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Entschädigung wegen Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers

Ein öffentlicher Arbeitgeber hat nach § 82 Satz 2 SGB IX einen schwerbehinderten Menschen, der sich auf eine ausgeschriebene Stelle unter Mitteilung seiner Schwerbehinderteneigenschaft beworben hat, zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, es sei denn, diesem fehlt offensichtlich die fachliche Eignung für die ausgeschriebene Stelle. Eine unterbliebene Einladung ist ein Indiz für die Vermutung, der Bewerber sei wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden. Diese Vermutung kann der öffentliche Arbeitgeber durch den Beweis widerlegen, dass für die Nichteinladung nur solche Gründe vorgelegen haben, welche nicht die fehlende Eignung des Bewerbers oder dessen Schwerbehinderung betreffen.

Der schwerbehinderte Kläger hatte sich bei der Beklagten auf eine Ausschreibung der Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main als „Pförtner/Wächter“ beworben. In seiner Bewerbung hatte er auf seinen GdB von 60 hingewiesen. Bei der Beklagten besteht eine Rahmenvereinbarung zur Integration Schwerbehinderter. Nach dieser Integrationsvereinbarung kann von einer Einladung schwerbehinderter Bewerber zum Auswahlverfahren abgesehen werden, wenn zwischen Zentralabteilung, Schwerbehindertenvertretung und Gleichstellungsbeauftragter Einvernehmen besteht, dass der Bewerber für den freien Arbeitsplatz nicht in Betracht kommt. Die Bundespolizeidirektion sah im Einvernehmen mit den zu beteiligenden Stellen von einer Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch ab. Dieser sieht sich durch diese Nichteinladung wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt und verlangt von der Beklagten eine Entschädigung in Höhe von 5.723,28 Euro.

Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung von 2.700,00 Euro verurteilt. Die Revision der Beklagten blieb vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos.

Die Bundespolizeidirektion hätte den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen, weil durch die Integrationsvereinbarung das Recht des schwerbehinderten Bewerbers auf ein Vorstellungsgespräch nicht eingeschränkt werden sollte. Deshalb besteht die Vermutung, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden ist. Diese Vermutung hat die Beklagte nicht durch Tatsachen widerlegt, die keinen Bezug zur Schwerbehinderung des Klägers und zu dessen fachlicher Eignung haben. Nur auf solche hätte sich die Beklagte mit Erfolg berufen können, weil § 82 Satz 3 SGB IX hinsichtlich der Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers zur Einladung schwerbehinderter Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch abschließenden Charakter hat. Die gegen die Höhe der ausgeurteilten Entschädigung gerichtete Revision des Klägers hat der Senat aus formalen Gründen als unzulässig verworfen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.02.2012, – 8 AZR 697/10 –

Quelle: BAG PM Nr. 13/2012

Stellenanzeige „Geschäftsführer gesucht“ führt zu geschlechtsbezogener Benachteiligung und damit zu einem Entschädigungsanspruch

Das Oberlandesgericht Karlsruhe sprach mit Urteil vom 13.09.2011 einer Rechtsanwältin eine Entschädigung zu, die sich vergeblich auf eine Stellenanzeige „Geschäftsführer gesucht“ beworben hatte.

Die Beklagte ist ein mittelständisches Unternehmen. In ihrem Auftrag gab eine Rechtsanwaltskanzlei 2007 in den Badischen Neuesten Nachrichten nacheinander zwei Stellenanzeigen folgenden Inhalts auf:

„Geschäftsführer im Mandantenauftrag zum nächstmöglichen Eintrittstermin gesucht für mittelständisches … Unternehmen mit Sitz im Raum Karlsruhe. Fähigkeiten in Akquisition sowie Finanz- und Rechnungswesen sind erforderlich, Erfahrungen in Führungspositionen erwünscht. Frühere Tätigkeiten in der Branche nicht notwendig…“

Die auch als Rechtsanwältin zugelassene Klägerin war bereits 20 Jahre bei Versicherungsunternehmen tätig gewesen, zuletzt als Personalleiterin. Nachdem ihre Bewerbung nicht berücksichtigt worden war, meldete sie umgehend Entschädigungsansprüche in Höhe von knapp 25.000,00 € an und begehrte Auskunft über den Auftraggeber der Stellenanzeige. Den benannte die Rechtsanwaltskanzlei erst, nachdem sie vom Landgericht Karlsruhe im April 2008 dazu verurteilt worden war. Die danach erhobene Klage der Rechtsanwältin gegen das ausschreibende Unternehmen auf Entschädigung wegen geschlechtsbezogener Benachteiligung im Bewerbungsverfahren ist vom Landgericht Karlsruhe mit Urteil vom 22.03.2010 zurückgewiesen worden.

