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Mindestlohn gilt grds. auch für Feiertage und Krankheitszeiten des Arbeitnehmers

Die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall des pädagogischen Personals in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen berechnet sich nach den für diesen Personenkreis erlassenen Mindestlohnvorschriften.
Die Klägerin war bei der Beklagten als pädagogische Mitarbeiterin beschäftigt. Sie betreute Teilnehmer in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen nach dem SGB II und SGB III. Das Arbeitsverhältnis unterfiel kraft „Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch“ (MindestlohnVO) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales dem Geltungsbereich des Tarifvertrags zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal vom 15.11.2011 (TV-Mindestlohn). Dieser sah eine Mindeststundenvergütung von 12,60 € brutto vor. Die Beklagte zahlte zwar für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden und für Zeiten des Urlaubs diese Mindeststundenvergütung, nicht aber für durch Feiertage oder Arbeitsunfähigkeit ausgefallene Stunden. Auch die Urlaubsabgeltung berechnete sie nur nach der geringeren vertraglichen Vergütung. Mit ihrer Klage hat die Klägerin für Feiertage, Krankheitszeiten und als Urlaubsabgeltung nach Maßgabe des TV-Mindestlohn eine Nachzahlung in Höhe von 1.028,90 € brutto verlangt.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Nach den Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (§ 2 Abs. 1, § 3 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG) hat der Arbeitgeber für Arbeitszeit, die aufgrund eines gesetzlichen Feiertags oder wegen Arbeitsunfähigkeit ausfällt, dem Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt zu zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte (Entgeltausfallprinzip). Die Höhe des Urlaubsentgelts und einer Urlaubsabgeltung bestimmt sich gemäß § 11 BUrlG nach der durchschnittlichen Vergütung der letzten dreizehn Wochen (Referenzprinzip). Diese Regelungen finden auch dann Anwendung, wenn sich die Höhe des Arbeitsentgelts nach einer Mindestlohnregelung richtet, die – wie hier die MindestlohnVO – keine Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung und zum Urlaubsentgelt enthält. Ein Rückgriff des Arbeitsgebers auf eine vertraglich vereinbarte niedrigere Vergütung ist in diesen Fällen deshalb unzulässig.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.05. 2015, – 10 AZR 191/14 –

Quelle: BAG PM Nr. 30/15 vom 13.05.2015

Exzessive private Internetnutzung: Auch bei langer Betriebszugehörigkeit ist vor Ausspruch der Kündigung keine Abmahnung erforderlich

Eine exzessive Internet-Nutzung während der Arbeitszeit kann grds. auch ohne vorherige Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen. Das gilt selbst bei langjähriger Betriebszugehörigkeit. Dass während der Arbeitszeit nicht stundenlang das Internet privat genutzt werden darf, muss jeder Arbeitnehmer auch ohne entsprechenden Hinweis des Arbeitgebers wissen.

Der Kläger war seit 21 Jahren bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Als sich die Datenverarbeitungsprozesse im Unternehmen massiv verlangsamten, schaute sich der Beklagte die heruntergeladenen Datenmengen an. Dabei stellte er fest, dass sich auf dem PC des Klägers mehr als 17.000 private Dateien befanden. Erkennbar waren u.a. der Besuch von Social-Media-Plattformen wie facebook und Xing sowie ein umfangreicher Download von Filmen und Musik über „Share-Plattformen“. Die entsprechenden Dateien waren zwar gelöscht; die Löschung machte der Beklagte aber rückgängig und kündigte dem Kläger mit ordentlicher Kündigungsfrist. Mit der hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage bestritt der Kläger, die Dateien auf seinen PC geladen zu haben. Seine Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG keinen Erfolg.

Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wirksam ordentlich gekündigt. Nach der Beweisaufnahme stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger die Daten heruntergeladen hatte. Dadurch dass er ohne Erlaubnis des Beklagten seinen PC während der Arbeitszeit exzessiv für private Angelegenheiten nutzte, verletzte er seine Arbeitspflicht so gravierend, dass der Beklagte das Arbeitsverhältnis auch ohne vorherige Abmahnung kündigen konnte.

Arbeitnehmer dürfen ihren dienstlichen PC am Arbeitsplatz grds. nur bei ausdrücklicher Erlaubnis oder nachweisbarer stillschweigender Duldung des Arbeitgebers für private Zwecke nutzen. Von einer Duldung des Verhaltens durch den Beklagten durfte der Kläger aber bei einer derart ausschweifenden Nutzung während der Arbeitszeit nicht ausgehen. Außerdem hat er durch das Aufsuchen von „Share-Plattformen“ zum Download von Musik auch konkret die Gefahr geschaffen, dass das betriebliche Datenverarbeitungssystem mit Viren infiziert wird.

Angesichts des Umfangs der privaten Internetnutzung war eine Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung trotz der langen Betriebszugehörigkeit nicht erforderlich. Dass Derartiges während der Arbeitszeit nicht erlaubt ist, muss ein Arbeitnehmer wissen.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 17.06.2014

LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 06.05.2014, 1 – Sa 421/13 –

Quelle: LAG Schleswig-Holstein PM vom 17.06.2014

Diebstahl geringwertiger Sachen kann auch bei langer Betriebszugehörigkeit fristlose Kündigung rechtfertigen

Entwendet der Filialleiter eines Einzelhandelsunternehmens Ware oder besteht der dringende Verdacht einer solchen Tat, so rechtfertigt dies eine fristlose Kündigung. Das gilt selbst dann, wenn die Ware nur einen vergleichsweise geringen Wert hat und der Arbeitnehmer seit vielen Jahren in dem Betrieb beschäftigt ist. Im Rahmen der Interessenabwägung kann zum Nachteil des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein, dass er die Tat zunächst geleugnet hat.

Der Filialleiter war seit knapp 21 Jahren bei dem Einzelhandelsunternehmen tätig. Er nahm an einem Tag einen Beutel Streusand aus der Filiale mit, ohne ihn zu bezahlen; zwei Tage später wurde der Kläger beim Verlassen der Filiale mit unbezahlten Waren im Wert von 12,02 € angetroffen. Das Einzelhandelsunternehmen kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin fristlos, ohne zuvor eine Abmahnung auszusprechen.

