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Flexible Arbeitszeiten – so bleiben Sie als Unternehmer wettbewerbsfähig

Vorbemerkung:
Nachfolgender Artikel stellt lediglich einen kurzen Überblick über verschiedene Formen der Arbeitszeitflexibilisierung dar. Er kann die individuelle Beratung nicht ersetzen.

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Unternehmen stehen oftmals vor dem Problem, vorübergehende Auftragsspitzen bewältigen zu müssen, ohne neue (unbefristete) Arbeitsverhältnisse begründen zu wollen, da der Bedarf halt nur vorübergehend ist. Der Ansatz muss dann lauten: Flexible Arbeitsbedingungen schaffen und die traditionellen, starren Arbeitszeitregelungen aufbrechen.

Hierzu stehen einige Möglichkeiten zur Verfügung (alphabetisch geordnet):

1. Abrufarbeit
Bei der Abrufarbeit arbeitet der Arbeitnehmer nur, wenn für ihn Arbeit anfällt und der Arbeitgeber ihn einbestellt. Die vorgeschriebene Abruffrist beträgt mindestens vier Tage (§ 12 Abs. 2 TzBfG). Im Gegenzug zur relativ flexiblen Verfügbarkeit garantiert der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Vorfeld ein Arbeitszeitkontingent von einer im Durchschnitt zu leistenden wöchentlichen Arbeitszeit (z. B. 30 Stunden). Ob diese mehr oder minder regelmäßig, in Blöcken oder am Stück abzuleisten ist, entscheidet der Arbeitgeber anhand des Arbeitsaufkommens. Im Ergebnis ist die Abrufarbeit daher ein effektives Instrument, um auf der einen Seite die Arbeitszeiten optimal an die betrieblichen Erfordernisse anzupassen und somit jede Form von Leerstand oder Überkapazität zu vermeiden und auf der anderen Seite Kosten einzusparen.

2. Amorphe Arbeitszeit
Bei diesem Modell wird nur das Volumen der vom Arbeitnehmer in einem bestimmten Zeitraum insgesamt geschuldeten Arbeitszeit festgelegt. Ihre konkrete Verteilung wird bewusst offen gelassen. Grenzen bilden lediglich die Arbeitszeit- und Arbeitsschutzgesetze. Die Rahmenbedingungen sollten in Betriebsvereinbarungen geregelt werden, falls Tarifverträge hierzu nichts enthalten.

Die vom Arbeitnehmer zu leistenden Arbeitsstunden werden auf einen Bemessungszeitraum bezogen (ein Jahr, ein  Monat, eine Woche oder ein Tag). Im Normalfall wird hierzu ein Arbeitszeitkonto geführt. 

Bei der amorphen Arbeitszeit sind sehr wenige Regelungsinhalte vorgegeben, so dass der Arbeitgeber schnell auf  Schwankungen im Arbeitsaufkommen reagieren kann. Er braucht den Personalstand nicht auf- und abbauen, da
die vorhandene Belegschaft in Zeiten hohen Arbeitsaufkommens länger und intensiver arbeitet und in Zeiten geringen
Anfalls nicht ihre – zumeist ineffektive – Mindestarbeitsstundenzahl im Unternehmen verbringen muss.

3. Arbeitsplatzteilung
Bei der Arbeitsplatzteilung wird zwischen dem sog. Job-Splitting und dem sog.Job-Sharing unterschieden. Beim Job-Splittingwird eine Vollzeit- in zwei selbstständige Teilzeitstellen geteilt. Beide neuen Teilzeitstellen sind zwei völlig voneinander unabhängige Arbeitsplätze.

Demgegenüber besteht beim Job-Sharing eine enge organisatorische und/oder inhaltliche Verknüpfung der Arbeitnehmer, die sich den Arbeitsplatz teilen (vgl. § 13 TzBfG). Beide Arbeitnehmer müssen nämlich den ihnen zugewiesenen Arbeitsplatz in gegenseitiger Abstimmung während der betriebsüblichen Arbeitszeit im Wechsel besetzen. Job-Sharing-Regelungen entlasten den Arbeitgeber, da die Arbeitnehmer für die Koordinierung der Arbeitszeiten verantwortlich sind.

4. Arbeitszeitkonten
Arbeitszeitkonten ermöglichen es den Arbeitsvertragsparteien, also Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die individuelle Arbeitszeit flexibel zu gestalten. Auf einem Zeitkonto des Mitarbeiters werden Plus- und Minusstunden zwischen vereinbarter und tatsächlich geleisteter Arbeitszeit saldiert. Dadurch können Zeitguthaben und -schulden entstehen, die jedoch innerhalb eines festgelegten Zeitraums wieder ausgeglichen werden müssen.

Eine Variante des Arbeitszeitkontos ist die sog. Ampelregelung. Bis zu einem gewissen Kontostand, etwa 30 Stunden plus oder minus, liegt das Arbeitszeitkonto im grünen Bereich. Der Arbeitnehmer entscheidet selbst, wann er den Ausgleich vornimmt. Danach kommt der gelbe Bereich, der bis zu einer festgesetzten Stundenzahl reicht (z.B. 40 Stunden plus oder minus). Hier ist der Arbeitnehmer angehalten, sich um einen sofortigen Ausgleich zu bemühen. Im roten Bereich (z.B. 50 Stunden plus oder minus) muss der Arbeitgeber dann den sofortigen Ausgleich herbeiführen.


a) Das bekannteste (Kurzzeit-)Arbeitszeitkonto ist die Gleitzeit.

Die einfachen Gleitzeitmodelle zeichnen sich dadurch aus, dass eine Anwesenheitspflicht des Arbeitnehmers nur  während bestimmter fester Kernarbeitszeiten (z.B. von 10.00 Uhr – 15.00 Uhr) besteht, während er ansonsten über die      außerhalb der Gleitzeitspannen liegenden Zeiträume im Wesentlichen frei disponieren kann. Die Dispositionsmöglichkeit  erstreckt sich je nach der konkreten Ausgestaltung entweder auf die Lage der täglichen Arbeitszeit (einfache Gleitzeit) oder aber auf Lage und Dauer der täglichen Arbeitszeit (Gleitzeit mit Zeitausgleich).

Eine noch größere Zeitsouveränität eröffnen sog.
qualifizierte Gleitzeitmodelle, bei denen die tägliche Kernarbeitszeit nicht festgelegt ist und der Arbeitnehmer über Lage und Dauer der wöchentlichen oder gar monatlichen  Arbeitszeit innerhalb gewisser Grenzen selbst bestimmen kann. 

Überstunden werden bei beiden Modellen gemäß einem vertraglichen Vergütungsmodus oder einer Freizeitregelung  ausgeglichen.


b) Auf
Langzeitkonten werden Arbeitszeitguthaben – wie der Name schon sagt – langfristig, gegebenenfalls sogar über Jahre, angespart. Das entstandene Arbeitszeitguthaben kann unterschiedlichen Zielen dienen, z.B. dem zeitweiligen Ausstieg aus dem Berufsleben, um einen sog. Sabbatical zu nutzen oder um in den vorzeitigen Ruhestand gehen zu können.


5. Schichtarbeit
Schichtarbeit bedeutet, dass die betriebliche Arbeitszeit (z.B. 24 h in der Produktion) in mehrere Zeitabschnitte aufgeteilt wird. Die Betriebszeit wird also über die individuelle Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers (z.B. 8 h) ausgedehnt, wodurch die Produktionszeiten verlängert werden können. Die Betriebszeit kann in Früh-, Spät-, Nacht- und Freischicht eingeteilt werden.
Schichtsysteme sind bei der individuellen Arbeitszeit noch ziemlich starr. Sie können aber mit anderen Arbeitszeitflexibilisierungen kombiniert werden. (z.B. können die Arbeitsvertragsparteien vereinbaren, dass der Arbeitnehmer regelmäßig eine flexible oder festgelegte Stundenzahl im Verhältnis zur tariflichen oder vertraglichen Arbeitszeit mehr oder weniger arbeitet, und dann das entstehende Zeitguthaben in Form einer sogenannten Ausgleichsschicht abrufen kann, usw.).

Die Gestaltung von Schichtarbeitssystemen ist jedoch sehr komplex. An dieser Stelle können daher nur einige Aspekte angesprochen werden. Letztendlich muss sie individuell angepasst werden.

6. Teilzeitarbeit
Teilzeitbeschäftigt ist ein Arbeitnehmer, dessen regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers (vgl. § 2 S. 1 TzBfG). Vergleichbar ist ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebes mit derselben Art des Arbeitsverhältnis und der gleichen oder einer ähnlichen Tätigkeit(vgl. § 2 S. 3 TzBfG).

Ist der Arbeitnehmer in seiner Entscheidung völlig frei, Umfang, Lage und Verteilung der Arbeitszeit zu variieren, handelt es sich um sog. qualifizierte Teilzeitarbeit. Wechseln sich dann auch noch Blöcke von Vollzeitarbeit mit längeren Freizeitblöcken ab, spricht man von Blockteilzeit.

Bei der Jahresteilzeit wird als Verteilzeitraum ein ganzes Jahr gewählt und als Stundenvolumen weniger als 100% vereinbart. Hierdurch kann auf saisonalen Arbeitsspitzen und Flauten bedarfsorientiert sehr gut reagiert werden. Außerdem hat der Arbeitnehmer ausreichende Planungssicherheit.

Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitsnehmer an, in jedem Jahr seine individuelle Wochenarbeitszeit aus einer Spanne zwischen 30 und 40 Stunden neu auszusuchen, handelt es sich um sog. Wahlteilzeitarbeit. Dabei können beide Seiten über eine Härtefallregelung die vereinbarte Zeit auch innerhalb des Jahres modifizieren, z.B. dann, wenn der Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen mehr oder weniger arbeiten muss, oder der Arbeitgeber, wenn sich die betrieblichen Rahmenbedingungen gravierend geändert haben.

Bei der Altersteilzeit halbieren Arbeitnehmer, die älter als 55 Jahre sind und innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit mindestens 1080 Tage versicherungspflichtig voll- oder teilzeitbeschäftigt waren, ihre Arbeitszeit, während ihr Nettogehalt nur um 30% sinkt. Außerdem erstattet der Arbeitgeber die Beiträge zur Rentenversicherung auf der Basis von 90% des bisherigen Bruttoentgelts.

Der Arbeitgeber kann bei der Agentur für Arbeit die Erstattung der gesetzlichen Aufstockungsleistungen zum Arbeitsentgelt und zur Rentenversicherung beantragen, wenn er den durch Altersteilzeit frei werdenden Arbeitsplatz mit einem Arbeitslosen wiederbesetzt. Bei Kleinbetrieben mit bis zu 50 Mitarbeitern können die Aufstockungsleistungen auch dann gewährt werden, wenn der Betrieb für den in Altersteilzeit Gehenden einen Auszubildenden einstellt. Alle Leistungen, die vom Altersteilzeitgesetz (§§ 4ff.) vorgesehen sind, können durch das Arbeitsamt maximal für sechs Jahre, längstens jedoch bis zum frühestmöglichen ungekürzten Rentenanspruch des Arbeitnehmers gewährt werden.Die Arbeitszeit kann im Verteilzeitraum unterschiedlich erbracht werden. Der Arbeitnehmer kann

  • den gesamten Zeitraum zu 50% arbeiten oder
  • die erste Hälfte zu 100% und die zweite Hälfte gar nicht oder
  • er kann auch schrittweise die Arbeitszeit verringern.

 

7. Telearbeit
Telearbeit ist eine Arbeitsform, bei welcher der Arbeitnehmer in der Regel in seiner Privatwohnung an mindestens einen Tag pro Woche unter Nutzung entsprechender technischer Geräten arbeitet. Dabei nutzt er eine Telekommunikationsverbindung zum Arbeitgeber, um seine Arbeitsergebnisse zu übermitteln. Die Arbeitszeit ist flexibel gestaltbar. Die Telearbeit ist relativ wenig verbreitet, obwohl sich aufgrund der heutigen technischen Möglichkeiten in fast allen Berufen Aufgaben ergeben, die sich hierfür eignen.

Arbeitgeber stellen häufig eine erhöhte Arbeitsproduktivität und ein Sinken des Krankenstandes fest. Die Unternehmen können ihren Kundenservice und insgesamt ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern, da durch die flexiblen Arbeitszeiten eine ständige Erreichbarkeit auch über die üblichen Bürozeiten hinaus gewährleistet werden kann.

Der Vorteil für den Arbeitnehmer liegt in der Möglichkeit zur Flexibilisierung der Arbeit und der Arbeitszeit. Er bestimmt selbst, wann, wie lange und wo er sein geschuldetes Arbeitspensum erbringt. Hinzu kommt der Wegfall des Arbeitswegs und das damit einhergehende Einsparen von Fahrzeiten und Kosten.

8. Vertrauensarbeitszeit
Bei diesem Modell verzichtet der Arbeitgeber auf die Kontrolle der Arbeitszeit. Die Arbeitnehmer entscheiden eigenverantwortlich, wann sie ihre Aufgaben erfüllen und erhalten im Rahmen der arbeits- und tarifvertraglichen Vereinbarungen volle Zeitsouveränität. So werden Leerzeiten vermieden und ergebnisorientiertes Arbeiten gefördert.

Klar ist, dass diese Variante der Arbeitszeitflexibilisierung nur in Unternehmen möglich ist, in denen hochqualifizierte Beschäftigte eine entsprechende Wertschätzung und Offenheit erfahren. Für die Arbeitnehmer ist interessant, dass bei diesem Modell ihr beruflicher Erfolg nicht von ihrer Anwesenheit abhängt, sondern ausschließlich von den Arbeitsergebnissen. Nachteil: Der Arbeitnehmer muss über eine hohe Eigenverantwortlichkeit verfügen, um seine Arbeitszeit zu planen.

Die Vertrauensarbeitszeit kann z.B. als Gleitzeit im Rahmen einer 37,5-Stunden-Woche ohne wöchentliche Zeiterfassung ausgestaltet sein oder als Arbeit ohne Zeitvorgabe und -erfassung, wie sie oftmals z. B. in Start-Up-Unternehmen praktiziert wird. Meist ist Vertrauensarbeitszeit aber in ein Personalkonzept eingebunden, das stark auf Zielvereinbarungen baut. Es steht somit die Ergebnis- und nicht die Zeitorientierung im Vordergrund.

Betriebsratswahl 2014: Was Sie jetzt wissen müssen

Die regelmäßigen Betriebsratswahlen finden alle vier Jahre in der Zeit vom 01.03. bis 31.05. statt (vgl. § 13 Abs. 1 BetrVG). Außerhalb dieser Zeit ist der Betriebsrat zu wählen, wenn u.a. im Betrieb ein Betriebsrat bisher nicht bestanden hat (vgl. § 13 Abs. 2 Ziff. 6 BetrVG), d.h. die erstmalige Wahl eines Betriebsrats kann jederzeit stattfinden. 

 

Der Betriebsrat besteht gem. § 9 BetrVG in Betrieben mit in der Regel

5 bis 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus einer Person,

21 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmern aus 3 Mitgliedern,

51 wahlberechtigten Arbeitnehmern bis 100 Arbeitnehmern aus 5 Mitgliedern,

101 bis 200 Arbeitnehmern aus 7 Mitgliedern,

201 bis 400 Arbeitnehmern aus 9 Mitgliedern,

401 bis 700 Arbeitnehmern aus 11 Mitgliedern,

701 bis 1000 Arbeitnehmern aus 13 Mitgliedern,

1001 bis 1500 Arbeitnehmern aus 15 Mitgliedern,

1501 bis 2000 Arbeitnehmern aus 17 Mitgliedern,

2001 bis 2500 Arbeitnehmern aus 19 Mitgliedern,

2501 bis 3000 Arbeitnehmern aus 21 Mitgliedern,

3001 bis 3500 Arbeitnehmern aus 23 Mitgliedern,

3501 bis 4000 Arbeitnehmern aus 25 Mitgliedern,

4001 bis 4500 Arbeitnehmern aus 27 Mitgliedern,

4501 bis 5000 Arbeitnehmern aus 29 Mitgliedern,

5001 bis 6000 Arbeitnehmern aus 31 Mitgliedern,

6001 bis 7000 Arbeitnehmern aus 33 Mitgliedern,

7001 bis 9000 Arbeitnehmern aus 35 Mitgliedern.

