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Zur Kündigung durch den Insolvenzverwalter während der Elternzeit

Wird über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet, besteht das Arbeitsverhältnis zunächst fort. Der Insolvenzverwalter kann das Arbeitsverhältnis allerdings unter Beachtung der kündigungsschutzrechtlichen Bestimmungen kündigen. § 113 Satz 2 InsO sieht dafür eine Kündigungsfrist von höchstens drei Monaten vor, die allen längeren vertraglichen, tariflichen oder gesetzlichen Kündigungsfristen vorgeht. Als Ausgleich für die insolvenzbedingte vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährt § 113 Satz 3 InsO einen verschuldensunabhängigen Schadenersatzanspruch. § 113 InsO ist eine in sich geschlossene Regelung, die dem Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf gewährt, dass der Insolvenzverwalter von der Höchstfrist des § 113 Satz 2 InsO keinen oder nur eingeschränkten Gebrauch macht, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sozialversicherungsrechtliche Nachteile nach sich zieht. Das Gesetz sieht insoweit allein den Schadenersatzanspruch nach § 113 Satz 3 InsO vor.

Die Klägerin war im Versandhandel als Einkäuferin beschäftigt. Über das Vermögen ihrer Arbeitgeberin wurde am 1. September 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte gemäß § 113 Satz 2 InsO das Arbeitsverhältnis wegen Betriebsstilllegung zum 31.05.2010. Hätte er die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist eingehalten, wäre das Arbeitsverhältnis erst zum 30.06.2010 beendet worden. Die Klägerin befand sich im Zeitpunkt der Kündigung in Elternzeit. Durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses verlor sie die Möglichkeit, sich weiter beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern (§ 192 SGB V). Dies war dem Insolvenzverwalter bekannt. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis erst zum 30. 06.2010 beendet worden ist. Sie hat die Auffassung vertreten, der Insolvenzverwalter habe ermessensfehlerhaft von der Möglichkeit, die Kündigungsfrist nach § 113 Satz 2 InsO abzukürzen, Gebrauch gemacht. Sie habe unter Berücksichtigung der Wertentscheidung des Art. 6 GG Anspruch auf Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Der Insolvenzverwalter muss den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht an den sich aus § 192 SGB V ergebenden sozialversicherungsrechtlichen Folgen ausrichten. Dass § 113 InsO für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur einen Schadenersatzanspruch vorsieht, steht im Einklang mit Art. 6 GG.

Bundesarbeitsgericht Urteil vom 27.02.2014 – 6 AZR 301/12 –
Quelle: BAG PM Nr. 9/14 vom 27.02.2014

Insolvenzverwalter können noch nicht unverfallbare Anwartschaft auf Direktversicherung widerrufen

Hat der Arbeitgeber zum Zwecke der betrieblichen Altersversorgung eine Direktversicherung abgeschlossen und dem Arbeitnehmer ein bis zum Ablauf der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist widerrufliches Bezugsrecht eingeräumt, steht dem Arbeitnehmer in der Insolvenz des Arbeitgebers kein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO an der Versicherung zu, wenn der Insolvenzverwalter das Bezugsrecht wirksam widerrufen hat. Die Zulässigkeit des Widerrufs richtet sich allein nach der versicherungsrechtlichen Rechtslage im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Versicherung, nicht nach den arbeitsrechtlichen Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Verstößt der Insolvenzverwalter mit dem Widerruf des Bezugsrechts gegen seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, so kann dies grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers begründen. Dieser ist jedoch weder auf Erstattung der Beiträge zur Direktversicherung noch auf Zahlung des Rückkaufswerts gerichtet, sondern auf Ausgleich des Versorgungsschadens.

 

Der Kläger war vom 01.12.1998 bis zum 31.12.2005 bei der späteren Insolvenzschuldnerin beschäftigt. Diese sagte dem Kläger am 30.08.1999 Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu. Dazu schloss die Schuldnerin eine Direktversicherung ab und räumte dem Kläger ein bis zum Ablauf der gesetzlichen Unverfallbarkeitsfrist widerrufliches Bezugsrecht ein. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin widerrief der beklagte Insolvenzverwalter gegenüber der Versicherungsgesellschaft das Bezugsrecht. Der Kläger hat den Widerruf des Bezugsrechts für unwirksam gehalten und den Insolvenzverwalter auf Übertragung der Versicherung in Anspruch genommen. Hilfsweise hat er im Wege des Schadensersatzes die Erstattung der an die Versicherung gezahlten Beiträge, zumindest aber Zahlung des Rückkaufswerts der Versicherung verlangt.

 

Die Klage hatte vor dem Dritten Senat des Bundesarbeitsgerichts, wie schon in den Vorinstanzen, keinen Erfolg. Der Widerruf des Bezugsrechts durch den Insolvenzverwalter ist wirksam, da die Unverfallbarkeitsfrist nach § 1 b iVm. § 30 f Abs. 1 BetrAVG im Zeitpunkt des Widerrufs nicht abgelaufen war. Der Insolvenzverwalter ist auch nicht verpflichtet, dem Kläger im Wege des Schadensersatzes die Beiträge für die Direktversicherung oder den Rückkaufswert der Versicherung zu erstatten. Den Ersatz eines Versorgungsschadens hat der Kläger nicht verlangt. Deshalb war auch nicht zu entscheiden, ob der Insolvenzverwalter im Verhältnis zum Kläger berechtigt war, das Bezugsrecht zu widerrufen, noch kommt es darauf an, ob ein Schadensersatzanspruch wegen eines zu Unrecht erklärten Widerrufs des Bezugsrechts eine Insolvenzforderung oder eine Masseforderung ist.

 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.09.2012, – 3 AZR 176/10 – 

Quelle: Bundesarbeitsgericht PM Nr. 65/12 vom 18.09.2012





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