Die Kündigungsschutzklage des Filialleiters blieb auch vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Es bestehe der dringende Verdacht, dass sich der Filialleiter in zwei Fällen widerrechtlich Sachen im Eigentum der Arbeitgeberin habe aneignen wollen. Mit diesem Verhalten habe der Filialleiter das während seiner langjährigen Tätigkeit aufgebaute Vertrauen in seine Rechtschaffenheit endgültig zerstört. Es könne der Arbeitgeberin deshalb nicht zugemutet werden, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen, zumal der Filialleiter einen für den Verdacht wesentlichen Umstand zunächst in Abrede gestellt habe. Dass es sich um Sachen von geringem Wert gehandelt habe, sei ohne Bedeutung.

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht nicht zugelassen.

 

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.02.2012, – 6 Sa 1845/11 –

Quelle: LAG Berlin-Brandenburg PM Nr. 10 vom 07.03.2012

 

Anm. d. Verfassers: Der Fall erinnert an die berühmte „Emmely“-Entscheidung, die Sie weiter unten in unseren Nachrichten finden. Ein wesentlicher Unterschied zu „Emmely“ dürfte aber darin liegen, dass es sich bei der Filialleitung um eine herausgehobene Vertrauensposition handelt. Auch belief sich der Schaden des Arbeitgebers nicht lediglich auf Cent-Beträge.

Die außerordentliche Kündigung (oder auch: die Kündigung aus wichtigem Grund)

 

I. Allgemeines

Das Recht der außerordentlichen Kündigung ist abgesehen von wenigen Ausnahmen (Handelsvertreter gem. § 89 a HGB, Besatzungsmitglied und Kapitän in der Seeschifffahrt gem. §§ 64-68, 78 SeemannsG, Auszubildende gem. § 22 Abs. 2 BBiG) ausschließlich in § 626 BGB geregelt. Danach können sich sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer bei unzumutbarer Belastung vom Arbeitsverhältnis lösen. Die Vorschrift lautet:

 

§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

 

Meistens erfolgt die außerordentliche Kündigung fristlos, d.h. mit sofortiger Wirkung, es kann aber auch aus wichtigem Grund mit einer (sozialen Auslauf-) Frist gekündigt werden. Hierbei ist aber zu beachten, dass umso eher die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist entfällt, je mehr die tatsächliche Weiterbeschäftigung der Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist entspricht oder sie sogar überschreitet. Auch wenn der Arbeitgeber nicht fristlos, sondern unter Einhaltung einer Frist kündigt, verliert die Kündigung nicht den Charakter der außerordentliche Kündigung, wenn dem gekündigten Arbeitnehmer klar erkennbar ist, dass ihm aus wichtigem Grund gekündigt wird.

 

Wichtig: Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist für beide Arbeitsvertragsparteien unabdingbar, kann also nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Eine Beschränkung oder eine unzumutbare Erschwerung des fristlosen Kündigungsrechtes ist ebenso unzulässig.

Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, welche als wichtige Gründe geeignet sein können, die Grundlage für die Kündigung zu bilden.

II. Wichtiger Grund

1. Begriff

Es gibt keine absoluten wichtigen Gründe, wohl aber typische Sachverhalte, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund darzustellen. Die Rechtssprechung konkretisiert den wichtigen Grund durch eine abgestufte Prüfung. Auf der ersten Stufe wird geprüft, ob ein bestimmter Sachverhalt an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben. Ist das der Fall, wird auf der zweiten Stufe untersucht, ob die konkrete Kündigung nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalls als gerechtfertigt angesehen werden kann. Das ist nur der Fall, wenn die außerordentliche Kündigung die unausweichlich letzte Maßnahme (ultima ratio) ist, d.h., wenn mildere Mittel wie Abmahnung, Versetzung, außerordentliche Änderungskündigung, ordentliche Beendigungskündigung, unzumutbar sind.

Es ist also immer eine Einzelfallprüfung erforderlich. Kataloge “wichtiger Gründe“ müssen demnach mit Vorsicht behandelt werden, da die Sachverhalte meist nicht identisch sind. Nachfolgende, exemplarisch genannten Gründe (Quelle: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 626 BGB) können gegebenenfalls einen wichtigen Grund darstellen, müssen es aber nicht zwangsläufig. Sie dürfen daher nicht unbesehen übernommen werden, sondern dienen nur als Richtschnur.

Eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber ist z.B. denkbar bei

 – Verstoß gegen ein Alkoholverbot,

– Strafanzeige gegen Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen,

– fehlende bzw. weggefallene Arbeitsgenehmigung bei Nicht-EU-Nationalität,

– Arbeitsverweigerung,

– Beleidigungen und Verleumdungen,

– Eigentumsdelikte wie z.B. Diebstahl, Betrug, Unterschlagung (problematisch bei Entwendung geringwertiger Güter, da eine Interessenabwägung u.U. auch zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen kann, vgl. die „Emmely-Entscheidung“ des BAG v. 10.06.2010, – 2 AZR 541/09 -, Anm. d. Autors)

– fehlende Fahrerlaubnis als Voraussetzung der Berufsausübung (z.B. Berufskraftfahrer),

– Geschäfts-/Rufschädigung,

– Konkurrenztätigkeit,

– Körperverletzungen gegenüber Arbeitgeber, seiner Familie oder Kollegen,

– Manipulation an der Zeiterfassung („Stempelkarte“),

– Mobbing,

– Nebentätigkeit bei anderem Arbeitgeber während einer attestierten Arbeitsunfähigkeit,

– Nötigung/Erpressung des Arbeitgebers,

– sexuelle Belästigung,

– strafbare Handlungen gegen den Arbeitgeber,

– unentschuldigtes Fehlen,

– unerlaubte Nutzung von Betriebsmitteln,

– Unpünktlichkeit, wenn sie den Grad einer beharrlichen Verweigerung der Arbeitsleistung erreicht haben,

– Untersuchungshaft, Freiheitsstrafe, abhängig vom Ausmaß der betrieblichen Auswirkung,

– Urlaubsüberschreitung, Selbstbeurlaubung,

– Vermögensdelikte, Spesenbetrug,

– Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen,

– Verstöße gegen die betriebliche Ordnung,

– Vortäuschen und Androhung einer Erkrankung.

Eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer ist z.B. denkbar bei

– Missachtung der Arbeitsschutzvorschriften durch den Arbeitgeber,

– Beleidigungen und Verdächtigungen,

– Lohnrückstände,

– Nichtabführung einbehaltener Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeiträge über längeren Zeitraum (1 Jahr).

2. Beurteilungszeitpunkt

Der wichtige Grund muss im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorliegen. Gründe, die bei Ausspruch der Kündigung vorlagen, dem Kündigenden aber nicht bekannt waren, können auch noch während des arbeitsgerichtlichen Verfahrens zur Stützung der Kündigung nachgeschoben werden. Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist dabei unbeachtlich (BGH v. 20.06.2005, NZA 2005, 1415). Dagegen ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die erst nach der Kündigung entstanden sind, nicht zulässig. Sie können nur für eine neue Kündigung herangezogen werden.

3. Darlegungs- und Beweislast

Das Vorliegen des wichtigen Grundes hat der Kündigende darzulegen und zu beweisen (BAG v. 28.02.2002, NJW 2003, 431). Vom Kündigungsgegner behauptete Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe muss der Kündigende widerlegen (BAG v. 17.06.2003 APO ZPO 1977 § 543 Nr. 13; a.A. LAG SH v. 18.01.2005 NZA-RR 2005, 367).

4. Interessenabwägung

Die Interessen beider Parteien sind gegenüber zu stellen. Es ist also das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an der Fortführung abzuwägen. Dabei können etwa von Bedeutung sein:

– Art und Schwere der Verfehlung,

– Wiederholungsgefahr,

– Grad des Verschuldens (vgl. BAG v. 10.11.2005 NZA 2006, 491),

– Lebensalter des Arbeitnehmers,

– anderweitige persönliche Umstände des Arbeitnehmers (z.B. Unterhalspflichten, Dauer der Betriebszugehörigkeit, letztere auch bei Vermögensdelikten zum Nachteil des Arbeitgebers, vgl. BAG v. 27.04.2006 NZA 2006, 1033),

– Folgen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses,

– Größe des Betriebes.

Die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung hat der Kündigende in vollem Umfang darzulegen und zu beweisen.

5. Ultima ratio

Wie wir bereits gesehen haben (s. o. II. 1.), muss die außerordentliche Kündigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die unausweichlich letzte Maßnahme (ultima ratio) des Kündigenden sein. Mildere Mittel wie Abmahnung, Versetzung, außerordentliche Änderungskündigung, ordentliche Beendigungskündigung scheiden als unmöglich oder unzumutbar aus. Der Arbeitgeber hat auch vor jeder außerordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz – auch zu geänderten Bedingungen – anzubieten.

6. Abmahnung

Für Arbeitsverhältnisse besteht die Notwendigkeit der Abmahnung. Pflichtwidrigkeiten im Leistungs- und Verhaltensbereich muss grundsätzlich eine Abmahnung vorausgehen, ehe sie zum Anlass einer fristlosen Kündigung genommen werden können. Wenn indes im Einzelfall Umstände vorliegen, die eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend erscheinen lassen, kann sie wegen einer Pflichtwidrigkeit im Leistungs- und Verhaltensbereich unterbleiben. Tätlichkeiten oder Beleidigungen unter Kollegen sind ohnehin nicht dem Leistungsbereich zuzuordnen und können folglich eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen (BAG v. 06.10.2005 NZA 2006, 431). Auch ist sie in dem Fall nicht erfolgversprechend, wenn der Arbeitnehmer erkennbar nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nutzt ein Arbeitnehmer z.B. das Internet während der Arbeitszeit exzessiv, so muss ihm klar sein, dass er hierdurch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt. Eine Abmahnung ist dann entbehrlich (BAG v. 07.07.2005 NZA 2006, 98).

Auch besonders schwere Verstöße bedürfen keiner Abmahnung, weil der Arbeitnehmer nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewusst sein muss, seinen Arbeitsplatz zu riskieren (BAG v. 02.03.2006 NZA-RR 2006, 636). Dementsprechend ist auch eine vorherige Abmahnung bei einer Störung im Vertrauensbereich in der Regel entbehrlich. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitnehmer annehmen durfte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches Fehlverhalten angesehen.

7. Ordentlich unkündbare Arbeitnehmer

a) Grundsatz

Ist die ordentliche Kündigung tarif- oder einzelvertraglich ausgeschlossen, so ist im Rahmen der Interessenabwägung bei einer vom Arbeitgeber erklärten außerordentlichen Kündigung nicht auf die fiktive Frist für die ordentliche Kündigung, sondern auf die tatsächliche noch künftige Vertragsbindung abzustellen.

b) Betriebsstilllegung

Bei tariflichem Ausschluss einer ordentlichen Kündigung ist eine Betriebsstilllegung geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es ist dann die gesetzliche oder tarifvertragliche Kündigungsfrist einzuhalten, die gelten würde, wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen wäre. Zwar rechtfertigt eine Betriebsstilllegung in der Regel nur ein ordentliche Kündigung. Dies gilt aber nicht, wenn sie von vornherein ausgeschlossen und eine Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens nicht möglich ist. Der Wegfall des Arbeitsplatzes wegen innerbetrieblicher Umgestaltung der Arbeitsabläufe rechtfertigt in der Regel keine außerordentliche Kündigung. Vor Ausspruch einer solchen Kündigung muss der Arbeitgeber alle betrieblichen Möglichkeiten und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, die eine Weiterbeschäftigung ermöglichen. Dazu gehört auch die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs.

c) Krankheit

Krankheit kann grundsätzlich auch ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB sein. Zwar wird schon bei einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung ein strenger Maßstab angelegt. Dies schließt aber nicht aus, dass in gewissen Ausnahmefällen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sein kann. Da die Einhaltung der Kündigungsfrist eigentlich immer zumutbar sein dürfte, wird dies allerdings nur bei einem tarif- oder einzelvertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung in Frage kommen.