In Betrieben mit mehr als 9000 Arbeitnehmern erhöht sich die Zahl der Mitglieder des Betriebsrats für je angefangene weitere 3000 Arbeitnehmer um 2 Mitglieder.

 

Damit ein Betriebsrat gewählt werden kann, müssen in einem Unternehmen also mindestens 5 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sein. Wahlberechtigung liegt bei Vollendung des 18. Lebensjahres vor. Weitere Voraussetzungen bestehen nicht, so dass z.B. auch Minijobber, Auszubildende und sogar Leiharbeitnehmer wählen dürfen, sobald sie länger als 3 Monate im Betrieb eingesetzt werden (§ 7 BetrVG). Von den 5 Arbeitnehmern müssen mindestens 3 wählbar sein (s.a. § 1 BetrVG). Dies ist bei einer Betriebszugehörigkeit ab sechs Monaten der Fall (§ 8 BetrVG) und gilt auch für befristet Beschäftigte, deren Mandat als Betriebsrat aber mit Ablauf des befristeten Arbeitsvertrags endet. Leiharbeitnehmer sind nicht wählbar.

 

Leitende Angestellte sind weder wahlberechtigt noch wählbar, da auf sie das BetrVG nicht anwendbar ist (vgl. § 5 BetrVG). Der Grund liegt darin, dass sie Arbeitgeberfunktionen ausüben.

 

Die Wahl läuft wie folgt ab:

In kleinen Betrieben (5 bis 50 Mitarbeiter, vgl. § 14 a BetrVG) bestellt der bestehende Betriebsrat spätestens 4 Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit einen Wahlvorstand (vgl. § 17a i.V.m. § 16 Abs. 1 BetrVG). Das Arbeitsgericht bestellt ihn auf Antrag von mindestens 3 Wahlberechtigten (vgl. § 17a i.V.m. § 16 Abs. 2 BetrVG), wenn er 3 Wochen vor Ablauf der Amtszeit immer noch nicht bestellt ist. Der Wahlvorstand muss eine ungerade Zahl von Mitgliedern haben, im gesetzlich vorgesehenen Normalfall sind es drei (vgl. § 16 Abs. 1 BetrVG). Der Betriebsrat kann die Zahl der Wahlvorstandsmitglieder erhöhen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Wahl erforderlich ist (a.a.O., S. 2). 

In größeren Betrieben (mehr als 50 Mitarbeiter) beträgt die Bestellfrist längstens 10 Wochen vor Ablauf der Amtszeit und 8 Wochen für die Bestellung durch das Arbeitsgericht ( § 16 BetrVG).

 

Der Wahlvorstand stellt dann die Wählerliste auf und legt im Wahlausschreiben u.a. den genauen Zeitpunkt für die Wahlversammlung fest. Die für die Wählerliste erforderlichen Daten muss der Arbeitgeber dem Wahlvorstand zur Verfügung stellen. Der Arbeitgeber darf keine Kandidaten für die Betriebsratswahl vorschlagen. Er muss die Wahl dulden und darf sie weder behindern noch beeinflussen (vgl. § 20 BetrVG). Ansonsten macht er sich strafbar und die Wahl anfechtbar (vgl. § 19 BetrVG) oder sogar ungültig. 

Wahlvorstände haben ab dem Zeitpunkt ihrer Bestellung, Wahlbewerber ab Aufstellung des Wahlvorschlags besonderen Kündigungsschutz, d.h. sie dürfen grundsätzlich nur außerordentlich (= aus wichtigem Grund und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist) und mit vorheriger Zustimmung des Betriebsrats gekündigt werden. Ausnahmen bestehen nur bei Stilllegung des Betriebs oder einer Betriebsteils. Außerdem muss die außerordentliche Kündigung zumindest auch auf einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten beruhen. Eine bloße Verletzung der Amtspflicht als Wahlvorstand oder Wahlbewerber genügt nicht. Der besondere Kündigungsschutz endet mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Ab diesem Zeitpunkt besteht aber für weitere 6 Monate der sog. nachwirkende Kündigungsschutz. Auch in dieser Zeit darf also nur außerordentlich fristlos gekündigt werden, jetzt allerdings auch ohne Zustimmung des Betriebsrats (vgl. § 15 Abs. 3 KSchG).

Auch die Kündigung eines Arbeitnehmers, der zur Betriebswahl einlädt, ist vom Zeitpunkt der Einladung bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigt. Der Kündigungsschutz gilt für die ersten drei in der Einladung aufgeführten Arbeitnehmer. Wird ein Betriebsrat nicht gewählt, besteht der besondere Kündigungsschutz vom Zeitpunkt der Einladung an für 3 Monate (vgl. § 15 Abs. 3a KSchG).

 

Mitglieder des (dann gewählten) Betriebsrats dürfen nur außerordentlich (= aus wichtigem Grund) fristlos und mit Zustimmung des Betriebsrats respektive Ersetzung der Zustimmung durch gerichtliche Entscheidung gekündigt werden (vgl. § 15 Abs. 1 KSchG). Ausnahmen gelten nur bei Stilllegung des Betriebs oder eines Betriebsteils (vgl. § 15 Abs. 5 KSchG). Der besondere Kündigungsschutz eines Betriebsratsmitglieds besteht bis 1 Jahr nach Ablauf der Amtszeit (nachwirkender Kündigungsschutz, § 15 Abs. 2 S. 2 KSchG).

 

Die Kosten einer Betriebsratswahl hat der Arbeitgeber zu tragen (z.B. Kosten für die Beschaffung der Stimmzettel, Bereitstellung des Wahlraums, aber auch die Rechtsanwalts- und Gerichtskosten bei einer Wahlanfechtung, s. § 20 BetrVG). Versäumnisse von Arbeitszeit, die zur Ausübung des Wahlrechts, zur Betätigung im Wahlvorstand oder zur Tätigkeit als Vermittler (vgl. § 18 a BetrVG erforderlich sind, berechtigen den Arbeitgeber nicht zur Minderung des Arbeitsentgelts (§ 20 Abs. 3 BetrVG). Muss diese Tätigkeit außerhalb der Arbeitszeit stattfinden, besteht ein Anspruch auf Freizeitausgleich. Der Wahlvorstand ist allerdings gehalten, sich für die Wahrnehmung seiner Aufgaben beim Arbeitgeber abzumelden. Auch muss er mitteilen, wie lange er abwesend sein wird und wo er im Notfall erreicht werden kann. 

 

Die Sitzungen des Betriebsrats finden in der Regel während der Arbeitszeit statt (§ 30 S. 1 BetrVG). Die Betriebsratsmitglieder müssen also für die Betriebsratsarbeit freigestellt werden. Der Betriebsrat hat aber bei Ansetzung der Sitzungen auf die betrieblichen Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen (§ 30 S. 2 BetrVG). Die Betriebsräte müssen sich ab- und zurückmelden, dürfen wegen ihrer Tätigkeit aber weder bevorzugt noch benachteiligt werden. Während der Betriebsratstätigkeit ist ihre übliche Vergütung weiter zu zahlen.

 

Der Arbeitgeber muss die durch die Betriebsratstätigkeit entstehenden Kosten tragen, soweit sie erforderlich und verhältnismäßig sind (§ 40 BetrVG). Er muss z. B. Büromaterial und Gesetzestexte, Räume, Informations-und Kommunikationstechnik zur Verfügung stellen und Schulungskosten übernehmen. Die Erhebung von Beiträgen für Zwecke des Betriebsrates ist unzulässig (§ 41 BetrVG).

Müssen Arbeitnehmer an Karneval arbeiten?

Viele Arbeitnehmer meinen, der Arbeitgeber müsse ihnen an Karneval, insbesondere an Weiberfastnacht und Rosenmontag, frei geben. Doch dem ist nicht unbedingt so.

Zunächst einmal gilt, dass der Arbeitgeber seine Beschäftigten an gesetzlichen Feiertagen von der Arbeit freistellen muss. Weiberfastnacht und Rosenmontag sind aber keine Feiertage. Daher steht es grundsätzlich im Ermessen des Arbeitgebers, ob er seinen Mitarbeitern frei gibt oder nicht, ebenso, ob er die etwaige Freistellung vergütet oder nicht.

 

Etwas anderes kann sich aus einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung zu einzelnen Feier- und Brauchtumstagen, einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einer sogenannten betrieblichen Übung ergeben.

 

Eine Regelung im Arbeitsvertrag ist selbst im Rheinland eher selten. Gelegentlich enthalten Tarifverträge einschlägige Vorgaben, in denen schon einmal der Rosenmontag als arbeitsfreier Tag ausgewiesen ist. Ein Anspruch auf Freistellung kann sich zudem aus einer Betriebsvereinbarung ergeben, welche der Betriebsrat auf der Grundlage seines Mitbestimmungsrechts verlangen kann, da die Frage der Freistellung an Weiberfastnacht und Rosenmontag die „Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage“ betrifft (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG). Existiert eine derartige Betriebsvereinbarung, darf der Arbeitgeber selbst dann nicht zur Arbeitsleistung auffordern, wenn der Rosenmontagszug ausnahmsweise ausfällt.

 

Eine betriebliche Übung entsteht, wenn der Arbeitgeber regelmäßig – mindestens dreimal in Folge – ohne Vorbehalt bestimmte Verhaltensweisen wiederholt und die Arbeitnehmer daraus den Schluss ziehen können, die Leistung/Vergünstigung solle ihnen auf Dauer gewährt werden. Daher müssen Arbeitgeber, die ihren Angestellten mindestens drei Jahre hintereinander kommentarlos am Weiberfastnacht und/oder Rosenmontag freigegeben haben, dies auch in Zukunft tun, da die Arbeitnehmer einen Anspruch auf Freistellung erworben haben. Der Anspruch auf Arbeitsbefreiung wird in diesem Fall Bestandteil des Arbeitsvertrages, und zwar selbst dann, wenn der Rosenmontagszug ausnahmsweise ausfällt (s.o., wie bei der Betriebsvereinbarung).

 

Will der Arbeitgeber die betriebliche Übung vermeiden, muss er den Arbeitnehmern alljährlich klar machen, dass die Freistellung unter Vorbehalt steht und damit freiwillig erfolgt.

 

Für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes gelten v.g. Grundsätze nur eingeschränkt, da sie in aller Regel nicht darauf vertrauen dürfen, dass ihnen bisher gewährte zusätzliche Vergünstigungen weitergewährt werden.

 

Natürlich kann der Arbeitnehmer, wenn sich ein Anspruch auf Freistellung nicht ergibt, für Weiberfastnacht/ Rosenmontag Urlaub beantragen, der nur abgelehnt werden darf, wenn dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer entgegenstehen, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen (§ 7 BUrlG).

Der Arbeitnehmer sollte sich aber unbedingt davor hüten, einfach der Arbeit fern zu bleiben. Hier riskiert er arbeitsrechtliche Sanktionen wie Abmahnung oder, je nach Lage des Falles, sogar die (außerordentliche) Kündigung.

Als Arbeitgeber richtig kündigen

Das Wichtigste gleich vorweg: Für den Ausspruch der Kündigung genügt ein Satz! Es sollte keine Begründung gegeben werden, warum gekündigt wurde, allenfalls Hinweise darauf, dass der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört wurde und – um etwaigen Schadensersatzansprüchen vorzubeugen – der Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich umgehend arbeitslos/arbeitssuchenend zu melden.

Für den Arbeitgeber ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in der Regel erheblich schwieriger als für den Arbeitnehmer, jedenfalls dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) anzuwenden ist. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt und das zu kündigende Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht. Dann muss die Kündigung sozial gerechtfertigt sein, d.h. es muss ein personen-, verhaltens- oder betriebsbedingter Grund vorliegen. Mit anderen Worten: Für den Arbeitgeber ist die Anwendbarkeit des KSchG ungünstig. Zudem ist es ein Erfahrungssatz, dass bei Anwendbarkeit des KSchG der gekündigte Arbeitnehmer oftmals auch dann Kündigungsschutzklage erhebt, wenn er das Arbeitsverhältnis gar nicht fortsetzen will, sondern lediglich auf eine Abfindung spekuliert – und oftmals auch erhält.

Dies gilt insbesondere, wenn die Kündigung nicht „wasserdicht“ ist. Weiß der Arbeitgeber das, ist es ohnehin sinnvoll, dem Arbeitnehmer zunächst einen Aufhebungsvertrag – gegebenenfalls unter anwaltlichem Beistand – anzubieten, er vermeidet unnötige Kosten. Kommt er nicht zustande, kann der Arbeitgeber selbstverständlich immer noch kündigen. Tut er dies (mit nur einem Satz, s.o.!) so kann zur Kündigungserklärung und Schriftform, zum Zugang der Kündigung, zum Kündigungsgrund und zur Empfangsbestätigung auf die Ausführungen im Fachartikel „Als Arbeitnehmer richtig kündigen“ verwiesen werden, sie gelten entsprechend.

Mit der Kündigungsfrist verhält es sich indes anders:

Nach der Probezeit beträgt die gesetzliche Grundkündigungsfrist zwar auch für den Arbeitgeber vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Abs. 1 BGB). Sie verlängert sich aber,  je nachdem wie lange das Arbeitsverhältnis dauerte.

 

Hat es 

1. zwei Jahre bestanden: einen Monat zum Ende eines Kalendermonats,

2. fünf Jahre bestanden: zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats,

3. acht Jahre bestanden: drei Monate zum Ende eines Kalendermonats,

4. zehn Jahre bestanden: vier Monate zum Ende eines Kalendermonats,

5. zwölf Jahre bestanden: fünf Monate zum Ende eines Kalendermonats,

6. fünfzehn Jahre bestanden, sechs Monate zum Ende eines Kalendermonats,

7. zwanzig Jahre bestanden, sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats.

 

Falls vertraglich etwas anderes vereinbart wurde, dürfen die Kündigungsfristen für Arbeitnehmer nicht länger sein als für den Arbeitgeber. Besteht ein Tarifvertrag, gelten dessen Bestimmungen.

Natürlich kann auch bei der Arbeitgeberkündigung ein „wichtiger Grund“ zu einer außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers berechtigen. Hier ist dann die 2-Wochenfrist des § 626 BGB zu beachten.

Kommt das KSchG hingegen nicht zur Anwendung, kann der Arbeitgeber unter Beachtung der ordentlichen Kündigungsfrist relativ risikolos kündigen. Aus Beweisgründen sollte er die Kündigung aber durch einen Boten übergeben lassen oder persönlich unter Anwesenheit eines Zeugen übergeben respektive sich den Empfang schriftlich bestätigen lassen. Besteht ein Betriebsrat, muss er vor Ausspruch der Kündigung angehört werden. Handelt es sich bei dem zu Kündigenden um einen schwerbehinderten Menschen, muss das Integrationsamt der Kündigung zustimmen. 

 

 

 

 

Als Arbeitnehmer richtig kündigen

 

Das Wichtigste gleich vorweg: Für die Kündigung genügt ein Satz!  Ein Musterschreiben finden Sie unten!

 

Kündigungserklärung

Der Arbeitgeber muss durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die das Arbeitsverhältnis für die Zukunft sofort mit Zugang oder nach Ablauf einer Kündigungsfrist beenden soll, erfahren, dass der Arbeitnehmer das bestehende Arbeitsverhältnis beenden will. Irgendein Mitwirkungsakt des Arbeitgebers ist nicht erforderlich.

Das Kündigungsschreiben sollte klar und eindeutig sein. Ein Beendigungszeitpunkt, also zum Beispiel „zum 31.12.2013“ kann angegeben werden. Besteht Unsicherheit hinsichtlich der Kündigungsfrist, reicht es auch aus, „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“ zu kündigen.

 

Schriftform

Seit dem 01.05.2000 muss jede Kündigung schriftlich erfolgen (§ 623 BGB). Telefax, Telegramm, Email und SMS genügen daher nicht mehr. Dies bedeutet auch, dass die Kündigung eigenhändig oder per notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sein muss.

