Hieran war die Klägerin nicht beteiligt. Die Beklagte hat der Klägerin aber vorgeworfen, ihren Kontrollpflichten als zuständiger Bereichsleiterin nicht nachgekommen zu sein, um die „erzieherischen“ Grenzüberschreitungen zu unterbinden. Sie habe nach dem Vortrag der Beklagten zudem jedenfalls zunächst Kenntnis von den Vorfällen gehabt, ohne die Geschäftsleitung zu informieren. Spätestens am 26.05.2008 informierte die Klägerin die damalige Geschäftsführung. Die mittlerweile neue Geschäftsführung der Beklagten hat die Vorfälle im August 2009 untersucht und als Ergebnis die Klägerin mit Schreiben vom 30.09.2009 fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist zum 31.03.2010 gekündigt.

Wie schon erstinstanzlich das Arbeitsgericht Düsseldorf hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf im Berufungsverfahren der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung stattgegeben. Der Klägerin konnte nicht nachgewiesen werden, dass sie vor Unterrichtung der damaligen Geschäftsleitung positive Kenntnis von den Vorfällen hatte. Ob sie gegen ihre Kontrollpflichten verstieß, ließ das Landesarbeitsgericht offen. Es hätte insoweit vor Ausspruch einer Kündigung einer Abmahnung bedurft. Der parallel gestellte Weiterbeschäftigungsantrag wurde jedoch zurückgewiesen. Die Weiterbeschäftigung der Klägerin ist derzeit aufgrund einer inzwischen ergangenen öffentlich-rechtlichen Auflage des Landschaftsverbands Rheinland an die Beklagte, die Klägerin bis zum Abschluss der strafrechtlichen Ermittlungen nicht zu beschäftigen, rechtlich nicht möglich. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.02.2011, – 16 Sa 1016/10 –

Quelle: LAG Düsseldorf PM Nr. 13/11 vom 15.02.2011

Arbeitgeber dürfen auch ohne besonderen Anlass bereits ab dem ersten Krankheitstag ein ärztliches Attest fordern

Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, muss er gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) spätestens nach drei Kalendertagen eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber vorlegen. Der Arbeitgeber ist jedoch berechtigt, die Vorlage schon früher zu verlangen (§ 5 Abs. 1 S. 3 EFZG). Es ist bislang unter Juristen umstritten, ob der Arbeitgeber dafür einen besonderen Anlass braucht.

Das hat das Landesarbeitsgericht Köln in einem jetzt veröffentlichten Urteil verneint. Das Verlangen des Arbeitgebers, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon ab dem ersten Tag der Krankheit vorzulegen, bedarf danach weder einer Begründung noch ist die Aufforderung des Arbeitgebers vom Gericht auf „billiges Ermessen“ zu überprüfen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

In dem vom LAG Köln entschiedenen Fall hatte sich eine Arbeitnehmerin für den Tag krank gemeldet, für den sie vorher vergeblich eine Dienstreise beantragt hatte. Der Arbeitgeber hatte sie daraufhin aufgefordert, künftig am ersten Tag der Krankmeldung ein ärztliches Attest einzuholen und vorzulegen. Die Arbeitnehmerin sah das als sachlich ungerechtfertigt an.

LAG Köln, Urteil vom 14.09.2011, – 3 Sa 597/11 –

Quelle: LAG Köln PM Nr. 8 vom 14.12.2011





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