Kann der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht an seinem bisherigen Arbeitsplatz weiterarbeiten und ist ein gleichwertiger, leidensgerechter Arbeitsplatz nicht frei, so ist der Arbeitgeber unter Umständen gehalten, einen geeigneten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechtes freizumachen und sich dafür um die evtl. Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG zu bemühen. Eine Verpflichtung zur Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens besteht allerdings nicht. Ebenso wenig obliegt dem Arbeitgeber eine Verpflichtung zur weitergehenden Umorganisation. Eine Ausnahme stellt die krankheitsbedingte Leistungsminderung des Arbeitnehmers dar. Hier muss der Arbeitgeber vor der Kündigung prüfen, ob der Minderung der Leistungsfähigkeit nicht durch organisatorische Maßnahmen (z.B. Änderung des Arbeitsablaufs, Umgestaltung des Arbeitsplatzes, Umverteilung der Aufgaben) begegnet werden kann.

Eine außerordentliche Kündigung wegen einer Alkoholabhängigkeit ist nur ausnahmsweise möglich. Sie ist unwirksam, wenn der Arbeitnehmer therapiebereit ist und eine vom Arzt angeordnete ambulante Behandlung durchführen lässt, auch wenn der Arbeitgeber ihn zur stationären Behandlung aufgefordert hat. Auch hier ist nicht auf die Dauer einer fiktiven Kündigungsfrist, sondern auf die künftige Vertragsbindung abzustellen (Ausnahme: Organmitglied gemäß § 15 Abs. 1 KSchG, dann fiktive ordentliche Kündigungsfrist).

8. Mehrere Gründe

Wird die fristlose Kündigung auf mehrere Gründe gestützt, so ist zunächst zu prüfen, ob jeder Sachverhalt für sich allein die Kündigung begründen kann. Ist das nicht der Fall, wird einheitlich betrachtet, ob die Gründe in ihrer Gesamtheit dies vermögen. Hierbei kamen bisher jedoch nur gleichartige (z.B. mehrere verhaltensbedingte ) in Betracht.

III. Ausschlussfrist

Gemäß § 626 Abs. 2 BGB muss die Kündigung innerhalb von 2 Wochen ab Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erfolgen.

1. Grundsätze

Die Frist ist eine sog. Ausschlussfrist. Das heißt, sie ist nicht verlängerbar. Wurde die Kündigung erst nach ihrem Ablauf ausgesprochen, ist sie verfristet und damit unwirksam. Die Unwirksamkeit ist im Rahmen der 3-wöchigen Klagefrist des § 4 KSchG geltend zu machen.

a) Fristbeginn

Die Frist läuft, sobald der Kündigungsberechtigte Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, so dass er entscheiden kann, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Selbst grobfahrlässige Unkenntnis reicht für den Fristbeginn nicht. Zu den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen gehören auch die im Sinne der Unzumutbarkeitserwägungen für oder gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Ausnahmsweise genügt für den Fristenlauf auch die Kenntnis eines Dritten, der keine Entlassungsbefugnis hat, wenn der Kündigungsberechtigte sich die Kenntnis eines Dritten dann zurechnen lassen muss, wenn dessen Stellung im Betrieb erwarten lässt, er werde den Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt unterrichten. Der Berechtigte darf sich dann nicht auf seine erst später erlangte Kenntnis berufen, wenn sie darauf beruht, dass die Betriebsorganisation zu einer Verzögerung des Fristbeginns führt, obwohl eine andere Organisation sachgemäß und zumutbar wäre.

b) Fristhemmung

Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB kann nicht beginnen, so lange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Kündigungssachverhaltes nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen mit der gebotenen Eile durchführt (BAG v. 05.12.2002 AP BGB §123 Nr. 63). Der Beginn darf allerdings nicht länger als unbedingt erforderlich hinausgeschoben werden. Die Frist ist nur so lange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen anstellt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhaltes verschaffen soll (BAG v. 01.02.2007 NZA 2007, 744). Eine Regelfrist hierfür gibt es nicht, dies ist einzelfallabhängig. So ist z.B. die Frist gehemmt, solange der Kündigungsberechtigte dem Kündigungsgegner zur Aufklärung des Sachverhaltes Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Der Kündigungsgegner ist indes längstens innerhalb einer Woche anzuhören (BAG v. 02.03.2006 NZA 2006, 1211).

c) Darlegungs- und Beweislast

Der Kündigende trägt die Beweislast für die Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB.

2. Genehmigung des Vertretenen

Die ohne Vertretungsmacht erklärte außerordentliche Kündigung kann vom Vertretenen mit rückwirkender Kraft nach § 184 BGB nur innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 S. 2 BGB genehmigt werden ( BAG v. 10.02.2005 AP BGB § 174 Nr. 18 lässt allerdings grundsätzlich offen, ob § 180 BGB überhaupt auf Kündigungen anwendbar ist).

3. Sonderfälle

a) Krankheit

Bei Krankheit geht die Rechtsprechung inzwischen davon aus, dass die Kündigungserklärungsfrist jeden Tag neu beginnt, da sich die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers als Dauerzustand zeigt und sich demzufolge die Frage der Beeinträchtigung des betrieblichen Interesses jeden Tag neu stellt.

b) eigenmächtiger Urlaubsantritt

Beim eigenmächtigen Urlaub, d.h. beim unentschuldigten Fehlen des Arbeitnehmers, beginnt die Ausschlussfrist des § 626 Abs.2 BGB frühestens mit seiner Rückkehr aus dem Urlaub.

4. Nachschieben von Kündigungsgründen

Kündigungsgründe, die bei Ausspruch der Kündigung zwar objektiv vorlagen, dem Kündigenden aber noch nicht bekannt waren, sondern erst später bekannt wurden, brauchen nicht innerhalb der 2-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nachgeschoben werden, d.h. dies ist jederzeit im arbeitsgerichtlichen Verfahren möglich. Sie können nur unter den in §§ 67 ArbGG, 530 ZPO genannten Voraussetzungen als verspätet zurückgewiesen werden.

Später entstandene Kündigungsgründe können die vorangegangene Kündigung nicht stützen, falls die Gründe nicht „halten“, die für die Kündigung herangezogen wurden. Sie können allenfalls eine erneute Kündigung rechtfertigen.

Das Nachschieben von Kündigungsgründen, die erst nach der Kündigung entstanden sind, ist unzulässig.