 

Zugang der Kündigung

Was hierfür erforderlich ist, hängt davon ab, ob die Kündigung unter Abwesenden oder Anwesenden ausgesprochen wurde. Unter Abwesenden muss sie derart in den Bereich des Arbeitgebers gelangen, dass er unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (Briefkasten, Postfach, o.ä.). Unter Anwesenden geht sie durch einfache Übergabe zu. Nicht zugegangen ist die Kündigung, wenn lediglich eine Kopie übergeben wird.

Der Einwurf in den Briefkasten sollte möglichst am frühen Morgen erfolgen, bevor er üblicherweise geleert wird. Sonst zählt womöglich erst der nächste Tag als Zugang. Damit kann sich schlimmstenfalls die Kündigungsfrist nach hinten verschieben.

 

Kündigungsfrist

Nach der Probezeit beträgt die gesetzliche Grundkündigungsfrist vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Abs. 1 BGB). Falls vertraglich etwas anderes vereinbart wurde, dürfen die Kündigungsfristen für Arbeitnehmer nicht länger sein als für den Arbeitgeber. Häufig wird auch eine dynamische Verlängerung der Frist vereinbart, die von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängt. Besteht ein Tarifvertrag, gelten dessen Bestimmungen. Ein „wichtiger Grund“ kann gegebenenfalls sogar zu einer fristlosen Eigenkündigung des Arbeitnehmers führen (z.B. bei Mobbing oder wenn längere Zeit das Gehalt nicht gezahlt wurde).

Kündigungsgrund

Grundsätzlich muss ein Kündigungsgrund nicht angegeben werden. Lediglich bei der außerordentlichen Kündigung kann dies der Fall sein, allerdings nur, wenn es verlangt wird (§ 626 Abs. 1 BGB).

Empfangsbestätigung

Eine Bestätigung betreffend den Erhalt der Kündigung ist üblich, aber rechtlich nicht erforderlich.

 

Musterkündigung für Arbeitnehmer zum Download

Eine Musterkündigung für Arbeitnehmer haben wir für Sie vorbereitet. Sie können sie hier herunterladen.

Trennungsgespräche richtig führen

Einleitung:

Nachfolgender Artikel geht zum einen von der Prämisse aus, dass Sie als Firmeninhaber oder entscheidungsbefugter Vorgesetzter die unternehmerische Entscheidung zu Rationalisierungsmaßnahmen getroffen haben, welche zum Wegfall von Arbeitsplätzen und daher zum Personalabbau führt. Zum anderen geht es aber auch um die Handhabung der Lösung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses aus Gründen, die in der Person oder im Verhalten des Mitarbeiters liegen. Zweck des Trennungsgespräches ist, den Schaden für das Unternehmen, den ausscheidenden Mitarbeiter, aber auch für die im Unternehmen verbleibenden Arbeitnehmer möglichst gering zu halten. Wenn Sie einfach kündigen und gegebenenfalls dem Mitarbeiter dann aus dem Weg gehen oder ihn freistellen, ist er in seinem Ego verletzt. Deshalb wird er die Kündigung nicht einfach hinnehmen, sondern Kündigungsschutzklage erheben. Und das Gerichtsverfahren – vielleicht auch durch zwei Instanzen – kostet Zeit, Geld und Nerven. Möglicherweise wird der Gekündigte auch die Kollegen demotivieren, indem er Sie schlecht macht und diese dann befürchten, irgendwann würden Sie mit ihnen auch so umgehen.

Natürlich ist ein Trennungsgespräch für die Beteiligten unangenehm, aber es ist eben auch ein probates Mittel, um gleich mehrere Ziele zu erreichen. Allerdings nur, wenn Sie inhaltlich und organisatorisch gut vorbereitet sind.

 

I. Vorbereitung des Trennungsgesprächs

1. Inhaltlich:

Überlegen Sie sich, welche stichhaltigen Kündigungsgründe Sie vorweisen können. Als alternatives Szenario sollten Sie zumindest gedanklich auch einen Aufhebungsvertrag vorbereiten. Bei weniger problembelasteten Trennungen – etwa zum Ende der Probezeit oder nach Auslauf eines befristeten Arbeitsvertrages – kann dies m.E. jedoch vernachlässigt werden. Jedenfalls muss dem Mitarbeiter unmissverständlich klar gemacht werden, dass es keine Alternative zur Trennung gibt. Die Gründe sollten zuvor arbeitsrechtlich geprüft worden sein, damit sie auch in einer etwaigen gerichtlichen Auseinandersetzung standhalten.

In der Vorbereitungsphase könnten Sie sich beispielsweise etwa folgende Fragen stellen:

    • Welcher Trennungsgrund liegt vor?
    • Wie will ich die Trennungsgründe kommunizieren? (was will ich überhaupt sagen – Stichworte!)
    • Soll bzw. will ich den Mitarbeiter über den Ablauf des gesamten Verfahrens der Trennung informieren (hier müssen Sie die Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen, ggf. machen Sie sich nämlich angreifbar!)?
    • Übergabe der Kündigung im Gespräch oder postalisch?
    • Anwesenheit des Mitarbeiters bis zum Ausscheiden, Freistellung, Urlaub, Überstunden, Urlaubs-/ Weihnachtsgeld, usw.
    • Alternative: Aufhebungsvertrag? Bejahendenfalls: Modalitäten?
    • Hilfsangebote (z.B. Übernahme in eine Auffanggesellschaft, Outplacementberatung)
    • Wie wirke ich möglichen emotionalen Reaktionen des Mitarbeiters entgegen? Wie reagiere ich auf seine Emotionen?
    • Wie gehe ich mit etwaigen Schuldzuweisungen des Mitarbeiters um? Wie werden die verbleibenden Mitarbeiter über die Kündigungen informiert?

 

2. Organisatorische Vorbereitung:

Das Gespräch sollten Sie in einem ruhigen Raum führen. Selbstverständlich muss es ungestört und ohne Zeitdruck erfolgen, sollte aber nicht länger als ca. 20 Minuten dauern. Oft ist es sinnvoll, je nach Position des Mitarbeiters weitere Personen mit Personal- und / oder Führungsfunktionen zum Trennungsgespräch hinzu zu bitten, gegebenenfallls sogar den Rechtsanwalt Ihres Vertrauens. Es kann aber auch vorteilhafter sein, das Gespräch mit dem betroffenen Mitarbeiter unter vier Augen zu führen (Einzelfallentscheidung!).

 

II. Durchführung des Trennungsgesprächs

1. Gesprächseröffnung und Ausspruch der Kündigung

Jeder einleitende Smalltalk verbietet sich angesichts dessen „was da kommt“. Der Mitarbeiter würde es Ihnen im Nachhinein übel nehmen. Sie sollten gleich auf den Punkt kommen und die Botschaft übermitteln. Empirischen Untersuchungen zufolge sollte die Trennung n den ersten drei bis fünf Sätzen klar und unmissverständlich ausgesprochen werden. Verzichten Sie also auf „Geschwafel“. (Formulierungsvorschlag z.B.: „Wir haben eine unangenehme Nachricht für Sie: Wir haben uns entschieden, Ihnen zum ……. zu kündigen.“).

 

2. Trennungsbegründung und Reaktion des Mitarbeiters

Nachdem die Kündigung ausgesprochen ist, legen Sie die Kündigungsgründe dar. Bei persönlichen Faktoren ist die Begründung schwieriger als bei wirtschaftlichen. Auf jeden Fall sollten Sie die Begründung spezifisch und individuell formulieren, um dem Mitarbeiter klar zu machen, warum es gerade ihn trifft. Erfahrungsgemäß ist der Mitarbeiter nun „angeschlagen“. Es folgen dann je nach Charakter unterschiedliche Reaktionen (Tränen, Schweigen, Wutausbruch). Hiermit ist dann professionell und souverän umzugehen. Geben Sie dem Mitarbeiter Zeit, die Fassung wiederzugewinnen und anschließend eine inhaltlich verständliche Erklärung. Auf keinen Fall sollten Sie sich aber auf eine Diskussion über die Auswahlkriterien, welche zur Kündigung führten, einlassen. Achten Sie auch darauf, nicht aus Mitleid ungewollte Zugeständnisse zu machen.

 

3. Das weitere Procedere

In der Regel möchte der Mitarbeiter nun wissen, wie es weitergeht. Da Sie sich insoweit vorbereitet haben, können Sie spätestens jetzt das Gespräch auf eine sachliche Ebene zurückführen. Geben Sie dann kurz alle Informationen, die notwendig sind (s.o. I.1.) Vielleicht stellen Sie sich bei einer betriebsbedingten Kündigung als Referenz zur Verfügung, offerieren Sie ein wohlwollendes Zeugnis. Falls der Mitarbeiter freigestellt wird, sollten Sie sich bei ruhiger und sachlicher Kommunikation umgehend die Büroschlüssel aushändigen lassen.

 

4. Gesprächsabschluss

Falls beabsichtigt, können Sie ankündigen, noch ein faires Trennungsangebot zu unterbreiten. Konkrete Verhandlungen sollten einem späteren Folgegespräch vorbehalten bleiben, da der Mitarbeiter hierzu unmittelbar nach Ausspruch der Kündigung wahrscheinlich noch nicht in der Lage sein wird. Natürlich haben Sie Ihr Angebot schon im Kopf. Gerade beim Trennungspaket können Sie Ihr Prozessrisiko minimieren (Zahlung einer Abfindung, aber auch freiwillige Leistungen wie Outplacement-Beratung, Zeit und Unterstützung für die berufliche Neuorientierung).

Zum Schluss suchen Sie mit dem Mitarbeiter nach einer gemeinsamen Sprachregelung gegenüber den Arbeitskollegen. So vermeiden Sie Gerüchte. Legen Sie auch gemeinsam fest, ob der Mitarbeiter zunächst seine Kolleginnen und Kollegen informiert oder ob Sie das mit oder ohne ihn übernehmen. Als verständnisvoller Chef bieten Sie dem Mitarbeiter dann an, nach Hause zu gehen.

 

Vorstehende Ausführungen stellen ein allgemeines Gerüst zum Thema „Trennungsgespräche“ dar, welches in jedem Einzelfall nach entsprechender Beratung angepasst werden muss. Seine Verwendung geschieht auf eigenes Risiko und unter jeglichem Haftungsausschluss unserer Kanzlei. Bitte kontaktieren Sie uns, wenn Sie Fragen haben.

Die personenbedingte Kündigung

I. Begriff

Voraussetzung für eine personenbedingte Kündigung i.S.d. § 1 Abs.2 S.1 KSchG ist, dass der Arbeitnehmer aufgrund persönlicher Fähigkeiten, Eigenschaften oder nicht vorwerfbarer Einstellungen nicht mehr in der Lage ist, künftig eine vertragsgerechte Leistung zu erbringen. Der Grund für die nicht vertragsgemäße Leistung liegt allein in der Sphäre des Arbeitnehmers bzw. seinen persönlichen Verhältnissen oder Eigenschaften. Wesensmerkmal ist also der Verlust der Fähigkeit oder der Eignung zur Erfüllung der geschuldeten Arbeitsleitung, welcher vom Arbeitnehmer nicht (mehr) gesteuert werden kann. Dabei ist die geschuldete Leistung individuell zu bestimmen. Bemüht sich der Arbeitnehmer ausreichend und unterschreitet er dennoch das Normalmaß, hat er lediglich die Erwartungshaltung des Arbeitgebers nicht erfüllt, nicht jedoch gegen den Arbeitsvertrag verstoßen.

Demgegenüber kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht, wenn dem Arbeitnehmer ein steuerbares Verhalten vorgeworfen werden kann, durch das er seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt.

Problematisch kann v.g. Abgrenzung sein, wenn es um die Kündigung eines leistungsschwachen Mitarbeiters geht (sog. low-performer) oder der Kündigungsgrund außerhalb des Vertrages liegt (z.B. Strafhaft). Die personenbedingte Kündigung erfordert auch keine vorherige Abmahnung, da letztere ein steuerbares Verhalten voraussetzt.

 

II. Einzelfälle

1. Einer der wichtigsten personenbedingten Kündigungsgründe ist die Alkoholsucht des Arbeitnehmers. Die Abhängigkeit ist als Krankheit im medizinischen Sinn zu bewerten, so dass auch die Grundsätze der krankheitsbedingten Kündigung anzuwenden sind. Im Rahmen der Abwägung der Interessen zwischen denen des Arbeitgebers an der Kündigung und denen des Arbeitnehmers am Erhalt des Arbeitsverhältnisses kann auch ein etwaiges Mitverschulden des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Nimmt er einen Entzug vor, muss der Arbeitgeber den Erfolg der Maßnahme abwarten, bevor er kündigt, es sei denn, es gäbe dringende betriebliche Gründe, den Arbeitsplatz auf Dauer anders zu besetzen. War ein Entzug zunächst erfolgreich, genügt ein Rückfall allein nicht für die negative Prognose, es sei auch künftig mit alkoholbedingter Arbeitsunfähigkeit zu rechnen. Ist der Arbeitnehmer indes nicht bereit, eine Therapie durchzuführen, darf unterstellt werden, dass er in absehbarer Zeit nicht von seiner Sucht geheilt werden kann. Auch ist die Schlussfolgerung auf fehlende Therapiebereitschaft zulässig, wenn er trotz entsprechender Gespräche mit dem Arbeitgeber über Fehlzeiten oder Betriebsstörungen seine Sucht verheimlicht. Erfolgt eine Therapie nach Ausspruch der Kündigung, führt dies nicht zu einer Berichtigung der Prognose.

2. Eine personenbedingte Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn dem Arbeitnehmer eine Erlaubnis fehlt, welche zur Berufsausübung erforderlich ist (z.B. Führerschein, Arbeitserlaubnis) und dem Arbeitnehmer dadurch die Erbringung der geschuldete Tätigkeit rechtlich – nicht tatsächlich – unmöglich wird. Denn der Arbeitgeber darf nicht gezwungen sein, eine Arbeitsleistung anzunehmen, der ein gesetzliches Verbot entgegensteht.

Für die soziale Rechtfertigung einer personenbedingten Kündigung kommt es immer darauf an, ob die Erlaubnis dauerhaft wegfällt, d.h. ob in absehbarer Zeit nicht mit ihrer Vorlage bzw. Ausstellung gerechnet werden kann. Hinzukommen muss, dass dem Arbeitgeber die Überbrückung des Zeitraums bis zur Erteilung unzumutbar oder unter Umständen sogar eine anderweitige Beschäftigung, welche ohne Erlaubnis vorgenommen werden kann, möglich ist.

3. Der häufigste Fall der personenbedingten Kündigung ist die krankheitsbedingte. Sie ist damit also keine eigenständige Kündigungsart, sondern ein Unterfall der personenbedingten. Ihr Ausspruch ist sowohl wegen als auch während der Krankheit zulässig. Sie kommt bei

  • häufigen Kurzerkrankungen,
  • Langzeiterkrankung,
  • krankheitsbedingter Leistungsminderung,
  • dauernder Arbeitsunfähigkeit

in Betracht.

 

a) Drei-Stufen-Prüfung

Die soziale Rechtfertigung der personenbedingten Kündigung wird nach der Drei-Stufen-Prüfung des BAG vorgenommen. Anschließend erfolgt die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.

 

aa) Zunächst wird das Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose geprüft. Sie liegt vor, wenn im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung beim Arbeitnehmer – abgestellt auf seine bisherige Tätigkeit – objektive Umstände vorliegen, welche die Besorgnis weitere krankheitsbedingter Fehlzeiten begründen. Nach dem Kündigungszugang eintretende neue Tatsachen dürfen nicht hinzugezogen werden. Wie die Umstände beschaffen sein müssen, ist vom Einzelfall abhängig. Herangezogen werden können vor allem Art, Dauer und Häufigkeit bisheriger Erkrankungen (z.B. Grippe, Bronchitis), es sei denn, sie sind ausgeheilt. Einmalige Ursachen und daraus entstandene Fehlzeiten (z.B. Arbeits- oder Sportunfall) bleiben unberücksichtigt. Haben allerdings in der Vergangenheit zahlreiche Unfälle des Arbeitnehmers zu den Fehlzeiten geführt, kann hieraus aber auf eine besondere Verletzungsanfälligkeit oder Unvorsichtigkeit geschlossen werden, so dass auch in Zukunft mit hohen Fehlzeiten zu rechnen ist. Bei einer schon krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit ist die negative Gesundheitsprognose indiziert. Eine solche kann aber nicht angenommen werden, wenn im Zeitpunkt des Zugangs einer ordentlichen Kündigung wegen lang andauernder Krankheit schon ein Kausalverlauf in Gang gesetzt war, der entgegen der Ansicht des behandelnden Arztes die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarere Zeit als sicher oder zumindest möglich erscheinen lässt.

