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Bewerber müssen auf ihre Schwerbehinderung hinweisen

Ein schwerbehinderter Mensch, der bei seiner Bewerbung um eine Stelle den besonderen Schutz und die Förderung nach dem SGB IX in Anspruch nehmen will, muss die Eigenschaft, schwerbehindert zu sein, grundsätzlich im Bewerbungsschreiben mitteilen. Eine solche Mitteilung muss bei jeder Bewerbung erfolgen. Auf Erklärungen bei früheren Bewerbungen kommt es nicht an.

Der Kläger ist schwerbehinderter Mensch mit einem GdB 50. Im Juni 2010 bewarb er sich erstmalig bei der Beklagten. Dieses Bewerbungsverfahren, zu dem auch die Schwerbehindertenvertretung hinzugezogen worden war, blieb erfolglos. Ende Juli 2010 bewarb er sich für eine andere, neu ausgeschriebene Stelle bei der Beklagten. Die Bewerbung wurde bei der Beklagten von einer anderen personalführenden Stelle als die erste Bewerbung bearbeitet. Weder im Bewerbungsanschreiben noch im Lebenslauf wies der Kläger auf seine Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch hin. Allerdings hatte er einem Konvolut von Anlagen (Umfang 29 Blatt) als Blatt 24 eine Fotokopie seines Schwerbehindertenausweises beigefügt. Auch diese Bewerbung scheiterte, ohne dass der Kläger von der Beklagten, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war. Der Kläger verlangt eine Entschädigung, weil er sich wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt sieht. Als Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hätte ihn die Beklagte aufgrund seiner Schwerbehinderung in jedem Fall zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen.

Anders als in den Vorinstanzen hatte die Klage vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Auf die Schwerbehinderteneigenschaft ist gegebenenfalls im Bewerbungsanschreiben oder unter deutlicher Hervorhebung im Lebenslauf hinzuweisen. Unauffällige Informationen oder eine in den weiteren Bewerbungsunterlagen befindliche Kopie des Schwerbehindertenausweises sind keine ausreichende Information des angestrebten Arbeitgebers (Senat 26. September 2013 – 8 AZR 650/12 – Rn. 30). Die Mitteilung hat bei jeder einzelnen Bewerbung erneut zu erfolgen. Entscheidend ist die Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne des SGB IX im Zeitpunkt der Bewerbung, nicht zu einem früheren Zeitpunkt. Auch ist das Datenschutzrecht zu berücksichtigen. Es liegt in der Entscheidung des schwerbehinderten Menschen, ob er die Schwerbehinderung bei der Bewerbung nach SGB IX berücksichtigt haben will oder nicht.

  

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.09.2014, – 8 AZR 759/13 –

Quelle: BAG Pressemitteilung Nr . 45/14 vom 18.09.2014

Kirchliche Einrichtungen dürfen Bewerber nicht ohne weiteres wegen fehlender Religionszugehörigkeit ablehnen

Ein in Trägerschaft der katholischen Kirche stehendes Krankenhaus wies im September 2011 die Bewerbung eines objektiv geeigneten Bewerbers für eine Stelle als Intensivpfleger zurück, weil dieser nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft ist. Der Bewerber fühlte sich diskriminiert und klagte vor dem Arbeitsgericht Aachen auf eine Entschädigungszahlung in Höhe von 3 Bruttomonatsgehältern, die er bei dem Krankenhaus verdient hätte. Das angerufene Arbeitsgericht Aachen (2 Ca 4226/11) sprach dem Kläger die geltend gemachte Entschädigung zu, wenn auch nicht in voller Höhe.


Das Gericht stellte fest:

Weist ein Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft die Bewerbung eines Krankenpflegers allein mit der Begründung zurück, er sei nicht Mitglied einer Religionsgemeinschaft, stellt dies eine Diskriminierung im Sinne des AGG dar und löst eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG aus. Die Religionsgemeinschaft kann sich insoweit nicht auf ihren verfassungsrechtlichen Sonderstatus berufen, wenn sie allein auf die formelle Mitgliedschaft in einer Religionsgemeinschaft abstellt. Nach ihren eigenen Vorgaben in § 3 der Grundordnung des kirchlichen Dienstes darf sie nur bei der Besetzung von Stellen im pastoralen, katechetischen sowie in der Regel im erzieherischen Bereich und bei leitenden Aufgaben die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche verlangen. Bei allen übrigen Stellen reicht es aus, dass der Bewerber sicher stellt, den besonderen Auftrag glaubwürdig zu erfüllen. Nach dem Wortlaut der Grundordnung ergibt sich dies aus der fachlichen Tüchtigkeit, der gewissenhaften Erfüllung der übertragen Aufgaben und der Zustimmung des Bewerbers zu den Zielen der Einrichtung.

Nach § 15 Abs. 2 AGG kann eine Entschädigung wegen Diskriminierung im Einstellungsverfahren bis zu drei Bruttomonatsgehälter betragen. Die Kammer sah sich im vorliegenden Fall veranlasst, die Entschädigung auf etwa ein Bruttogehalt zu reduzieren, da die Schwere des Verstoßes wegen der schwierigen und weitgehend ungeklärten Rechtslage als gering einzustufen war.

Arbeitsgericht Aachen, Urteil vom 13.12.2012, – 2 Ca 4226/11 –

Quelle: Arbeitsgericht Aachen PM 3/12 vom 14.12.2012

 





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