5. Zugang der Kündigung

Seit dem 01.05.2000 hat die Kündigung zu ihrer Wirksamkeit – ebenso wie der Aufhebungsvertrag – schriftlich zu erfolgen (vgl. § 623 BGB). Des Weiteren ist sie eine Willenserklärung und muss dem Kündigungsgegner innerhalb der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zugehen (§ 130 BGB). Was hierfür erforderlich ist, hängt davon ab, ob die Kündigung unter Abwesenden oder Anwesenden ausgesprochen wurde. Unter Abwesenden muss sie derart in den Bereich des Adressaten gelangen, dass er unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. BGHZ 67, 271). Zum Bereich des Empfängers gehören auch die zur Entgegennahme von Erklärungen bereit gestellten Einrichtungen, wie Briefkasten, Postfach, o.ä.. Unter Anwesenden geht sie durch einfache Übergabe zu, wobei die Verfügungsgewalt des Empfängers keine dauernde sein muss. Es reicht, wenn die Kündigung ausgehändigt wurde, damit der Empfänger von ihr Kenntnis nehmen kann (BAG v. 04.11.2004 – 2 AZR 17/04 -). Nicht zugegangen ist die Kündigung, wenn lediglich eine Kopie übergeben wird. Ebenso wenig reicht es, dem Empfänger bei Übergabe einer Kopie das Original nur zur Ansicht zu geben („Nur gucken, nicht anfassen“).

Bei Einwurf der Kündigung in den Briefkasten des Empfängers geht sie ihm zu, wenn unter Berücksichtigung der ortsüblichen Zustellzeit mit der Leerung gerechnet werden kann. Kann die Entgegennahme nicht mehr erwartet werden, weil das Kündigungsschreiben erst zu einer Zeit den Empfangsbereich des Empfängers erreicht, in der üblicherweise mit einer Entnahme nicht mehr zu rechnen ist (also z.B. um 23.00 Uhr), erfolgt der Zugang erst am nächsten Tag. Wurde die Kündigung um 16.00 Uhr in den Briefkasten des Arbeitnehmers gelegt, wenn zuvor Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag geführt wurden und musste der Arbeitnehmer damit rechnen, dass der Arbeitgeber ihm die Kündigung noch per Boten zukommen lässt, so ist sie noch am gleichen Tag zugegangen. Umstritten ist, ob Zugang gegeben ist, wenn die Kündigung unter der Haustür des Empfängers durchgeschoben wird oder sogar im Hausflur deponiert wird. Denkbar wäre das jedenfalls dann, wenn der Empfänger im Hausflur keinen Briefkasten angebracht hat. Ist das Kündigungsschreiben nicht, nicht ausreichend frankiert oder falsch adressiert und wird es deshalb nicht zugestellt, so geht das zu Lasten des Erklärenden. Lehnt der Empfänger die Zahlung eines Nachportos ab, geht die Kündigung ebenso wenig zu, da der Erklärende die Kosten der Zustellung zu tragen hat. Wenn der Arbeitnehmer umzieht, dem Arbeitgeber die Anschriftenänderung aber nicht mitteilt, geht die Verlängerung der Postlaufzeit zu seinen Lasten, da er für die Verzögerung verantwortlich ist.

Zugang liegt auch vor, wenn die Kündigung an jemanden übergeben wird, der nach der Verkehrsauffassung als ermächtigt anzusehen ist, den Adressaten im Empfang zu vertreten. Hier entscheidet die Verkehrssitte. Zum Empfang berechtigt sind daher z.B. Familienangehörige, Lebensgefährten, Hausangestellte oder auch der Vermieter.

Zu beachten ist, dass die Parteien über den Zugang vom Gesetz (s.o., § 130 BGB) abweichende Regelungen treffen können, etwa dahin, dass bei formbedürftiger Erklärung der Zugang einer Abschrift genügt. Sind derartige Abweichungen aber in Formulararbeitsverträgen enthalten, unterliegen sie der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB. So ist z.B. die formularmäßige Klausel unwirksam, die eine Kündigung nur per Einschreiben vorsieht.

Wird per Einschreiben gekündigt, der Adressat aber nicht angetroffen und hinterlässt der Zusteller einen Benachrichtigungszettel, so ist das Schreiben noch nicht zugegangen. Dies ist erst mit der Abholung beim Postamt der Fall (höchstrichterliche Entscheidung, vgl. BAG v. 25.04.2006, – 2 AZR 13/95 -). Anders ist es beim sog. Einwurf-Einschreiben: Hier liegt Zugang mit Einwurf in den Briefkasten vor, der vom Zusteller schriftlich dokumentiert wird. Die sicherste Zustellart ist aber nach wie vor diejenige durch einen Boten, der den Zustellvorgang im Streitfall bezeugen kann.

Auch wenn der Empfänger die Annahme der Kündigung ohne Grund ablehnt, gilt sie als zugegangen (Stichwort: Zugangsvereitelung), vor allem dann, wenn der Empfänger mit einer rechtserheblichen Mitteilung rechnen musste. Scheitert die Kenntnisnahme lediglich aufgrund eines vom Empfänger zu vertretenden Umstandes, muss er sich so behandeln lassen, als sei ihm die Erklärung zum normalen Zeitpunkt zugegangen, wenn der Erklärenden die Erklärung unverzüglich wiederholt.

6. Anfechtung und Rücknahme der Kündigungserklärung

Da die Kündigung eine Willenserklärung (s.o.) ist, kann sie auch angefochten werden. Liegt ein Anfechtungsgrund i.S.d. §§ 119,123 BGB vor, führt dies zu ihrer Nichtigkeit. Der praktisch wichtigste ist die widerrechtliche Drohung des Arbeitgebers i.S.d. § 123 BGB, er werde dem Arbeitnehmer fristlos kündigen, falls dieser nicht selbst kündigt. Widerrechtlich ist die Drohung aber dann nicht, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine fristlose Kündigung ernsthaft erwogen hätte (vgl. z.B. BAG v. 18.05.2006, – 6 AZR 62/05).

Die dem anderen Teil zugegangene Kündigung kann nicht mehr einseitig vom Kündigenden zurückgenommen werden. Hierfür ist immer das Einverständnis des Gekündigten erforderlich. Die „Rücknahme“ ist daher stets als Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zum werten.

