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Exzessive private Internetnutzung: Auch bei langer Betriebszugehörigkeit ist vor Ausspruch der Kündigung keine Abmahnung erforderlich

Eine exzessive Internet-Nutzung während der Arbeitszeit kann grds. auch ohne vorherige Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen. Das gilt selbst bei langjähriger Betriebszugehörigkeit. Dass während der Arbeitszeit nicht stundenlang das Internet privat genutzt werden darf, muss jeder Arbeitnehmer auch ohne entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers wissen.

Der Kläger war seit 21 Jahren bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Als sich die Datenverarbeitungsprozesse im Unternehmen massiv verlangsamten, schaute sich der Beklagte die heruntergeladenen Datenmengen an. Dabei stellte er fest, dass sich auf dem PC des Klägers mehr als 17.000 private Dateien befanden. Erkennbar waren u.a. der Besuch von Social-Media-Plattformen wie facebook und Xing sowie ein umfangreicher Download von Filmen und Musik über „Share-Plattformen“. Die entsprechenden Dateien waren zwar gelöscht; die Löschung machte der Beklagte aber rückgängig und kündigte dem Kläger mit ordentlicher Kündigungsfrist. Mit der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage bestritt der Kläger, die Dateien auf seinen PC geladen zu haben. Seine Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG keinen Erfolg.

Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wirksam ordentlich gekündigt. Nach der Beweisaufnahme stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger die Daten heruntergeladen hatte. Dadurch dass er ohne Erlaubnis des Beklagten seinen PC während der Arbeitszeit exzessiv für private Angelegenheiten nutzte, verletzte er seine Arbeitspflicht so gravierend, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis auch ohne vorherige Abmahnung kündigen konnte.

Arbeitnehmer dürfen ihren dienstlichen PC am Arbeitsplatz grds. nur bei ausdrücklicher Erlaubnis oder nachweisbarer stillschweigender Duldung des Arbeitgebers für private Zwecke nutzen. Von einer Duldung des Verhaltens durch den Beklagten durfte der Kläger aber bei einer derart ausschweifenden Nutzung während der Arbeitszeit nicht ausgehen. Außerdem hat er durch das Aufsuchen von „Share-Plattformen“ zum Download von Musik auch konkret die Gefahr geschaffen, dass das betriebliche Datenverarbeitungssystem mit Viren infiziert wird.

Angesichts des Umfangs der privaten Internetnutzung war eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung trotz der langen Betriebszugehörigkeit nicht erforderlich. Dass Derartiges während der Arbeitszeit nicht erlaubt ist, muss ein Arbeitnehmer wissen.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.06.2014

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.05.2014, 1 – Sa 421/13 –

Quelle: LAG Schleswig-Holstein PM vom 17.06.2014

Diebstahl geringwertiger Sachen kann auch bei langer Betriebszugehörigkeit fristlose Kündigung rechtfertigen

Entwendet der Filialleiter eines Einzelhandelsunternehmens Ware oder besteht der dringende Verdacht einer solchen Tat, so rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung. Das gilt selbst dann, wenn die Ware nur einen vergleichsweise geringen Wert hat und der Arbeitnehmer seit vielen Jahren in dem Betrieb beschäftigt ist. Im Rahmen der Interessenabwägung kann zum Nachteil des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein, dass er die Tat zunächst geleugnet hat.

Der Filialleiter war seit knapp 21 Jahren bei dem Einzelhandelsunternehmen tätig. Er nahm an einem Tag einen Beutel Streusand aus der Filiale mit, ohne ihn zu bezahlen; zwei Tage später wurde der Kläger beim Verlassen der Filiale mit unbezahlten Waren im Wert von 12,02 € angetroffen. Das Einzelhandelsunternehmen kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin fristlos, ohne zuvor eine Abmahnung auszusprechen.

Die Kündigungsschutzklage des Filialleiters blieb auch vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Es bestehe der dringende Verdacht, dass sich der Filialleiter in zwei Fällen widerrechtlich Sachen im Eigentum der Arbeitgeberin habe aneignen wollen. Mit diesem Verhalten habe der Filialleiter das während seiner langjährigen Tätigkeit aufgebaute Vertrauen in seine Rechtschaffenheit endgültig zerstört. Es könne der Arbeitgeberin deshalb nicht zugemutet werden, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen, zumal der Filialleiter einen für den Verdacht wesentlichen Umstand zunächst in Abrede gestellt habe. Dass es sich um Sachen von geringem Wert gehandelt habe, sei ohne Bedeutung.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.

 

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.02.2012, – 6 Sa 1845/11 –

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg PM Nr. 10 vom 07.03.2012

 

Anm. d. Verfassers: Der Fall erinnert an die berühmte „Emmely“-Entscheidung, die Sie weiter unten in unseren Nachrichten finden. Ein wesentlicher Unterschied zu „Emmely“ dürfte aber darin liegen, dass es sich bei der Filialleitung um eine herausgehobene Vertrauensposition handelt. Auch belief sich der Schaden des Arbeitgebers nicht lediglich auf Cent-Beträge.





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