Da nach Kündigungszugang eingetretene Umstände nicht berücksichtigt werden, ist auch unerheblich, ob der neue Kausalverlauf durch subjektiv vom Arbeitnehmer beeinflussbare Umstände (z.B. Änderung der Lebensführung) oder durch außerhalb seiner Einflusssphäre liegende Umstände (z.B. neue Heilmethode) ausgelöst wurde.

Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, sich vor Ausspruch der Kündigung über den Gesundheitszustand des Arbeitnehmers zu erkundigen. Dieser muss sich aber unter Umständen amtsärztlich untersuchen lassen und dabei auch die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden, zumindest dann, wenn es um die Feststellung der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit geht. Tut er dies nicht, ist gegebenenfalls die verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt. Hat sich der Arbeitnehmer geweigert, den Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden, darf er trotzdem im Kündigungsschutzprozess die negative Gesundheitsprognose unter Hinweis auf ein ärztliches Zeugnis bestreiten.

 

bb) Auf der 2. Stufe ist festzustellen, dass die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers führen.

Bei häufigen Kurzerkrankungen stehen erhebliche Störungen im Ablauf des Betriebs (z.B. Stillstand von Maschinen, Abzug von Arbeitnehmern aus anderen Bereichen) im Vordergrund, welche fehlen könne, wenn Ausfälle mit einer Personalreserve aufgefangen werden.

Bei lang anhaltenden Erkrankungen muss die unabsehbare Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu der erheblichen Beeinträchtigung führen.

Bei einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit kann regelmäßig von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Belange des Arbeitgebers ausgegangen werden. Steht fest, dass der Arbeitnehmer in den nächsten 2 Jahren arbeitsunfähig sein wird, kann es für den Arbeitgeber sinnvoll sein, eine Vertretung des zu beschäftigen.

Wirtschaftliche Belastungen entstehen gerade bei häufigen Kurzerkrankungen, da der Lohn bzw. das Gehalt weitergezahlt wird. Für die Kündigung ist dann bedeutsam, ob künftig immer wieder neue Lohnfortzahlungskosten entstehen, die im Jahr für mehr als zusammengerechnet sechs Wochen geleistet werden müssen.

 

cc) Da im Kündigungsrecht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt, ist auf der 3. Stufe zu prüfen, ob keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, um die Störungen im Arbeitsablauf zu beseitigen. In Betracht kommt z.B. die Einstellung von Aushilfen.

Bei lang anhaltender Krankheit kommt – als ultima ratio – nur dann eine Kündigung in Betracht, wenn dem Arbeitgeber Überbrückungsmaßnahmen nicht mehr möglich oder zumutbar sind (z.B. Aushilfen, Überstunden etc.). Bei langjährigen Mitarbeitern verlangt das BAG Überbrückungsmaßnahmen über einen längeren Zeitraum, auch die unbefristete Einstellung von Aushilfen. Ist die Arbeitsunfähigkeit arbeitsplatzbezogen, kommt neben der Weiterbeschäftigung auf einem freien leidensgerechten Arbeitsplatz auch diejenige auf einem solchen in Betracht, den der Arbeitgeber erst durch Ausübung seines Direktionsrechtes frei machen muss. Handelt es sich hierbei um eine Versetzung, muss er sich um die Zustimmung des Betriebsrats bemühen. Ein Zustimmungsersetzungsverfahren bei Verweigerung der Zustimmung ist aber nicht erforderlich.

Häufige Kurzerkrankungen verlangen kurzfristige Maßnahmen des Arbeitgebers, so dass sich hier die Frage nach milderen Mitteln häufig gar nicht stellt.

Seit dem 01.04.2004 gibt es ein sog. betriebliches Eingliederungsmanagment (§ 84 Abs. 2 SGB IX). Ist der Arbeitnehmer mehr als sechs Wochen im Jahr arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung bzw. der Schwerbehindertenvertretung, wie die Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt und eine neue verhindert werden kann. Kündigt der Arbeitgeber ohne Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagments, führt das aber nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit der Kündigung, da sie keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung der personenbedingten Kündigung ist (anders z.B. die vorherige Zustimmung zur Kündigung bei schwerbehinderten Menschen durch das Integrationsamt). Im Kündigungsschutzprozess kann der Arbeitgeber sich dann aber ggf. nicht pauschal darauf berufen, es seien keine alternativen Einsatzmöglichkeiten bekannt.

Die zuletzt vorzunehmende Interessenabwägung muss ergeben, dass die erheblichen Beeinträchtigungen zu einer Belastung des Arbeitgebers führen, die billigerweise nicht mehr von ihm hingenommen werden muss. Hierbei ist insbesondere zu bedenken, ob die Erkrankung ihre Ursache im betrieblichen Bereich hat und ob bzw. wie lange das Arbeitsverhältnis zuvor ungestört verlaufen ist. Zu berücksichtigen sind ferner die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter und Familienstand, etwaige Unterhaltspflichten und eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers. Wichtig ist auch, ob der Arbeitgeber Personalreserven vorhält. Dies steht zwar in seiner freien unternehmerischen Entscheidung. Führt aber eine fehlende, bei geordneter Betriebsführung gebotene Personalreserve zu erheblichen Betriebsbelastungen, kann dies zu Lasten des Arbeitgebers gehen. Hat er jedoch eine und kommt es durch übermäßige Ausfälle zu Betriebsbelastungen, so ist dies zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. Die übliche Personalreserve bemisst sich nach dem durchschnittlichen Krankenstand im Betrieb.

Lohnfortzahlungskosten müssen außergewöhnlich hoch sein, um für sich allein die weitere Beschäftigung des Arbeitnehmers unzumutbar zu machen. Dies ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der Fall, wenn sie für sechzig Arbeitstage im Jahr erfolgt.

Für die Prüfung, ob dem Arbeitgeber die Belastung mit Lohnfortzahlungskosten noch zumutbar ist, ist die Ausfallquote von Arbeitnehmern mit vergleichbaren oder ähnlichen Arbeitsbedingungen maßgeblich. Haben auch diese einen besonders hohen Krankenstand, kann nur eine ganz erhebliche höhere Ausfallquote die Kündigung rechtfertigen, und dies auch nur dann, wenn Überbrückungsmaßnahmen des Arbeitgebers nicht erfolgreich oder nicht zumutbar waren.

Bei dauernder Leistungsunfähigkeit kann der Arbeitnehmer den Arbeitgeber nicht daran hindern, einen anderen Arbeitnehmer mit seiner Tätigkeit zu betrauen. Da dem Arbeitnehmer die Arbeitsleistung unmöglich wird, ist in aller Regel von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen.

Macht der Arbeitnehmer nach einer wirksamen krankheitsbedingte Kündigung einen Wiedereinstellungsanspruch geltend, so muss er eine positive Gesundheitsprognose vorweisen. Es genügt nicht, wenn er lediglich Tatsachen vorträgt, welche die negative Gesundheitsprognose erschüttern. Tritt die grundlegende Gesundung erst lange nach der wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein, so kann er daher eine Wiedereinstellung nicht verlangen.

Die Kündigung von Betriebsräten

Einleitung:

Betriebsräte gelten trotz der inzwischen eingetretenen Diskussion immer noch als sakrosankt, als absolut unkündbar. Richtig ist zwar, dass sie neben weiteren betriebsverfassungsrechtlichen Organen, nämlich den Mitgliedern

  • einer Jugend- und Auszubildendenvertretung,
  • einer Bordvertretung oder eine Seebetriebsrates,
  • von Wahlvorstand und auch Wahlbewerbern sowie
  • der Schwerbehindertenvertretung im Unternehmen,

oder

  • als sog. nachrückendes Betriebsratsmitglied ab dem Zeitpunkt des Nachrückens (selbst dann, wenn ein Nachrücken zwar nicht erfolgte, aber dieser Mitarbeiter Tätigkeiten quasi als Betriebsratsmitglied wahrgenommen hat)

oder

  • als Ersatzmitglied, das einmalig an einer ordentlichen Betriebsratssitzung teilgenommen hat,

Sonderkündigungsschutz genießen und daher vor Kündigungen weitestgehend, aber eben nicht vollständig, geschützt sind.

 

Voraussetzungen der Kündigung:

1. Ordentliche Kündigung 

Die ordentliche Kündigung einzelner Betriebsratsmitglieder ist grundsätzlich unzulässig (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 KSchG, § 103 BetrVG). Zudem genießt das Betriebsratsmitglied Kündigungsschutz gegen eine ordentliche Kündigung sogar bis zu einem Jahr nach Beendigung seiner Amtszeit (vgl. § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG). Es wird also deutlich, dass die ordentliche Kündigung dieses Mitarbeiters für den Arbeitgeber erheblich erschwert wird.

 

Eine Ausnahme gilt für die Betriebsstillegung. Denn hierdurch wird auch die Existenz des Betriebsrates beendet, mit der Folge, dass auch die Kündigung seiner Mitglieder möglich wird, da für sie dann kein Bedarf mehr besteht (vgl. § 15 Abs. IV KSchG). Zu berücksichtigen sind dann lediglich die Voraussetzungen, welche bei ordentlichen Kündigungen immer vorliegen müssen, nämlich

  • Betriebsratsanhörung gemäß § 102 BetrVG und selbstverständlich
  • die Einhaltung der Kündigungsfrist.

Das Betriebsratsmitglied kann auf sein Sonderkündigungsrecht nicht generell verzichten. Erfolgt der Verzicht aber erst nach Zugang der Kündigung, so beinhaltet er auch gleichzeitig das Einverständnis, das Arbeitsverhältnis zum genannten Termin enden zu lassen.

Wichtig:

Da § 15 KSchG nur ein Verbot für eine ordentliche Kündigung vorsieht, greift die Vorschrift nicht für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf andere Weise. Es bestehen folgende Möglichkeiten:

Anfechtung

Der Arbeitgeber kann seine Willenserklärung, die zum Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Mitarbeiter und späteren Betriebsratsmitglied führte, anfechten, wenn der Arbeitnehmer im Vorstellungsgespräch über maßgebliche Tatsachen arglistig getäuscht hat und aufgrund dessen eingestellt wurde. Maßgebliche und im Vorstellungsgespräch verschwiegene Tatsachen können auch dann zu einer Anfechtung führen, wenn der Mitarbeiter vor Bekanntwerden der bedeutsamen verschwiegenen Tatsachen in den Betriebsrat gewählt wurde und zum Zeitpunkt der Anfechtung bereits Betriebsratsmitglied ist.

Befristung

Steht der zwischenzeitlich in den Betriebsrat gewählte Arbeitnehmer lediglich in einem befristeten Arbeitsverhältnis, so wandelt es sich wegen der Betriebsratswahl deshalb nicht automatisch in ein unbefristetes. Läuft der Arbeitsvertrag aus, hat der Mitarbeiter, d.h. das Betriebsratsmitglied, keinen Anspruch auf eine unbefristete Beschäftigung.

Ausnahme: Auszubildender, der in der Jugend- und Auszubildendenvertretung ist und nach der Ausbildung übernommen wird. Dieser kann auf einen unbefristeten Arbeitsvertrag bestehen.

Direktionsrecht

Anweisungen des Arbeitgebers bzw. einzelne Arbeitsbedingungen, die er aufgrund seines Direktionsrechtes einseitig im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses abändern darf, betreffen auch ein Mitglied des Betriebsrates und müssen von diesem befolgt werden. Zudem greift das Kündigungsschutzrecht gemäß § 15 KSchG hier nicht.

Die Versetzung eines Arbeitnehmers, der Betriebsratsmitglied ist, kann nur mit Zustimmung des Betriebsrates erfolgen (vgl. § 103 Abs. 3 BetrVG). Lediglich die Einwilligung des Mitarbeiters zur Versetzung macht die Zustimmung entbehrlich. Verweigert der Betriebsrat sie, kann sie durch das Arbeitsgericht ersetzt werden, sofern dringende betriebliche Gründe die Versetzung unumgänglich machen (vgl. § 103 Abs. 3 BetrVG). Hierbei ist eine Abwägung der beiderseitigen Interessen erforderlich.

Erreichen einer Altersgrenze

Hat der Mitarbeiter zwischenzeitlich eine Altersgrenze erreicht und endet somit seine Mitarbeit, so besteht auch kein Sonderkündigungsschutz als Betriebsratsmitglied mehr.

 

2. außerordentliche Kündigung

Der Arbeitgeber darf einem Arbeitnehmer, der gleichzeitig Betriebsratsmitglied ist, außerordentlich kündigen, wenn ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 BGB vorliegt. Der Betriebsrat als Gremium muss der Kündigung aber zustimmen. Tut er dies nicht, muss die Zustimmung im sogenannten Zustimmungsersetzungsverfahren durch einen Spruch des Arbeitsgerichts eingeholt werden.

 

3. So lange ist das Betriebsratsmitglied vor der Kündigung „geschützt“

Das Sonderkündigungsrecht für Betriebsratsmitglieder besteht für die Dauer ihrer regelmäßig vierjährigen Amtszeit. Auch ein Wahlbewerber genießt bereits ab Aufstellung des Wahlvorschlags – also vor seiner Wahl – den Sonderkündigungsschutz (vgl. § 15 Abs. 3 KSchG), welcher aber aufgrund der Beendigung des Amtes in folgenden Fällen wegfallen kann, wenn

  • das Amt des Betriebsrates niedergelegt wird,
  • der Verlust der Wählbarkeit vorliegt,
  • der Ausschluss aus dem Betriebsrat vorliegt,
  • der Betriebsrat aufgrund einer Gerichtsentscheidung aufgelöst wurde oder die gerichtliche Entscheidung über den Verlust der Wählbarkeit vorliegt. Mit Rechtskraft des Urteils endet der Sonderkündigungsschutz.

 

b) Hat der Betriebsrat aufgrund einer Betriebsspaltung oder einer Betriebszusammenlegung ein Übergangsmandat gemäß § 21a BetrVG, so behalten alle Betriebsratsmitglieder ihr Amt und damit ihren Sonderkündigungsschutz gemäß § 15 Absatz 1 KSchG. Auch wenn der Betriebsrat aufgrund von Stilllegung, Zusammenlegung oder Schließung vor einem Untergang des Betriebes steht, behält der Betriebsrat im Rahmen des bestehenden Restmandats für die Dauer des Bestandes des Betriebsrates seinen Sonderkündigungsschutz.

 

c) Ist die Amtszeit des Betriebsratsmitgliedes abgelaufen, besteht für ein Jahr der so genannte nachwirkende Kündigungsschutz (vgl. § 15 Abs. 1 S. 2 KSchG). Dessen Dauer hängt nicht von der Beendigung der Amtszeit, sondern von der individuellen Amtszeit des Mitarbeiters ab. Die außerordentliche fristlose Kündigung kann in der sog. Abkühlphase weiterhin ausgesprochen werden. Der Vorteil für den Arbeitgeber besteht darin, dass ihr der Betriebsrat nicht mehr zustimmen muss (vgl. § 103 BetrVG). Gleichwohl ist seine Anhörung nach § 102 BetrVG selbstverständlich weiterhin erforderlich.

Der nachwirkende Kündigungsschutz muss auch bei nachrückenden Ersatzmitgliedern berücksichtigt werden, auch wenn sie (nur) ein verhindertes Betriebsratsmitglied vorübergehend vertreten haben. Das Gleiche gilt für einen Mitarbeiter, der nur vorübergehend für kurze Zeit ein Betriebsratsmitglied vertreten und die Tätigkeit danach wieder niedergelegt hat, unabhängig von der Dauer der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied.