IV. Anhörung des Betriebsrats

 1. Gesetzliche Regelung

Gemäß § 102 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) muss der Betriebsrat vor jeder Kündigung, also auch der außerordentlichen, gehört werden. Dabei muss der Arbeitgeber auch bekannt geben, ob er ordentlich oder außerordentlich kündigen will. Diese Obliegenheit gilt auch bei sog. „unkündbaren“ Arbeitnehmern, wenn der Arbeitgeber ohne jede Erläuterung eine nur außerordentlich mögliche Kündigung unter Einhaltung einer Frist aussprechen will. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen (§ 102 Abs.2 S. 3 BetrVG).

 Die Vorschrift lautet:

§ 102 Mitbestimmung bei Kündigungen

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1. der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,

2. die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,

3. der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,

4. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder

5. eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1. die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder

2. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder

3. der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner Sicht tragenden Umstände für die (beabsichtigte) Kündigung unterbreitet hat. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber ihm den Sachverhalt bewusst irreführend – z.B. durch Verschweigen wesentlicher Umstände – schildert. Der Arbeitgeber ist indes nicht verpflichtet, Unterlagen zur Verfügung zustellen oder das Anhörungsverfahren schriftlich durchzuführen. Unschädlich ist es auch, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Sozialdaten des betroffenen Arbeitnehmers nicht mitteilt, wenn es ihm wegen der Schwere der Vorwürfe auf die genauen Daten ersichtlich nicht ankommt, der Betriebsrat sie ungefähr kennt und daher die Kündigungsabsicht ausreichend beurteilen kann.

2. Nachschieben von Kündigungsgründen

Materiell-rechtlich können Kündigungsgründe, die bei Ausspruch der Kündigung bereits entstanden waren, dem Arbeitgeber aber erst später bekannt geworden sind, im Kündigungsschutzprozess uneingeschränkt nachgeschoben werden.

Betriebsverfassungsrechtlich können solche Kündigungsgründe nachgeschoben werden, wenn der Arbeitgeber vorher den Betriebsrat hierzu erneut angehört hat.

Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, im Kündigungsschutzprozess Tatsachen nachzuschieben, die ohne wesentliche Veränderung des Kündigungssachverhaltes lediglich zur Erläuterung und Konkretisierung der im Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründe dienen.

V. Mitteilung des Kündigungsgrundes

Nach § 626 Abs. 2 S. 3 BGB muss der Kündigende dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen. Das ist allerdings grundsätzlich keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung, es sei denn, es ist im Arbeits- oder Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder gesetzlich (z.B. § 15 Abs. 3 BBiG für das Berufsausbildungsverhältnis) ausdrücklich bestimmt. Die Nichtangabe des Kündigungsgrundes trotz Verlangens kann dann aber u.U. Auskunfts- und Schadensersatzansprüche (z.B. wegen der Prozesskosten) des Gekündigten auslösen.

VI. Schadensersatzanspruch des Gekündigten

Eine unwirksame außerordentliche Kündigung kann eine Vertragsverletzung sein. Sie verpflichtet zum Schadensersatz, wenn der Kündigende die Unwirksamkeit der Kündigung oder die Begleitumstände kannte oder bei gehöriger Sorgfalt hätte kennen müssen und daraus ein Schaden entsteht.

VII. Klagerecht und Klagefrist

1. Arbeitnehmer

Ein fristlos entlassener Arbeitnehmer hat stets ein berechtigtes Interesse daran, auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses zu klagen, und zwar selbst dann, wenn er auf Zahlungsleistungen klagen könnte. Er kann allerdings – außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) – das Recht verwirken, sich auf die Unwirksamkeit einer ihm gegenüber ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung zu berufen. Demgegenüber muss ein unter das KSchG fallender Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nach den §§ 4 – 7 KSchG, also regelmäßig innerhalb der Drei-Wochenfrist, geltend machen. Dies gilt auch bei der arbeitgeberseitigen außerordentlichen Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnis.

2. Arbeitgeber

Auch der Arbeitgeber kann ein alsbaldiges Interesse an der Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses haben, wenn er in seinem Ansehen betroffen ist.

VIII. Besondere Kündigungsfälle

1. Verdachtskündigung

Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht der (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Handlung habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Dagegen ist bei der Tatkündigung der Arbeitgeber davon überzeugt, der Arbeitnehmer habe die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen, so dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Der Verdacht stellt gegenüber der Tat einen eigenständigen Kündigungsrund dar. Typisch für die Verdachtskündigung ist, dass die dem Arbeitnehmer zur Last gelegte Tat nicht oder noch nicht nachweisbar ist, allerdings schon so starke Verdachtsmomente bestehen, dass bereits diese Ungewissheit dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Wegen der Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung aber alle ihm zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen haben. Hier geht es dann darum, ob der Verdacht durch Tatsachen objektiv begründet wird, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Die Wirksamkeit der Verdachtskündigung hängt nicht von der strafrechtlichen Würdigung des Sachverhaltes ab, sondern von der Beeinträchtigung des für das Arbeitsverhältnis erforderlichen Vertrauens. Die Beurteilung im Strafverfahren ist weder für die Zivil- noch die Arbeitsgerichte bindend. Selbst eine Einstellung im Strafverfahren steht einer Kündigung wegen des Verdachts einer Straftat nicht entgegen. Denn die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO ist nicht geeignet, den Verdacht einer Straftat auszuräumen.

Der Arbeitgeber muss den betroffenen Arbeitnehmer aufgrund seiner Aufklärungspflicht vor Ausspruch einer Verdachtskündigung zu den Verdachtsmomenten anhören. Dies ist Wirksamkeitsvoraussetzung. Der dem Arbeitnehmer vorgehaltene Verdacht muss konkretisiert sein, damit er sich substantiiert dazu äußern kann. Die Anhörung darf nicht unter für den Arbeitnehmer unzumutbaren Umständen erfolgen. Entlastende, vom Arbeitnehmer vorgetragene Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Kündigung vorlagen, sind unabhängig von der Kenntnisnahme durch den Arbeitgeber zu berücksichtigen. Lässt sich der Arbeitnehmer konkret ein und zerstreut er den Verdacht, ermittelt der Arbeitgeber aber weiter und kommt zu einer Widerlegung der Einlassung, so ist der Arbeitnehmer erneut anzuhören. Verletzt der Arbeitgeber die Aufklärungspflicht schuldhaft, ist die Verdachtskündigung unwirksam.