Die Berufung der Klägerin zum Oberlandesgericht Karlsruhe – 17. Zivilsenat – hatte teilweise Erfolg.

Mit dem am 13.09.2011 verkündeten Urteil hat der Senat der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von ca. 13.000,00 € zugesprochen, die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Senat hat ausgeführt, dass die Stellenausschreibung gegen das Benachteiligungsverbot des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (§ 7 AGG) verstoße. Aufgrund dieses Verbotes dürfe nicht nach männlichen oder weiblichen Kandidaten gesucht werden. Geschlechtsneutral sei eine Ausschreibung nur formuliert, wenn sie sich in ihrer gesamten Ausdrucksweise sowohl an Frauen als auch an Männer richte. Dem sei jedenfalls dann Rechnung getragen, wenn die Berufsbezeichnung in männlicher und weiblicher Form verwendet oder ein geschlechtsneutraler Oberbegriff gewählt werde. Diesen Vorgaben genüge die Stellenausschreibung hier nicht, da der Begriff „Geschäftsführer“ eindeutig männlich sei und weder durch den Zusatz „/in“ noch durch die Ergänzung „m/w“ erweitert werde. Dieser männliche Begriff werde auch im weiteren Kontext der Anzeige nicht relativiert. Das AGG selbst spreche dagegen ausdrücklich von „Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen“.

Dass die Stellenanzeige nicht von dem beklagten Unternehmen, sondern von der Rechtsanwaltskanzlei formuliert worden sei, ändere nichts; bediene sich der Arbeitgeber nämlich zur Stellenausschreibung eines Dritten, so sei ihm dessen Verhalten in aller Regel zuzurechnen. Den Arbeitgeber treffe die Sorgfaltspflicht, die Ordnungsgemäßheit der Ausschreibung zu überwachen.

Diese nicht geschlechtsneutrale Stellenausschreibung führe gemäß § 22 AGG dazu, dass eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermutet werde und deshalb das ausschreibende Unternehmen nachweisen müsse, dass die Klägerin nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt worden sei, dass also das Geschlecht der Klägerin bei der Auswahl überhaupt keine Rolle gespielt habe. Die Beklagte habe allerdings die maßgeblichen Erwägungen für ihre Auswahl nicht dargelegt. Die Tatsache, dass eine weibliche Bewerberin zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden sei, vermöge die Vermutung allein nicht zu widerlegen. Auch der Einwand der Beklagten, die Klägerin sei nicht wegen ihres Geschlechts, sondern wegen der mangelnden Akquisitionserfahrung nicht eingeladen worden, könne die Vermutung nicht widerlegen. Damit sei nämlich nicht belegt, dass das Geschlecht neben der möglicherweise fehlenden Akquisitionserfahrung der Klägerin bei der Entscheidung keine Rolle gespielt habe.

Eine Benachteiligung der Klägerin sei auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil ihre Bewerbung subjektiv nicht ernst gemeint, sondern ausschließlich auf Erlangung einer Entschädigung gerichtet gewesen wäre. Die Beklagte habe keine ausreichenden Indizien für eine missbräuchliche Bewerbung der Klägerin dargelegt. Die Klägerin sei vielmehr nur nebenberuflich als Rechtsanwältin zugelassen gewesen, sie habe sich beruflich verändern wollen und sei mittlerweile bei einem Unternehmen auch im Bereich Kundenbetreuung und Akquisition tätig. Es sei auch nicht erkennbar, dass sie für die ausgeschriebene Stelle völlig ungeeignet oder über- bzw. unterqualifiziert gewesen wäre.

Die Klägerin habe deshalb einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG, insoweit halte der Senat eine Entschädigung im Umfang eines Monatsgehaltes, hier ca. 13.000,00 €, für angemessen. Für die Höhe sei unter anderem ausschlaggebend, dass sie auch abschreckende Wirkung haben müsse, also geeignet sein müsse, den Arbeitgeber künftig zu ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Pflichten nach dem AGG anzuhalten und Dritte von ähnlichen Verstößen abzuhalten. Den europarechtlichen Vorgaben würde die Verhängung von Bagatellbeträgen nicht genügen. Hier sei auch zu berücksichtigen, dass die diskriminierende Anzeige zweimal erschienen sei und die Klägerin zunächst die Anwaltskanzlei habe gerichtlich auf Auskunft in Anspruch nehmen und sogar die Zwangsvollstreckung einleiten müssen, bevor sie ihre Entschädigungsansprüche gegenüber der Beklagten habe anmelden können. Andererseits seien außer der Überschrift „Geschäftsführer“ keine weiteren Diskriminierungen oder Beeinträchtigungen der Klägerin erkennbar.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

OLG Karlsruhe v. 13.09.2011, – 17 U 99/10 –

Quelle: OLG Karlsruhe PM vom 16.9.2011





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