 

4. Die wichtigsten Kündigungsgründe für unkündbare Betriebsräte

Wie wir gesehen haben, ist die Kündigung eines Betriebsrates schwierig, aber nicht unmöglich. In folgenden Fällen hat sie vor Gericht „gehalten“, und zwar sogar als außerordentlich fristlose Kündigung:

  • schwere Beleidigung des Arbeitgebers oder eines Vorgesetzten;
  • Vermögensdelikte zum Nachteil des Arbeitgebers (z.B. Betrug, Diebstahl);
  • Fälschung eines ärztlichen Attestes, um eine Erkrankung vorzutäuschen (stellt letztlich auch einen Betrug dar);
  • Behauptung der BR-Tätigkeit, tatsächlich geht das BR-Mitglied in dieser Zeit aber rein privaten Interessen nach (auch hier: Betrug zum Nachteil des Arbeitgebers);
  • Parteipolitische Aktivität, wenn das Betriebsratsmitglied Versammlungen zu aggressiver Werbung für die Partei nutzt;
  • Privattelefonate in erheblichen Umfang mit entsprechenden Kosten;
  • Verdacht einer Straftat, wenn gravierende Verdachtsmomente vorliegen;
  • Aufhetzen von Mitarbeitern oder Anstiftung zum Lügen gegenüber dem Arbeitgeber;
  • Handgreiflichkeiten gegenüber Arbeitskollegen.

 

Fazit zur Kündigung von Betriebsräten: 

Die Trennung von einem Arbeitnehmer, der gleichzeitig Betriebsratsmitglied ist, ist durchaus möglich. Zudem bestehen neben v.g. Möglichkeiten weitere Optionen, welche indes immer einzelfallbezogen geprüft werden und zwingend der individuellen Beratung vorbehalten bleiben müssen. Die Frage ist immer, wie schwerwiegend ist ein Vorfall, um die Trennung von einem Betriebsratsmitglied herbeizuführen.

Die außerordentliche Kündigung (oder auch: die Kündigung aus wichtigem Grund)

 

I. Allgemeines

Das Recht der außerordentlichen Kündigung ist abgesehen von wenigen Ausnahmen (Handelsvertreter gem. § 89 a HGB, Besatzungsmitglied und Kapitän in der Seeschifffahrt gem. §§ 64-68, 78 SeemannsG, Auszubildende gem. § 22 Abs. 2 BBiG) ausschließlich in § 626 BGB geregelt. Danach können sich sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer bei unzumutbarer Belastung vom Arbeitsverhältnis lösen. Die Vorschrift lautet:

 

§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

 

Meistens erfolgt die außerordentliche Kündigung fristlos, d.h. mit sofortiger Wirkung, es kann aber auch aus wichtigem Grund mit einer (sozialen Auslauf-) Frist gekündigt werden. Hierbei ist aber zu beachten, dass umso eher die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist entfällt, je mehr die tatsächliche Weiterbeschäftigung der Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist entspricht oder sie sogar überschreitet. Auch wenn der Arbeitgeber nicht fristlos, sondern unter Einhaltung einer Frist kündigt, verliert die Kündigung nicht den Charakter der außerordentliche Kündigung, wenn dem gekündigten Arbeitnehmer klar erkennbar ist, dass ihm aus wichtigem Grund gekündigt wird.

 

Wichtig: Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist für beide Arbeitsvertragsparteien unabdingbar, kann also nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Eine Beschränkung oder eine unzumutbare Erschwerung des fristlosen Kündigungsrechtes ist ebenso unzulässig.

Der Kündigende ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, welche als wichtige Gründe geeignet sein können, die Grundlage für die Kündigung zu bilden.

II. Wichtiger Grund

1. Begriff

Es gibt keine absoluten wichtigen Gründe, wohl aber typische Sachverhalte, die an sich geeignet sind, einen wichtigen Grund darzustellen. Die Rechtssprechung konkretisiert den wichtigen Grund durch eine abgestufte Prüfung. Auf der ersten Stufe wird geprüft, ob ein bestimmter Sachverhalt an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben. Ist das der Fall, wird auf der zweiten Stufe untersucht, ob die konkrete Kündigung nach einer Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalls als gerechtfertigt angesehen werden kann. Das ist nur der Fall, wenn die außerordentliche Kündigung die unausweichlich letzte Maßnahme (ultima ratio) ist, d.h., wenn mildere Mittel wie Abmahnung, Versetzung, außerordentliche Änderungskündigung, ordentliche Beendigungskündigung, unzumutbar sind.

Es ist also immer eine Einzelfallprüfung erforderlich. Kataloge “wichtiger Gründe“ müssen demnach mit Vorsicht behandelt werden, da die Sachverhalte meist nicht identisch sind. Nachfolgende, exemplarisch genannten Gründe (Quelle: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 626 BGB) können gegebenenfalls einen wichtigen Grund darstellen, müssen es aber nicht zwangsläufig. Sie dürfen daher nicht unbesehen übernommen werden, sondern dienen nur als Richtschnur.

Eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber ist z.B. denkbar bei

 – Verstoß gegen ein Alkoholverbot,

– Strafanzeige gegen Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen,

– fehlende bzw. weggefallene Arbeitsgenehmigung bei Nicht-EU-Nationalität,

– Arbeitsverweigerung,

– Beleidigungen und Verleumdungen,

– Eigentumsdelikte wie z.B. Diebstahl, Betrug, Unterschlagung (problematisch bei Entwendung geringwertiger Güter, da eine Interessenabwägung u.U. auch zugunsten des Arbeitnehmers ausfallen kann, vgl. die „Emmely-Entscheidung“ des BAG v. 10.06.2010, – 2 AZR 541/09 -, Anm. d. Autors)

– fehlende Fahrerlaubnis als Voraussetzung der Berufsausübung (z.B. Berufskraftfahrer),

– Geschäfts-/Rufschädigung,

– Konkurrenztätigkeit,

– Körperverletzungen gegenüber Arbeitgeber, seiner Familie oder Kollegen,

– Manipulation an der Zeiterfassung („Stempelkarte“),

– Mobbing,

– Nebentätigkeit bei anderem Arbeitgeber während einer attestierten Arbeitsunfähigkeit,

– Nötigung/Erpressung des Arbeitgebers,

– sexuelle Belästigung,

– strafbare Handlungen gegen den Arbeitgeber,

– unentschuldigtes Fehlen,

– unerlaubte Nutzung von Betriebsmitteln,

– Unpünktlichkeit, wenn sie den Grad einer beharrlichen Verweigerung der Arbeitsleistung erreicht haben,

– Untersuchungshaft, Freiheitsstrafe, abhängig vom Ausmaß der betrieblichen Auswirkung,

– Urlaubsüberschreitung, Selbstbeurlaubung,

– Vermögensdelikte, Spesenbetrug,

– Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen,

– Verstöße gegen die betriebliche Ordnung,

– Vortäuschen und Androhung einer Erkrankung.

Eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitnehmer ist z.B. denkbar bei

– Missachtung der Arbeitsschutzvorschriften durch den Arbeitgeber,

– Beleidigungen und Verdächtigungen,

– Lohnrückstände,

– Nichtabführung einbehaltener Lohnsteuer- und Sozialversicherungsbeiträge über längeren Zeitraum (1 Jahr).

2. Beurteilungszeitpunkt

Der wichtige Grund muss im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung vorliegen. Gründe, die bei Ausspruch der Kündigung vorlagen, dem Kündigenden aber nicht bekannt waren, können auch noch während des arbeitsgerichtlichen Verfahrens zur Stützung der Kündigung nachgeschoben werden. Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist dabei unbeachtlich (BGH v. 20.06.2005, NZA 2005, 1415). Dagegen ist ein Nachschieben von Kündigungsgründen, die erst nach der Kündigung entstanden sind, nicht zulässig. Sie können nur für eine neue Kündigung herangezogen werden.

3. Darlegungs- und Beweislast

Das Vorliegen des wichtigen Grundes hat der Kündigende darzulegen und zu beweisen (BAG v. 28.02.2002, NJW 2003, 431). Vom Kündigungsgegner behauptete Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe muss der Kündigende widerlegen (BAG v. 17.06.2003 APO ZPO 1977 § 543 Nr. 13; a.A. LAG SH v. 18.01.2005 NZA-RR 2005, 367).

4. Interessenabwägung

Die Interessen beider Parteien sind gegenüber zu stellen. Es ist also das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an der Fortführung abzuwägen. Dabei können etwa von Bedeutung sein:

– Art und Schwere der Verfehlung,

– Wiederholungsgefahr,

– Grad des Verschuldens (vgl. BAG v. 10.11.2005 NZA 2006, 491),

– Lebensalter des Arbeitnehmers,

– anderweitige persönliche Umstände des Arbeitnehmers (z.B. Unterhalspflichten, Dauer der Betriebszugehörigkeit, letztere auch bei Vermögensdelikten zum Nachteil des Arbeitgebers, vgl. BAG v. 27.04.2006 NZA 2006, 1033),

– Folgen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses,

– Größe des Betriebes.

Die Voraussetzungen für die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung hat der Kündigende in vollem Umfang darzulegen und zu beweisen.

5. Ultima ratio

Wie wir bereits gesehen haben (s. o. II. 1.), muss die außerordentliche Kündigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die unausweichlich letzte Maßnahme (ultima ratio) des Kündigenden sein. Mildere Mittel wie Abmahnung, Versetzung, außerordentliche Änderungskündigung, ordentliche Beendigungskündigung scheiden als unmöglich oder unzumutbar aus. Der Arbeitgeber hat auch vor jeder außerordentlichen Beendigungskündigung von sich aus dem Arbeitnehmer eine zumutbare Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz – auch zu geänderten Bedingungen – anzubieten.

6. Abmahnung

Für Arbeitsverhältnisse besteht die Notwendigkeit der Abmahnung. Pflichtwidrigkeiten im Leistungs- und Verhaltensbereich muss grundsätzlich eine Abmahnung vorausgehen, ehe sie zum Anlass einer fristlosen Kündigung genommen werden können. Wenn indes im Einzelfall Umstände vorliegen, die eine Abmahnung als nicht erfolgversprechend erscheinen lassen, kann sie wegen einer Pflichtwidrigkeit im Leistungs- und Verhaltensbereich unterbleiben. Tätlichkeiten oder Beleidigungen unter Kollegen sind ohnehin nicht dem Leistungsbereich zuzuordnen und können folglich eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen (BAG v. 06.10.2005 NZA 2006, 431). Auch ist sie in dem Fall nicht erfolgversprechend, wenn der Arbeitnehmer erkennbar nicht in der Lage oder nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nutzt ein Arbeitnehmer z.B. das Internet während der Arbeitszeit exzessiv, so muss ihm klar sein, dass er hierdurch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erheblich verletzt. Eine Abmahnung ist dann entbehrlich (BAG v. 07.07.2005 NZA 2006, 98).

Auch besonders schwere Verstöße bedürfen keiner Abmahnung, weil der Arbeitnehmer nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewusst sein muss, seinen Arbeitsplatz zu riskieren (BAG v. 02.03.2006 NZA-RR 2006, 636). Dementsprechend ist auch eine vorherige Abmahnung bei einer Störung im Vertrauensbereich in der Regel entbehrlich. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitnehmer annehmen durfte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als ein erhebliches Fehlverhalten angesehen.

7. Ordentlich unkündbare Arbeitnehmer

a) Grundsatz

Ist die ordentliche Kündigung tarif- oder einzelvertraglich ausgeschlossen, so ist im Rahmen der Interessenabwägung bei einer vom Arbeitgeber erklärten außerordentlichen Kündigung nicht auf die fiktive Frist für die ordentliche Kündigung, sondern auf die tatsächliche noch künftige Vertragsbindung abzustellen.

b) Betriebsstilllegung

Bei tariflichem Ausschluss einer ordentlichen Kündigung ist eine Betriebsstilllegung geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Es ist dann die gesetzliche oder tarifvertragliche Kündigungsfrist einzuhalten, die gelten würde, wenn die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen wäre. Zwar rechtfertigt eine Betriebsstilllegung in der Regel nur ein ordentliche Kündigung. Dies gilt aber nicht, wenn sie von vornherein ausgeschlossen und eine Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens nicht möglich ist. Der Wegfall des Arbeitsplatzes wegen innerbetrieblicher Umgestaltung der Arbeitsabläufe rechtfertigt in der Regel keine außerordentliche Kündigung. Vor Ausspruch einer solchen Kündigung muss der Arbeitgeber alle betrieblichen Möglichkeiten und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, die eine Weiterbeschäftigung ermöglichen. Dazu gehört auch die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs.

c) Krankheit

Krankheit kann grundsätzlich auch ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB sein. Zwar wird schon bei einer ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung ein strenger Maßstab angelegt. Dies schließt aber nicht aus, dass in gewissen Ausnahmefällen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB sein kann. Da die Einhaltung der Kündigungsfrist eigentlich immer zumutbar sein dürfte, wird dies allerdings nur bei einem tarif- oder einzelvertraglichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung in Frage kommen.

Kann der Arbeitnehmer krankheitsbedingt nicht an seinem bisherigen Arbeitsplatz weiterarbeiten und ist ein gleichwertiger, leidensgerechter Arbeitsplatz nicht frei, so ist der Arbeitgeber unter Umständen gehalten, einen geeigneten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechtes freizumachen und sich dafür um die evtl. Zustimmung des Betriebsrates gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG zu bemühen. Eine Verpflichtung zur Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens besteht allerdings nicht. Ebenso wenig obliegt dem Arbeitgeber eine Verpflichtung zur weitergehenden Umorganisation. Eine Ausnahme stellt die krankheitsbedingte Leistungsminderung des Arbeitnehmers dar. Hier muss der Arbeitgeber vor der Kündigung prüfen, ob der Minderung der Leistungsfähigkeit nicht durch organisatorische Maßnahmen (z.B. Änderung des Arbeitsablaufs, Umgestaltung des Arbeitsplatzes, Umverteilung der Aufgaben) begegnet werden kann.

Eine außerordentliche Kündigung wegen einer Alkoholabhängigkeit ist nur ausnahmsweise möglich. Sie ist unwirksam, wenn der Arbeitnehmer therapiebereit ist und eine vom Arzt angeordnete ambulante Behandlung durchführen lässt, auch wenn der Arbeitgeber ihn zur stationären Behandlung aufgefordert hat. Auch hier ist nicht auf die Dauer einer fiktiven Kündigungsfrist, sondern auf die künftige Vertragsbindung abzustellen (Ausnahme: Organmitglied gemäß § 15 Abs. 1 KSchG, dann fiktive ordentliche Kündigungsfrist).

8. Mehrere Gründe

Wird die fristlose Kündigung auf mehrere Gründe gestützt, so ist zunächst zu prüfen, ob jeder Sachverhalt für sich allein die Kündigung begründen kann. Ist das nicht der Fall, wird einheitlich betrachtet, ob die Gründe in ihrer Gesamtheit dies vermögen. Hierbei kamen bisher jedoch nur gleichartige (z.B. mehrere verhaltensbedingte ) in Betracht.

III. Ausschlussfrist

Gemäß § 626 Abs. 2 BGB muss die Kündigung innerhalb von 2 Wochen ab Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erfolgen.