Auch für die außerordentliche Verdachtskündigung gilt die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Sie beginnt zu dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte so viel vom Sachverhalt kennt, dass er sich ein eigenes Urteil über den Verdacht bilden kann. Nach bekannt gewordenem Anfangsverdacht muss der Arbeitgeber eigene Ermittlungen zügig durchführen. Stellt sich im Verlauf des Prozesses die Unschuld des verdächtigen Arbeitnehmers heraus, so ist dies zu berücksichtigen. Auch muss das Gericht seinen Rechtfertigungen nachgehen. Stellt sich die Unschuld des Arbeitnehmers erst nach Abschluss des Verfahrens heraus, kann ihm ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen. Nicht ausreichend ist hierfür die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft.

Ist es dem Arbeitgeber nicht möglich, eine hinreichende Aufklärung zu erlangen, kann er das Ergebnis des Strafverfahrens abwarten. Nach einer Verurteilung darf er die Kündigung dann aber nicht mehr als Verdachts-, sondern nur noch als (erwiesene) Tatkündigung aussprechen. Denn der Verdacht ist ja nun geklärt. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit der Kenntnis von der Verurteilung. Kündigt der Arbeitgeber nach rechtskräftiger Verurteilung des Arbeitnehmers mit der Begründung, der Arbeitnehmer habe die Tat tatsächlich begangen, dann ist die Unwirksamkeit der Kündigung nach den Grundsätzen der Tatkündigung zu beurteilen. Bestreitet der Arbeitnehmer auch nach rechtskräftiger Verurteilung weiterhin den Tatvorwurf, muss das Arbeitsgericht ohne Bindung an das Strafurteil eigenständige Feststellungen treffen.

Spricht der Arbeitgeber eine Tatkündigung aus und stützt er sie später bei unverändert gebliebenem Sachverhalt auch noch auf den Verdacht der Straftat, ist der nachgeschobene Kündigungsgrund der Verdachtskündigung wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG nicht verwertbar.

Kosten, die dem Arbeitgeber entstehen, weil er einen Arbeitnehmer von einem Detektiv überwachen lässt, sind ihm zu ersetzen, wenn dem Arbeitnehmer so eine vertragswidrige und unerlaubte Handlung nachgewiesen wird. Die Detektivkosten sind dann eine adäquate Folge des schädigenden Verhaltens des Arbeitnehmers.

2. Druckkündigung

Eine Druckkündigung liegt vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Das Verlangen kann durch ein Verhalten des Arbeitnehmers oder einen in seiner Person liegenden Grund objektiv gerechtfertigt sein. Dann liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen. Fehlt es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung, kommt eine (Druck-)Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht. An deren Zulässigkeit sind indes strenge Anforderungen zu stellen.

Verlangt die Belegschaft oder ein Teil von ihr die Entlassung eines Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber dies nicht ohne Weiteres tun. Aufgrund seiner vertraglichen Fürsorgepflicht gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer hat er zu versuchen, die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Nur wenn das nicht gelingt und dem Arbeitgeber ein Verhalten in Aussicht gestellt wird, das zu schweren wirtschaftlichen Schäden führen kann (z.B. Androhung von Eigen- oder Massenkündigungen, Streik o.ä.), kann die Kündigung unter Umständen gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist aber, dass die Kündigung das einzige in Frage kommende Mittel ist, um den Schaden abzuwenden. Hierbei muss berücksichtigt werden, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst herbeigeführt hat. Wenn eine Änderungskündigung zur Abwendung des Schadens führen kann, ist eine Beendigungskündigung nicht erforderlich und wäre unwirksam.

3. Ankündigung einer Erkrankung

Die Erklärung eines Arbeitnehmers, er werde krank, wenn sein Urlaub nicht verlängert werde, obwohl er nicht krank ist, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben.

4. Freiheitsstrafe des Arbeitnehmers

Eine Freiheitsstrafe des Arbeitnehmers stellt einen personenbedingten Kündigungsgrund dar. Bei Entscheidung der Frage, ob eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung ausgesprochen werden soll, kommt es auf das Maß der betrieblichen Auswirkungen an.

5. Wegfalls der Aufenthalts- bzw. Arbeitserlaubnis

Das Verschweigen des Wegfalls der Aufenthalts- bzw. Arbeitserlaubnis erlaubt dem Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung.

IX. Umdeutung der außerordentlichen Kündigung

1. in ordentliche Kündigung

Die Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche zum nächstzulässigen Zeitpunkt ist möglich, wenn eindeutig erkennbar ist, dass der Kündigende das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall beenden will. Es ist also gemäß § 140 BGB darauf abzustellen, ob die Umdeutung dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und ob dieser Wille dem Gekündigten erkennbar ist. Das Gericht kann nicht von Amts wegen umdeuten. Dies ist nur möglich, wenn der Vortrag des Arbeitgebers im Prozess ergibt, dass er bei Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung zumindest eine ordentliche aussprechen wollte. Hat der Arbeitgeber schon hilfsweise den Betriebsrat zur ordentlichen Kündigung angehört, ist von seinem hypothetischen Willen auszugehen, das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall beenden zu wollen (streitig!). Daraus folgt im Umkehrschluss, dass eine – wenn auch nur hilfsweise gewollte – ordentliche Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrates unwirksam ist.

2. in Aufhebungsvertrag

Die Umdeutung einer unwirksamen fristlosen Kündigung in ein Angebot zur sofortigen einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist zulässig und möglich. Voraussetzung ist auch hier der mutmaßliche Wille zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter allen Umständen. Allerdings kommt nur dann ein Aufhebungsvertrag zustande, wenn der Kündigungsempfänger die Unwirksamkeit der Kündigung vergegenwärtigt und gleichwohl erkennt, dass der Kündigende ihm ein Angebot zur Vertragsaufhebung gemacht, welches er bereit ist, anzunehmen.

3. in Anfechtung

Die dem Arbeitsvertrag zugrunde liegenden Willenserklärungen der Parteien können gemäß den §§ 119, 123 BGB angefochten werden. Bei den Rechtsfolgen ist dabei aber auf die Besonderheiten des Arbeitsvertrages zu achten. So kann ein schon in Vollzug gesetzter Arbeitsvertrag grundsätzlich nicht mehr mit rückwirkender Kraft im Sinne des § 142 Abs. 1 BGB angefochten werden.