1. Grundsätze

Die Frist ist eine sog. Ausschlussfrist. Das heißt, sie ist nicht verlängerbar. Wurde die Kündigung erst nach ihrem Ablauf ausgesprochen, ist sie verfristet und damit unwirksam. Die Unwirksamkeit ist im Rahmen der 3-wöchigen Klagefrist des § 4 KSchG geltend zu machen.

a) Fristbeginn

Die Frist läuft, sobald der Kündigungsberechtigte Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat, so dass er entscheiden kann, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist oder nicht. Selbst grobfahrlässige Unkenntnis reicht für den Fristbeginn nicht. Zu den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen gehören auch die im Sinne der Unzumutbarkeitserwägungen für oder gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Ausnahmsweise genügt für den Fristenlauf auch die Kenntnis eines Dritten, der keine Entlassungsbefugnis hat, wenn der Kündigungsberechtigte sich die Kenntnis eines Dritten dann zurechnen lassen muss, wenn dessen Stellung im Betrieb erwarten lässt, er werde den Kündigungsberechtigten vom Kündigungssachverhalt unterrichten. Der Berechtigte darf sich dann nicht auf seine erst später erlangte Kenntnis berufen, wenn sie darauf beruht, dass die Betriebsorganisation zu einer Verzögerung des Fristbeginns führt, obwohl eine andere Organisation sachgemäß und zumutbar wäre.

b) Fristhemmung

Die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB kann nicht beginnen, so lange der Kündigungsberechtigte die zur Aufklärung des Kündigungssachverhaltes nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Maßnahmen mit der gebotenen Eile durchführt (BAG v. 05.12.2002 AP BGB §123 Nr. 63). Der Beginn darf allerdings nicht länger als unbedingt erforderlich hinausgeschoben werden. Die Frist ist nur so lange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile Ermittlungen anstellt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhaltes verschaffen soll (BAG v. 01.02.2007 NZA 2007, 744). Eine Regelfrist hierfür gibt es nicht, dies ist einzelfallabhängig. So ist z.B. die Frist gehemmt, solange der Kündigungsberechtigte dem Kündigungsgegner zur Aufklärung des Sachverhaltes Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Der Kündigungsgegner ist indes längstens innerhalb einer Woche anzuhören (BAG v. 02.03.2006 NZA 2006, 1211).

c) Darlegungs- und Beweislast

Der Kündigende trägt die Beweislast für die Einhaltung der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB.

2. Genehmigung des Vertretenen

Die ohne Vertretungsmacht erklärte außerordentliche Kündigung kann vom Vertretenen mit rückwirkender Kraft nach § 184 BGB nur innerhalb der zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 S. 2 BGB genehmigt werden ( BAG v. 10.02.2005 AP BGB § 174 Nr. 18 lässt allerdings grundsätzlich offen, ob § 180 BGB überhaupt auf Kündigungen anwendbar ist).

3. Sonderfälle

a) Krankheit

Bei Krankheit geht die Rechtsprechung inzwischen davon aus, dass die Kündigungserklärungsfrist jeden Tag neu beginnt, da sich die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers als Dauerzustand zeigt und sich demzufolge die Frage der Beeinträchtigung des betrieblichen Interesses jeden Tag neu stellt.

b) eigenmächtiger Urlaubsantritt

Beim eigenmächtigen Urlaub, d.h. beim unentschuldigten Fehlen des Arbeitnehmers, beginnt die Ausschlussfrist des § 626 Abs.2 BGB frühestens mit seiner Rückkehr aus dem Urlaub.

4. Nachschieben von Kündigungsgründen

Kündigungsgründe, die bei Ausspruch der Kündigung zwar objektiv vorlagen, dem Kündigenden aber noch nicht bekannt waren, sondern erst später bekannt wurden, brauchen nicht innerhalb der 2-Wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nachgeschoben werden, d.h. dies ist jederzeit im arbeitsgerichtlichen Verfahren möglich. Sie können nur unter den in §§ 67 ArbGG, 530 ZPO genannten Voraussetzungen als verspätet zurückgewiesen werden.

Später entstandene Kündigungsgründe können die vorangegangene Kündigung nicht stützen, falls die Gründe nicht „halten“, die für die Kündigung herangezogen wurden. Sie können allenfalls eine erneute Kündigung rechtfertigen.

Das Nachschieben von Kündigungsgründen, die erst nach der Kündigung entstanden sind, ist unzulässig.

5. Zugang der Kündigung

Seit dem 01.05.2000 hat die Kündigung zu ihrer Wirksamkeit – ebenso wie der Aufhebungsvertrag – schriftlich zu erfolgen (vgl. § 623 BGB). Des Weiteren ist sie eine Willenserklärung und muss dem Kündigungsgegner innerhalb der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zugehen (§ 130 BGB). Was hierfür erforderlich ist, hängt davon ab, ob die Kündigung unter Abwesenden oder Anwesenden ausgesprochen wurde. Unter Abwesenden muss sie derart in den Bereich des Adressaten gelangen, dass er unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. BGHZ 67, 271). Zum Bereich des Empfängers gehören auch die zur Entgegennahme von Erklärungen bereit gestellten Einrichtungen, wie Briefkasten, Postfach, o.ä.. Unter Anwesenden geht sie durch einfache Übergabe zu, wobei die Verfügungsgewalt des Empfängers keine dauernde sein muss. Es reicht, wenn die Kündigung ausgehändigt wurde, damit der Empfänger von ihr Kenntnis nehmen kann (BAG v. 04.11.2004 – 2 AZR 17/04 -). Nicht zugegangen ist die Kündigung, wenn lediglich eine Kopie übergeben wird. Ebenso wenig reicht es, dem Empfänger bei Übergabe einer Kopie das Original nur zur Ansicht zu geben („Nur gucken, nicht anfassen“).

Bei Einwurf der Kündigung in den Briefkasten des Empfängers geht sie ihm zu, wenn unter Berücksichtigung der ortsüblichen Zustellzeit mit der Leerung gerechnet werden kann. Kann die Entgegennahme nicht mehr erwartet werden, weil das Kündigungsschreiben erst zu einer Zeit den Empfangsbereich des Empfängers erreicht, in der üblicherweise mit einer Entnahme nicht mehr zu rechnen ist (also z.B. um 23.00 Uhr), erfolgt der Zugang erst am nächsten Tag. Wurde die Kündigung um 16.00 Uhr in den Briefkasten des Arbeitnehmers gelegt, wenn zuvor Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag geführt wurden und musste der Arbeitnehmer damit rechnen, dass der Arbeitgeber ihm die Kündigung noch per Boten zukommen lässt, so ist sie noch am gleichen Tag zugegangen. Umstritten ist, ob Zugang gegeben ist, wenn die Kündigung unter der Haustür des Empfängers durchgeschoben wird oder sogar im Hausflur deponiert wird. Denkbar wäre das jedenfalls dann, wenn der Empfänger im Hausflur keinen Briefkasten angebracht hat. Ist das Kündigungsschreiben nicht, nicht ausreichend frankiert oder falsch adressiert und wird es deshalb nicht zugestellt, so geht das zu Lasten des Erklärenden. Lehnt der Empfänger die Zahlung eines Nachportos ab, geht die Kündigung ebenso wenig zu, da der Erklärende die Kosten der Zustellung zu tragen hat. Wenn der Arbeitnehmer umzieht, dem Arbeitgeber die Anschriftenänderung aber nicht mitteilt, geht die Verlängerung der Postlaufzeit zu seinen Lasten, da er für die Verzögerung verantwortlich ist.

Zugang liegt auch vor, wenn die Kündigung an jemanden übergeben wird, der nach der Verkehrsauffassung als ermächtigt anzusehen ist, den Adressaten im Empfang zu vertreten. Hier entscheidet die Verkehrssitte. Zum Empfang berechtigt sind daher z.B. Familienangehörige, Lebensgefährten, Hausangestellte oder auch der Vermieter.

Zu beachten ist, dass die Parteien über den Zugang vom Gesetz (s.o., § 130 BGB) abweichende Regelungen treffen können, etwa dahin, dass bei formbedürftiger Erklärung der Zugang einer Abschrift genügt. Sind derartige Abweichungen aber in Formulararbeitsverträgen enthalten, unterliegen sie der Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB. So ist z.B. die formularmäßige Klausel unwirksam, die eine Kündigung nur per Einschreiben vorsieht.

Wird per Einschreiben gekündigt, der Adressat aber nicht angetroffen und hinterlässt der Zusteller einen Benachrichtigungszettel, so ist das Schreiben noch nicht zugegangen. Dies ist erst mit der Abholung beim Postamt der Fall (höchstrichterliche Entscheidung, vgl. BAG v. 25.04.2006, – 2 AZR 13/95 -). Anders ist es beim sog. Einwurf-Einschreiben: Hier liegt Zugang mit Einwurf in den Briefkasten vor, der vom Zusteller schriftlich dokumentiert wird. Die sicherste Zustellart ist aber nach wie vor diejenige durch einen Boten, der den Zustellvorgang im Streitfall bezeugen kann.

Auch wenn der Empfänger die Annahme der Kündigung ohne Grund ablehnt, gilt sie als zugegangen (Stichwort: Zugangsvereitelung), vor allem dann, wenn der Empfänger mit einer rechtserheblichen Mitteilung rechnen musste. Scheitert die Kenntnisnahme lediglich aufgrund eines vom Empfänger zu vertretenden Umstandes, muss er sich so behandeln lassen, als sei ihm die Erklärung zum normalen Zeitpunkt zugegangen, wenn der Erklärenden die Erklärung unverzüglich wiederholt.

6. Anfechtung und Rücknahme der Kündigungserklärung

Da die Kündigung eine Willenserklärung (s.o.) ist, kann sie auch angefochten werden. Liegt ein Anfechtungsgrund i.S.d. §§ 119,123 BGB vor, führt dies zu ihrer Nichtigkeit. Der praktisch wichtigste ist die widerrechtliche Drohung des Arbeitgebers i.S.d. § 123 BGB, er werde dem Arbeitnehmer fristlos kündigen, falls dieser nicht selbst kündigt. Widerrechtlich ist die Drohung aber dann nicht, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine fristlose Kündigung ernsthaft erwogen hätte (vgl. z.B. BAG v. 18.05.2006, – 6 AZR 62/05).

Die dem anderen Teil zugegangene Kündigung kann nicht mehr einseitig vom Kündigenden zurückgenommen werden. Hierfür ist immer das Einverständnis des Gekündigten erforderlich. Die „Rücknahme“ ist daher stets als Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zum werten.

IV. Anhörung des Betriebsrats

 1. Gesetzliche Regelung

Gemäß § 102 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) muss der Betriebsrat vor jeder Kündigung, also auch der außerordentlichen, gehört werden. Dabei muss der Arbeitgeber auch bekannt geben, ob er ordentlich oder außerordentlich kündigen will. Diese Obliegenheit gilt auch bei sog. „unkündbaren“ Arbeitnehmern, wenn der Arbeitgeber ohne jede Erläuterung eine nur außerordentlich mögliche Kündigung unter Einhaltung einer Frist aussprechen will. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er sie unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen (§ 102 Abs.2 S. 3 BetrVG).

 Die Vorschrift lautet:

§ 102 Mitbestimmung bei Kündigungen

(1) Der Betriebsrat ist vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

(2) Hat der Betriebsrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber spätestens innerhalb einer Woche schriftlich mitzuteilen. Äußert er sich innerhalb dieser Frist nicht, gilt seine Zustimmung zur Kündigung als erteilt. Hat der Betriebsrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken, so hat er diese unter Angabe der Gründe dem Arbeitgeber unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen, schriftlich mitzuteilen. Der Betriebsrat soll, soweit dies erforderlich erscheint, vor seiner Stellungnahme den betroffenen Arbeitnehmer hören. § 99 Abs. 1 Satz 3 gilt entsprechend.

(3) Der Betriebsrat kann innerhalb der Frist des Absatzes 2 Satz 1 der ordentlichen Kündigung widersprechen, wenn

1. der Arbeitgeber bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat,

2. die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 verstößt,

3. der zu kündigende Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann,

4. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich ist oder

5. eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Vertragsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat.

(4) Kündigt der Arbeitgeber, obwohl der Betriebsrat nach Absatz 3 der Kündigung widersprochen hat, so hat er dem Arbeitnehmer mit der Kündigung eine Abschrift der Stellungnahme des Betriebsrats zuzuleiten.

(5) Hat der Betriebsrat einer ordentlichen Kündigung frist- und ordnungsgemäß widersprochen und hat der Arbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz Klage auf Feststellung erhoben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, so muss der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers diesen nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits bei unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigen. Auf Antrag des Arbeitgebers kann das Gericht ihn durch einstweilige Verfügung von der Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung nach Satz 1 entbinden, wenn

1. die Klage des Arbeitnehmers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint oder

2. die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen würde oder

3. der Widerspruch des Betriebsrats offensichtlich unbegründet war.

(6) Arbeitgeber und Betriebsrat können vereinbaren, dass Kündigungen der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen und dass bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung der Nichterteilung der Zustimmung die Einigungsstelle entscheidet.

(7) Die Vorschriften über die Beteiligung des Betriebsrats nach dem Kündigungsschutzgesetz bleiben unberührt.

Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die aus seiner Sicht tragenden Umstände für die (beabsichtigte) Kündigung unterbreitet hat. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber ihm den Sachverhalt bewusst irreführend – z.B. durch Verschweigen wesentlicher Umstände – schildert. Der Arbeitgeber ist indes nicht verpflichtet, Unterlagen zur Verfügung zustellen oder das Anhörungsverfahren schriftlich durchzuführen. Unschädlich ist es auch, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Sozialdaten des betroffenen Arbeitnehmers nicht mitteilt, wenn es ihm wegen der Schwere der Vorwürfe auf die genauen Daten ersichtlich nicht ankommt, der Betriebsrat sie ungefähr kennt und daher die Kündigungsabsicht ausreichend beurteilen kann.

2. Nachschieben von Kündigungsgründen

Materiell-rechtlich können Kündigungsgründe, die bei Ausspruch der Kündigung bereits entstanden waren, dem Arbeitgeber aber erst später bekannt geworden sind, im Kündigungsschutzprozess uneingeschränkt nachgeschoben werden.

Betriebsverfassungsrechtlich können solche Kündigungsgründe nachgeschoben werden, wenn der Arbeitgeber vorher den Betriebsrat hierzu erneut angehört hat.

Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, im Kündigungsschutzprozess Tatsachen nachzuschieben, die ohne wesentliche Veränderung des Kündigungssachverhaltes lediglich zur Erläuterung und Konkretisierung der im Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründe dienen.

V. Mitteilung des Kündigungsgrundes

Nach § 626 Abs. 2 S. 3 BGB muss der Kündigende dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen. Das ist allerdings grundsätzlich keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Kündigung, es sei denn, es ist im Arbeits- oder Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder gesetzlich (z.B. § 15 Abs. 3 BBiG für das Berufsausbildungsverhältnis) ausdrücklich bestimmt. Die Nichtangabe des Kündigungsgrundes trotz Verlangens kann dann aber u.U. Auskunfts- und Schadensersatzansprüche (z.B. wegen der Prozesskosten) des Gekündigten auslösen.

VI. Schadensersatzanspruch des Gekündigten

Eine unwirksame außerordentliche Kündigung kann eine Vertragsverletzung sein. Sie verpflichtet zum Schadensersatz, wenn der Kündigende die Unwirksamkeit der Kündigung oder die Begleitumstände kannte oder bei gehöriger Sorgfalt hätte kennen müssen und daraus ein Schaden entsteht.

VII. Klagerecht und Klagefrist

1. Arbeitnehmer

Ein fristlos entlassener Arbeitnehmer hat stets ein berechtigtes Interesse daran, auf Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses zu klagen, und zwar selbst dann, wenn er auf Zahlungsleistungen klagen könnte. Er kann allerdings – außerhalb der Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) – das Recht verwirken, sich auf die Unwirksamkeit einer ihm gegenüber ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung zu berufen. Demgegenüber muss ein unter das KSchG fallender Arbeitnehmer die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nach den §§ 4 – 7 KSchG, also regelmäßig innerhalb der Drei-Wochenfrist, geltend machen. Dies gilt auch bei der arbeitgeberseitigen außerordentlichen Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnis.

2. Arbeitgeber

Auch der Arbeitgeber kann ein alsbaldiges Interesse an der Feststellung des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses haben, wenn er in seinem Ansehen betroffen ist.

VIII. Besondere Kündigungsfälle

1. Verdachtskündigung

Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber eine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht der (nicht erwiesenen) strafbaren bzw. vertragswidrigen Handlung habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Dagegen ist bei der Tatkündigung der Arbeitgeber davon überzeugt, der Arbeitnehmer habe die strafbare Handlung bzw. Pflichtverletzung tatsächlich begangen, so dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Der Verdacht stellt gegenüber der Tat einen eigenständigen Kündigungsrund dar. Typisch für die Verdachtskündigung ist, dass die dem Arbeitnehmer zur Last gelegte Tat nicht oder noch nicht nachweisbar ist, allerdings schon so starke Verdachtsmomente bestehen, dass bereits diese Ungewissheit dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht. Wegen der Gefahr, einen Unschuldigen zu treffen, muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung aber alle ihm zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhaltes unternommen haben. Hier geht es dann darum, ob der Verdacht durch Tatsachen objektiv begründet wird, die so beschaffen sind, dass sie einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zum Ausspruch der Kündigung veranlassen können. Die Wirksamkeit der Verdachtskündigung hängt nicht von der strafrechtlichen Würdigung des Sachverhaltes ab, sondern von der Beeinträchtigung des für das Arbeitsverhältnis erforderlichen Vertrauens. Die Beurteilung im Strafverfahren ist weder für die Zivil- noch die Arbeitsgerichte bindend. Selbst eine Einstellung im Strafverfahren steht einer Kündigung wegen des Verdachts einer Straftat nicht entgegen. Denn die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO ist nicht geeignet, den Verdacht einer Straftat auszuräumen.

Der Arbeitgeber muss den betroffenen Arbeitnehmer aufgrund seiner Aufklärungspflicht vor Ausspruch einer Verdachtskündigung zu den Verdachtsmomenten anhören. Dies ist Wirksamkeitsvoraussetzung. Der dem Arbeitnehmer vorgehaltene Verdacht muss konkretisiert sein, damit er sich substantiiert dazu äußern kann. Die Anhörung darf nicht unter für den Arbeitnehmer unzumutbaren Umständen erfolgen. Entlastende, vom Arbeitnehmer vorgetragene Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Kündigung vorlagen, sind unabhängig von der Kenntnisnahme durch den Arbeitgeber zu berücksichtigen. Lässt sich der Arbeitnehmer konkret ein und zerstreut er den Verdacht, ermittelt der Arbeitgeber aber weiter und kommt zu einer Widerlegung der Einlassung, so ist der Arbeitnehmer erneut anzuhören. Verletzt der Arbeitgeber die Aufklärungspflicht schuldhaft, ist die Verdachtskündigung unwirksam.

Auch für die außerordentliche Verdachtskündigung gilt die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Sie beginnt zu dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte so viel vom Sachverhalt kennt, dass er sich ein eigenes Urteil über den Verdacht bilden kann. Nach bekannt gewordenem Anfangsverdacht muss der Arbeitgeber eigene Ermittlungen zügig durchführen. Stellt sich im Verlauf des Prozesses die Unschuld des verdächtigen Arbeitnehmers heraus, so ist dies zu berücksichtigen. Auch muss das Gericht seinen Rechtfertigungen nachgehen. Stellt sich die Unschuld des Arbeitnehmers erst nach Abschluss des Verfahrens heraus, kann ihm ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen. Nicht ausreichend ist hierfür die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft.

Ist es dem Arbeitgeber nicht möglich, eine hinreichende Aufklärung zu erlangen, kann er das Ergebnis des Strafverfahrens abwarten. Nach einer Verurteilung darf er die Kündigung dann aber nicht mehr als Verdachts-, sondern nur noch als (erwiesene) Tatkündigung aussprechen. Denn der Verdacht ist ja nun geklärt. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt mit der Kenntnis von der Verurteilung. Kündigt der Arbeitgeber nach rechtskräftiger Verurteilung des Arbeitnehmers mit der Begründung, der Arbeitnehmer habe die Tat tatsächlich begangen, dann ist die Unwirksamkeit der Kündigung nach den Grundsätzen der Tatkündigung zu beurteilen. Bestreitet der Arbeitnehmer auch nach rechtskräftiger Verurteilung weiterhin den Tatvorwurf, muss das Arbeitsgericht ohne Bindung an das Strafurteil eigenständige Feststellungen treffen.

Spricht der Arbeitgeber eine Tatkündigung aus und stützt er sie später bei unverändert gebliebenem Sachverhalt auch noch auf den Verdacht der Straftat, ist der nachgeschobene Kündigungsgrund der Verdachtskündigung wegen fehlender Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG nicht verwertbar.

Kosten, die dem Arbeitgeber entstehen, weil er einen Arbeitnehmer von einem Detektiv überwachen lässt, sind ihm zu ersetzen, wenn dem Arbeitnehmer so eine vertragswidrige und unerlaubte Handlung nachgewiesen wird. Die Detektivkosten sind dann eine adäquate Folge des schädigenden Verhaltens des Arbeitnehmers.

2. Druckkündigung

Eine Druckkündigung liegt vor, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangen. Das Verlangen kann durch ein Verhalten des Arbeitnehmers oder einen in seiner Person liegenden Grund objektiv gerechtfertigt sein. Dann liegt es im Ermessen des Arbeitgebers, eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung auszusprechen. Fehlt es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung, kommt eine (Druck-)Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht. An deren Zulässigkeit sind indes strenge Anforderungen zu stellen.

Verlangt die Belegschaft oder ein Teil von ihr die Entlassung eines Arbeitnehmers, darf der Arbeitgeber dies nicht ohne Weiteres tun. Aufgrund seiner vertraglichen Fürsorgepflicht gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer hat er zu versuchen, die Belegschaft von ihrer Drohung abzubringen. Nur wenn das nicht gelingt und dem Arbeitgeber ein Verhalten in Aussicht gestellt wird, das zu schweren wirtschaftlichen Schäden führen kann (z.B. Androhung von Eigen- oder Massenkündigungen, Streik o.ä.), kann die Kündigung unter Umständen gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist aber, dass die Kündigung das einzige in Frage kommende Mittel ist, um den Schaden abzuwenden. Hierbei muss berücksichtigt werden, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst herbeigeführt hat. Wenn eine Änderungskündigung zur Abwendung des Schadens führen kann, ist eine Beendigungskündigung nicht erforderlich und wäre unwirksam.

3. Ankündigung einer Erkrankung

Die Erklärung eines Arbeitnehmers, er werde krank, wenn sein Urlaub nicht verlängert werde, obwohl er nicht krank ist, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung abzugeben.

4. Freiheitsstrafe des Arbeitnehmers

Eine Freiheitsstrafe des Arbeitnehmers stellt einen personenbedingten Kündigungsgrund dar. Bei Entscheidung der Frage, ob eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung ausgesprochen werden soll, kommt es auf das Maß der betrieblichen Auswirkungen an.

5. Wegfalls der Aufenthalts- bzw. Arbeitserlaubnis

Das Verschweigen des Wegfalls der Aufenthalts- bzw. Arbeitserlaubnis erlaubt dem Arbeitgeber die außerordentliche Kündigung.

IX. Umdeutung der außerordentlichen Kündigung

1. in ordentliche Kündigung

Die Umdeutung einer außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche zum nächstzulässigen Zeitpunkt ist möglich, wenn eindeutig erkennbar ist, dass der Kündigende das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall beenden will. Es ist also gemäß § 140 BGB darauf abzustellen, ob die Umdeutung dem mutmaßlichen Willen des Kündigenden entspricht und ob dieser Wille dem Gekündigten erkennbar ist. Das Gericht kann nicht von Amts wegen umdeuten. Dies ist nur möglich, wenn der Vortrag des Arbeitgebers im Prozess ergibt, dass er bei Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung zumindest eine ordentliche aussprechen wollte. Hat der Arbeitgeber schon hilfsweise den Betriebsrat zur ordentlichen Kündigung angehört, ist von seinem hypothetischen Willen auszugehen, das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall beenden zu wollen (streitig!). Daraus folgt im Umkehrschluss, dass eine – wenn auch nur hilfsweise gewollte – ordentliche Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrates unwirksam ist.

2. in Aufhebungsvertrag

Die Umdeutung einer unwirksamen fristlosen Kündigung in ein Angebot zur sofortigen einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist zulässig und möglich. Voraussetzung ist auch hier der mutmaßliche Wille zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter allen Umständen. Allerdings kommt nur dann ein Aufhebungsvertrag zustande, wenn der Kündigungsempfänger die Unwirksamkeit der Kündigung vergegenwärtigt und gleichwohl erkennt, dass der Kündigende ihm ein Angebot zur Vertragsaufhebung gemacht, welches er bereit ist, anzunehmen.

3. in Anfechtung

Die dem Arbeitsvertrag zugrunde liegenden Willenserklärungen der Parteien können gemäß den §§ 119, 123 BGB angefochten werden. Bei den Rechtsfolgen ist dabei aber auf die Besonderheiten des Arbeitsvertrages zu achten. So kann ein schon in Vollzug gesetzter Arbeitsvertrag grundsätzlich nicht mehr mit rückwirkender Kraft im Sinne des § 142 Abs. 1 BGB angefochten werden.

X. Außerordentliche Änderungskündigung

Eine Änderungskündigung ist auch als außerordentliche Kündigung zulässig. Ihre Wirksamkeit richtet sich danach, ob das Angebot des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis unter anderen Bedingungen fortzusetzen, rechtmäßig war. Dem Arbeitgeber muss die Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses unzumutbar geworden und die alsbaldige Änderung notwendig sein. Dem Arbeitnehmer müssen die Neuerungen zumutbar sein. Alle Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Auch für die außerordentliche Änderungskündigung gilt die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB. Sie beginnt in dem Zeitpunkt der Arbeitgeberentscheidung, dass der Arbeitnehmer nicht mehr auf dem bisherigen Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden kann. Versucht der Arbeitgeber zunächst, dem Arbeitnehmer über sein Direktionsrecht eine andere Tätigkeit zuzuweisen, so hemmt das die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht.

Die Drei-Wochenfrist des § 4 S. 2 KSchG zur Anrufung des Arbeitsgerichts gilt für die außerordentliche Änderungskündigung aus wichtigem Grund entsprechend.

Wegen der analogen Anwendung des § 2 KSchG auf die außerordentliche Änderungskündigung muss der Arbeitnehmer die Annahme des Änderungsangebotes unter Vorbehalt bzw. seine Ablehnung nach Zugang der Kündigung unverzüglich erklären. Die widerspruchslose Weiterarbeit auf dem neuen Arbeitsplatz ist aber so lange keine vorbehaltlose Annahme des Änderungsangebotes, als der Arbeitnehmer noch rechtzeitig, d.h. ohne schuldhaftes Zögern, einen Vorbehalt im Sinne des § 2 KSchG erklären kann (BAG a.a.O.).

Die fristlose Kündigung

Gleichgültig, ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber, eine solche Kündigung kann von beiden Seiten ausgesprochen werden. Für den Kündigenden muss ein wichtiger Grund vorliegen, um das Arbeitsverhältnis fristlos zu beenden.

Anwalt Arbeitsrecht Köln - Fachanwalt_Arbeitsrecht_Arnd_Potratz Die fristlose Kündigung
Fachanwalt für Arbeitsrecht in Köln Arnd Potratz

Hier eine Kurzauswahl unserer Antworten als Fachanwalt für Arbeitsrecht auf häufig gestellte Fragen:

Wann darf der Arbeitgeber derartig kündigen?

Der Arbeitgeber ist berechtigt, fristlos zu kündigen, wenn – wie bereits erwähnt – ein „wichtiger Grund“ vorliegt, der ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der regulären Kündigungsfrist unzumutbar macht. Beim „wichtigen Grund“ handelt es sich um gravierende, schwerwiegende Vertragsverletzungen des Arbeitnehmers, die das Vertrauensverhältnis so nachhaltig beeinträchtigen, dass eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist.

Was sind Gründe für eine solche Kündigung durch den Arbeitgeber?

Die Gründe können vielfältig sein. Typische Beispiele sind Vermögensdelikte wie Diebstahl, Betrug, Unterschlagung, aber auch Arbeitsverweigerung, grobe Beleidigung, körperliche Gewalt oder wiederholte unentschuldigte Abwesenheit, mitunter auch Verletzung von Geheimhaltungspflichten. Ggf. können es auch strafbare Handlungen außerhalb des Arbeitsplatzes in der Freizeit, sein. Diese Gründe müssen aber stets so schwerwiegend sein, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Sie sind insbesondere verhaltensbedingt veranlasst.

Wie lange ist die Frist bei einer solchen Kündigung?

Eine Kündigungsfrist entfällt, da das Arbeitsverhältnis eben sofort – fristlos – beendet wird. Die Kündigung tritt unmittelbar mit Zugang beim anderen Teil in Kraft.

Bitte beachten Sie, dass jede Kündigung ein Einzelfall ist, v.g. Antworten können nur einen ersten Anhaltspunkt liefern. Im Zweifelsfall sollten Sie immer rechtlichen Rat von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht einholen.

Nachfolgend finden Sie umfangreiche Informationen zu dieser Form der Kündigung:

Beschreibung

Die fristlose Kündigung steht für den Extremfall eines Arbeitsverhältnisses, das nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Sie bietet dem Kündigenden die Möglichkeit, bei schwerwiegender Vertragsverletzung des anderen Teils unverzüglich zu reagieren.

Die Bedeutung dieser Kündigungsart liegt darin, den Schutz der Interessen des Kündigenden umgehend sicherzustellen. Durch die Möglichkeit der fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber wird z.B. der Betriebsfrieden aufrechterhalten und schnell ein Instrument zur Abwendung von Schäden geschaffen. Der Arbeitnehmer kann fristlos kündigen, wenn der Arbeitgeber z.B. 2 Monate kein Gehalt gezahlt hat.

Beispiele auf Seiten des Arbeitnehmers (nur exemplarisch)

Diebstahl und Unterschlagung

Die Entwendung von Betriebsgegenständen oder Geld kann eine solche Kündigung begründen. Es müssen jedoch klare Beweise für den Diebstahl oder die Unterschlagung vorliegen. Ist dies nicht der Fall, kann jedoch eine sog. Verdachtskündigung in Betracht kommen.

Betrug und Arbeitszeitbetrug

Betrügerische Handlungen, wie z.B. das Fälschen von Belegen oder das Abrechnen nicht geleisteter Arbeitszeiten, sind gravierende Vertragsverletzungen, die eine derartige Kündigung ebenfalls  rechtfertigen können.

Grobe Beleidigung und Gewalt am Arbeitsplatz

Handgreiflichkeiten oder schwere Beleidigungen gegenüber Kollegen oder Vorgesetzten stellen eine erhebliche Verletzung der Arbeitspflichten dar.

Arbeitsverweigerung und unentschuldigtes Fernbleiben

Wenn ein Arbeitnehmer grundlos wiederholt dem Arbeitsplatz fernbleibt oder wiederholt das Befolgen von rechtmäßigen Anweisungen verweigert, kann dies einen wichtigen Grund für eine solche Form Kündigung darstellen.

Strafbare Handlungen außerhalb des Arbeitsplatzes

Strafbare Handlungen außerhalb des Arbeitsplatzes, wie eine Verurteilung wegen schwerer Straftaten, können das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer derart beeinträchtigen, dass eine solche Kündigung gerechtfertigt ist. Das ist aber immer einzelfallbezogen und kann pauschal nicht festgelegt werden.

Verletzung von Geheimhaltungspflichten und Betriebsgeheimnissen

Die unbefugte Weitergabe von Betriebsgeheimnissen oder vertraulichen Informationen kann eine fristlose Kündigung begründen, da dies zum einen die Grundlage des Unternehmens tangiert und zum anderen einen rechtswidrigen wirtschaftlichen Vorteil eines Mitbewerbers des Arbeitgebers zur Folge haben kann, vor allem aber auch einen enormen Vertrauensverlust gegenüber seinem Mitarbeiter bedeutet.

Beispiele auf Seiten des Arbeitgebers (nur exemplarisch)

Nichtzahlung von Lohn/Gehalt

Zahlt der Arbeitgeber in Summe wenigstens 2 Monatslöhne/-gehälter nicht, stellt dies eine schwerwiegende Pflichtverletzung dar, die nach erfolgloser Abmahnung zur fristlosen Kündigung berechtigt.

Sexuelle Übergriffe

Es ist evident, dass sexuelle Übergriffe des Arbeitgebers gegenüber einem Arbeitnehmer/-in eine erhebliche Vertragsverletzung darstellen. Das Gleiche gilt übrigens auch beim Übergriff unter Arbeitnehmern.