X. Außerordentliche Änderungskündigung

Eine Änderungskündigung ist auch als außerordentliche Kündigung zulässig. Ihre Wirksamkeit richtet sich danach, ob das Angebot des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis unter anderen Bedingungen fortzusetzen, rechtmäßig war. Dem Arbeitgeber muss die Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden und die alsbaldige Änderung notwendig sein. Dem Arbeitnehmer müssen die Neuerungen zumutbar sein. Alle Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Auch für die außerordentliche Änderungskündigung gilt die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Sie beginnt in dem Zeitpunkt der Arbeitgeberentscheidung, dass der Arbeitnehmer nicht mehr auf dem bisherigen Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden kann. Versucht der Arbeitgeber zunächst, dem Arbeitnehmer über sein Direktionsrecht eine andere Tätigkeit zuzuweisen, so hemmt das die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht.

Die Drei-Wochenfrist des § 4 S. 2 KSchG zur Anrufung des Arbeitsgerichts gilt für die außerordentliche Änderungskündigung aus wichtigem Grund entsprechend.

Wegen der analogen Anwendung des § 2 KSchG auf die außerordentliche Änderungskündigung muss der Arbeitnehmer die Annahme des Änderungsangebotes unter Vorbehalt bzw. seine Ablehnung nach Zugang der Kündigung unverzüglich erklären. Die widerspruchslose Weiterarbeit auf dem neuen Arbeitsplatz ist aber so lange keine vorbehaltlose Annahme des Änderungsangebotes, als der Arbeitnehmer noch rechtzeitig, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, einen Vorbehalt im Sinne des § 2 KSchG erklären kann (BAG a.a.O.).

Arbeitgeber dürfen auch ohne besonderen Anlass bereits ab dem ersten Krankheitstag ein ärztliches Attest fordern

Ist ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt, muss er gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) spätestens nach drei Kalendertagen eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber vorlegen. Der Arbeitgeber ist jedoch berechtigt, die Vorlage schon früher zu verlangen (§ 5 Abs. 1 S. 3 EFZG). Es ist bislang unter Juristen umstritten, ob der Arbeitgeber dafür einen besonderen Anlass braucht.

Das hat das Landesarbeitsgericht Köln in einem jetzt veröffentlichten Urteil verneint. Das Verlangen des Arbeitgebers, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon ab dem ersten Tag der Krankheit vorzulegen, bedarf danach weder einer Begründung noch ist die Aufforderung des Arbeitgebers vom Gericht auf „billiges Ermessen“ zu überprüfen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage wurde die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

In dem vom LAG Köln entschiedenen Fall hatte sich eine Arbeitnehmerin für den Tag krank gemeldet, für den sie vorher vergeblich eine Dienstreise beantragt hatte. Der Arbeitgeber hatte sie daraufhin aufgefordert, künftig am ersten Tag der Krankmeldung ein ärztliches Attest einzuholen und vorzulegen. Die Arbeitnehmerin sah das als sachlich ungerechtfertigt an.

LAG Köln, Urteil vom 14.09.2011, – 3 Sa 597/11 –

Quelle: LAG Köln PM Nr. 8 vom 14.12.2011

Kleinbetriebsklausel verstößt auch bei Unternehmen mit mehreren Betriebsstätten nicht gegen Art. 3 GG

Nach § 23 Abs. 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) genießen Arbeitnehmer in Betrieben, in denen in der Regel nur zehn oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt sind, keinen Kündigungsschutz. Die darin liegende Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern größerer und kleinerer Betriebe verstößt nicht gegen Art. 3 GG. Sie ist sachlich gerechtfertigt, weil Kleinbetriebe typischerweise durch enge persönliche Zusammenarbeit, geringere Finanzausstattung und einen Mangel an Verwaltungskapazität geprägt sind. Auch wenn ein Unternehmer mehrere Kleinbetriebe unterhält, werden die Zahlen der dort Beschäftigten nicht automatisch zusammengerechnet, wenn es sich tatsächlich um organisatorisch hinreichend verselbständigte Einheiten und deshalb um selbständige Betriebe handelt. Es ist aber sicherzustellen, dass damit aus dem Geltungsbereich des Gesetzes nicht auch Einheiten größerer Unternehmen herausfallen, auf die die typischen Merkmale des Kleinbetriebs (enge persönliche Zusammenarbeit etc.) nicht zutreffen. Das wiederum ist nicht stets schon dann der Fall, wenn dem Betrieb auch nur eines dieser typischen Merkmale fehlt. Maßgebend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.

Die Beklagte beschäftigte an ihrem Sitz in Leipzig mindestens acht, an ihrem Standort Hamburg sechs Arbeitnehmer. Im Januar 2006 setzte sie in Hamburg einen vor Ort mitarbeitenden Betriebsleiter ein, den sie – wie sie behauptet hat – bevollmächtigte, dort Einstellungen und Entlassungen vorzunehmen. Der Kläger war in der Betriebsstätte Hamburg seit 1990 als Hausmeister und Haustechniker tätig. Ein vergleichbarer Arbeitnehmer wurde im Jahr 2003 eingestellt, ist deutlich jünger als der Kläger und – anders als dieser – keiner Person zum Unterhalt verpflichtet. Im März 2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger unter Berufung auf betriebliche Gründe. Die Vorinstanzen haben der Klage wegen unzureichender Sozialauswahl stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Kündigungsschutzgesetz für anwendbar gehalten, weil die Kapitalausstattung der Beklagten nicht gering gewesen sei und ihr Geschäftsführer in Hamburg nicht mitgearbeitet habe.

Die Revision der Beklagten war vor dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolgreich. Sie führte zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist es im Streitfall nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, beide Betriebstätten auch dann als einheitlichen Betrieb im kündigungsschutzrechtlichen Sinne anzusehen, wenn sie organisatorisch selbständig sind. Ob dies zutrifft, bedarf weiterer Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 28.10.2010, – 2 AZR 392/08 –

Quelle: BAG PM Nr. 83/10 vom 28.10.2010

Zum Volltext der Entscheidung geht es hier.





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