Grobe Beleidigung, Bedrohung, Tätlichkeit

Handgreiflichkeiten, Bedrohungen und schwere Beleidigungen gegenüber dem Arbeitnehmer stellen eine erhebliche Verletzung der Vertragspflichten dar.

Verdächtigung

Verdächtigt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu Unrecht einer Unredlichkeit, dann kann – abhängig von der Schwere des Verdachts – der Arbeitnehmer zur fristlosen Kündigung berechtigt sein.

Arbeitsschutz

Weigert sich der Arbeitgeber, zwingende Arbeitsschutzvorschriften zu beachten, kann dies eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Das gilt auch, wenn der Arbeitnehmer zunächst weitergearbeitet hat. In der Regel ist jedoch zuvor eine Abmahnung erforderlich.

Procedere

Bevor eine solche Art der Kündigung ausgesprochen wird, muss grundsätzlich das Fehlverhalten vorher abgemahnt werden. Nur in ganz schwerwiegenden Fällen, in denen der zu Kündigende auch weiß, dass der andere Teil die Pflichtverletzung weder hinnehmen muss noch wird, und bei Verstößen im Vertrauensbereich, kann von einer Abmahnung abgesehen werden.

Anhörungspflicht des Arbeitgebers

Grundsätzlich ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer vor Ausspruch anzuhören. Nur bei einer fristlosen Verdachtskündigung hat der Arbeitnehmer das Recht, sich zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern. Diese Anhörungspflicht dient der Wahrung des Prinzips des rechtlichen Gehörs. Unterbleibt die Anhörung, ist die Verdachtskündigung unwirksam.

Beweisführung und Dokumentation der Verfehlungen

Eine Kündigung erfordert klare Beweise für die Vertragsverletzung des anderen Teils. Es ist wichtig, sämtliche Beweismittel, wie Zeugenaussagen, Dokumente o.ä. sorgfältig zusammenzustellen, um im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung gerüstet zu sein.

Klare und präzise Formulierung der Kündigung

Das Kündigungsschreiben sollte präzise formuliert sein und neben dem Ausspruch der fristlosen auch die hilfsweise ordentliche Kündigung umfassen. Dann folgt der Hinweis auf die Pflicht zur Meldung bei der Bundesanstalt für Arbeit (BA). Die Kündigungsgründe sollten aus taktischen Gründen im Kündigungsschreiben nicht dargelegt werden.

Rechtliche Aspekte und Verhältnismäßigkeit

Bei einer derartigen Kündigung muss auch ihre Verhältnismäßigkeit beachtet werden. Das Arbeitsgericht prüft, ob der wichtige Grund tatsächlich so schwerwiegend ist, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheint. Hierbei müssen auch die Interessen beider Parteien gegeneinander abgewogen werden.

Die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der fristlosen Kündigung sind hoch und erfordern eine genaue Einhaltung rechtlicher Vorgaben. Ein falscher Schritt kann zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen führen.

Risiken und Herausforderungen

Gerichtliche Überprüfung der fristlosen Kündigung

In den überwiegenden Fällen ist es der Arbeitgeber, der fristlos kündigt. Selbstverständlich kann der Arbeitnehmer dann Kündigungsschutzklage erheben. Das Arbeitsgericht prüft auf der ersten Stufe das Vorliegen des „wichtigen Grundes an sich“. Liegt er vor, prüft es auf der zweiten Stufe die Verhältnismäßigkeit der Kündigung. Hierbei werden dann auch die widerstreitenden Interessen gegenübergestellt, nämlich das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers gegen das Fortsetzungsinteresse des Arbeitnehmers. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass der begangene Verstoß in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Kündigung steht. Dies bedeutet wiederum, dass die Kündigung nicht automatisch als Antwort auf jede Vertragsverletzung in Betracht gezogen werden darf. Vielmehr müssen die Schwere des Verstoßes, die Dauer und Intensität des Arbeitsverhältnisses sowie die individuellen Umstände des Falles sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

In Fällen, in denen eine mildere Maßnahme, wie z.B. eine Abmahnung oder eine Versetzung, ausreichen könnte, ist die fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt.

Sonderkündigungsschutz des Arbeitnehmers und besondere Umstände

In einigen Fällen, wie z.B. bei Schwangeren, schwerbehinderten Menschen oder Betriebsratsmitgliedern, kommen besondere Kündigungsschutzregelungen hinzu. Arbeitgeber müssen deren Sonderkündigungsschutz beachten, ansonsten geht der Prozess schon allein wegen seiner Nichtberücksichtigung verloren.

Schadensersatzansprüche

Wenn die fristlose Kündigung unberechtigt ist, kann der Gekündigte u.U. Zahlungsansprüche auf Schadensersatz geltend machen. Dies kann erhebliche finanzielle Auswirkungen für den anderen Teil haben.

Kollektivrechtliche Aspekte und Betriebsratsbeteiligung

In Unternehmen, in denen ein Betriebsrat besteht, müssen die arbeitsrechtlichen Vorgaben zu seiner Beteiligung bei Kündigungen beachtet werden. Unterbleibt diese Beteiligung, ist die Kündigung angreifbar.

Vor allem Arbeitgeber sollten sich der potenziellen Risiken und Herausforderungen bewusst sein, die mit einer fristlosen Kündigung einhergehen.

Gesetzestexte

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – § 626 Abs. 1: Regelungen zur außerordentlichen fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – § 626 Abs. 2: Festlegung der Frist für die fristlose Kündigung nach Kenntniserlangung des Kündigungsgrundes

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – § 627: Fristlose Kündigung bei Vertrauensstellung

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – § 623: Schriftform der Kündigung

Kündigungsschutzgesetz (KSchG) – § 4: Anrufung des Arbeitsgerichts bei Kündigungsschutzklagen

Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) – § 102: Beteiligung des Betriebsrats bei Kündigungen

Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) – § 103: Zustimmungsverweigerungsgründe des Betriebsrats bei Kündigungen

Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) – § 159: Sperrzeiten für Arbeitslosengeld nach einer fristlosen Kündigung

Wichtige Schritte für Arbeitnehmer

Sofortige Prüfung der Kündigung

Lesen Sie das Kündigungsschreiben gründlich durch, um – falls genannt – die Gründe für die Kündigung zu erfahren. Versuchen Sie, Ihre eigene Sicht der Ereignisse zu rekonstruieren.

Sammeln von Dokumenten

Stellen Sie alle relevanten Dokumente zusammen, die Ihr Arbeitsverhältnis betreffen, wie den Arbeitsvertrag, Lohn- oder Gehaltsnachweise, Arbeitszeitnachweise, Kommunikation mit Vorgesetzten usw.

Einholung von Rechtsrat

Überlegen Sie, ob es sinnvoll ist, gegen die Kündigung vorzugehen. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Ihnen helfen, Ihre Rechte und Möglichkeiten richtig einzuschätzen.

Schritte bei der Beauftragung eines Fachanwalts für Arbeitsrecht

Erstgespräch/Telefonat

Führen Sie ein Erstgespräch mit dem Fachanwalt für Arbeitsrecht. Erklären Sie den Fall und legen Sie die relevanten Dokumente vor.

Bewertung der Sachlage

Der Anwalt wird Ihre Situation analysieren, die rechtlichen Aspekte prüfen, Ihnen die verschiedenen Handlungsoptionen erläutern und die Erfolgsaussichten einschätzen.

Verhandlungen mit dem Arbeitgeber

Falls möglich und sinnvoll, wird der Anwalt mit Ihrem Arbeitgeber oder seinem Rechtsbeistand in Verhandlungen zu treten, um eine außergerichtliche Lösung zu finden.

Klageerhebung (falls erforderlich)

Wenn eine außergerichtliche Einigung nicht möglich ist, wird der Anwalt die Klage vorbereiten und Sie gegebenenfalls vor Gericht vertreten.

Checkliste für Arbeitgeber

Die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters erfordert eine sorgfältige Vorbereitung und Durchführung, um rechtliche Risiken zu minimieren. Hier ist eine Checkliste, die Arbeitgeber beachten sollten, wenn sie den Ausspruch einer fristlosen Kündigung in Betracht ziehen:

Gründliche Prüfung der Umstände

Prüfen Sie die Gründe für die Kündigung sorgfältig darauf, ob sie schwer genug wiegen, um eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen.

Sammeln von Beweisen und Dokumentation

Sichern und dokumentieren Sie den Verlauf der Ereignisse und die Kommunikation mit dem betroffenen Mitarbeiter. Bewahren Sie Kopien aller  relevanten Dokumente, Korrespondenzen und Beweise auf, die mit der Kündigung zusammenhängen. Sperren Sie die Zugänge zur EDV usw., sprechen Sie ggf. ein Hausverbot aus.

Einholung von Rechtsrat

Erwägen Sie die Zusammenarbeit mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht, damit der Kündigungsgrund rechtlich „hält“ und alle erforderlichen Schritte und Fristen eingehalten werden.

Anhörung des Mitarbeiters

Räumen Sie dem betroffenen Mitarbeiter – sicherheitshalber immer – nachweisbar die Möglichkeit ein, sich zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern, bevor Sie die Kündigung aussprechen. Bei einer Verdachtskündigung müssen Sie ihn ohnehin anhören.

Formulierung des Kündigungsschreibens

Formulieren Sie das Kündigungsschreiben klar, präzise und so knapp wie möglich. Benennen Sie den Kündigungsgrund nicht. Weisen Sie auf die Meldepflicht bei der Agentur für Arbeit hin.

Rechtzeitige Durchführung

Sprechen Sie eine derartige Kündigung unverzüglich aus, nachdem Sie alle erforderlichen Schritte abgeschlossen haben. Ab Kenntnis des Kündigungsgrundes haben Sie nur 2 Wochen Zeit!

Arbeitsgerichtliche Überprüfung

Es ist davon auszugehen, dass der gekündigte Arbeitnehmer gegen eine solche Kündigung Kündigungsschutzklage einreicht, zumal er regelmäßig eine Sperrfrist von 12 Wochen beim Bezug von Arbeitslosengeld erhält. Sein Minimalziel wird sein, aus der fristlosen wenigstens eine ordentliche Kündigung zu machen, damit die Sperre entfällt. Das Arbeitsgericht wird die Umstände, die zur Kündigung geführt haben, genau untersuchen. Es wird bewerten, ob die Gründe, die vom Arbeitgeber angeführt werden, tatsächlich so schwerwiegend sind, dass er das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beenden durfte. Dabei werden sowohl die Interessen des Arbeitnehmers als auch die berechtigten Interessen des Arbeitgebers berücksichtigt. Auch prüft es, ob der Arbeitgeber die vorgeschriebenen Verfahrens- und Anhörungspflichten eingehalten hat.

Konsequenzen bei Feststellung der Unwirksamkeit

Kommt das Arbeitsgericht zu der Auffassung, dass eine derartige Kündigung möglicherweise nicht rechtmäßig war, kann dies verschiedene Konsequenzen haben. In vielen Fällen kann das Gericht nach streitiger Verhandlung die Kündigung für unwirksam erklären. Das bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis weiterhin besteht und der Arbeitnehmer Anspruch auf seine Arbeitsposition und Vergütung – auch rückwirkend – hat.

Sollte sich durch entsprechende anwaltliche Beratung ergeben, dass die Kündigung nur schwer durchsetzbar ist, kann der Arbeitgeber – am besten in einem möglichst frühen Verfahrensstadium – versuchen, das Arbeitsverhältnis gleichwohl zu beenden, nämlich gegen Zahlung einer Abfindung. Deren Höhe hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Gehalt des Arbeitnehmers, den Umständen der Kündigung, aber auch dem für beide Seiten bestehenden Prozessrisiko.

Die Möglichkeit der arbeitsgerichtlichen Überprüfung bietet dem gekündigten Arbeitnehmer einen wichtigen Schutz zur Wahrung seiner Rechte. Eine gerichtliche Überprüfung ist aber zeitaufwendig und sowohl für den Arbeitgeber als auch den Arbeitnehmer mit nicht unerheblichen Kosten verbunden ist. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann während des gesamten Verfahrens das Kosten-Nutzen-Risiko im Auge behalten.

Rechte des Arbeitnehmers nach der Kündigung

Gehalt bis zum Kündigungszeitpunkt

Der gekündigte Arbeitnehmer hat Anspruch auf Lohn/Gehalt bis zum Zeitpunkt des Zugangs der fristlosen Kündigung. Dies umfasst sowohl das Grundgehalt als auch etwaige Zulagen, Prämien oder sonstige Leistungen, die bis zur Kündigung verdient wurden.

Anspruch auf Arbeitszeugnis

Trotz der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der gekündigte Arbeitnehmer Anspruch auf ein (qualifiziertes) Arbeitszeugnis. Ein Zeugnis dokumentiert die im Verlauf des Beschäftigungsverhältnisses erbrachten Leistungen, Qualifikationen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers, das qualifizierte bewertet auch sein Verhalten. Es dient nicht nur als Referenz für zukünftige Arbeitgeber, sondern auch als Anerkennung der erbrachten Arbeitsleistung. Arbeitgeber sind verpflichtet, es wahrheitsgemäß und wohlwollend zu formulieren. Die Tatsache, dass das Arbeitsverhältnis durch eine fristlose Kündigung beendet wurde, beeinträchtigt nicht den Anspruch des Arbeitnehmers auf ein korrektes und wohlwollendes Arbeitszeugnis. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann dabei helfen, dass das ausgestellte Zeugnis den rechtlichen Anforderungen entspricht. So kann auch ein Zeugnisrechtsstreit vermieden werden.

Möglichkeiten der außergerichtlichen Einigung

Eine außergerichtliche Einigung stellt eine oft bevorzugte Lösung dar, um vor oder auch nach Ausspruch einer solchen Kündigung möglichst schnell und „geräuschlos“ den Konflikt zu bereinigen.

Der Prozess einer außergerichtlichen Einigung beginnt mit der Kontaktaufnahme zur anderen Seite. Oftmals ist es aber so, dass die Parteien nicht mehr miteinander reden. Dann kann ein Fachanwalt für Arbeitsrecht als legitimierter Vertreter fungieren. Er trägt dazu bei, die Kommunikation zu versachlichen und eine zielführende Lösung zu erarbeiten. Regelmäßig führt er die Verhandlungen für den Auftraggeber und nimmt ihn so „aus der Schusslinie“.

Mögliche Schritte und Chancen

Aufhebungsvertrag

Beide Parteien können vor Ausspruch der Kündigung eine einvernehmliche Vertragsauflösung in Betracht ziehen. Hierbei werden die Modalitäten der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (arbeits- und sozialrechtlich) umfassend schriftlich festgehalten. Ein Aufhebungsvertrag enthebt die Parteien des mit einer Kündigung verbundenen Prozessrisikos.

Abwicklungsvertrag

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können auch nach Ausspruch der Kündigung darüber verhandeln, ob z.B. die fristlose Kündigung in eine ordentliche umgewandelt wird und das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung beendet werden soll, um „auseinander zu kommen“. Eine Abfindung kann für den Arbeitnehmer ein Anreiz zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses sein. Für den Arbeitgeber hat es den Vorteil, insbesondere eine unsichere Kündigung nicht vor Gericht rechtfertigen zu müssen.

„Rücknahme“ der Kündigung

Arbeitgeber können selbstverständlich in Erwägung ziehen, die ausgesprochene Kündigung „zurückzunehmen“, falls die Kündigungsgründe „zu dünn“ sind. Einseitig ist eine „Rücknahme“ allerdings nicht möglich, sie ist vielmehr als Angebot zu verstehen, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Der Arbeitnehmer musss hierzu seine Zustimmung erklären.

Empfehlung

Rechtsberatung

Bevor eine außergerichtliche Einigung, gleichgültig ob vor oder nach Ausspruch der Kündigung, getroffen wird, ist es ratsam, rechtliche Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht einzuholen, damit die Interessen und Rechte des Auftraggebers gewahrt werden. Die angestrebte Einigung ist dann auch rechtssicher und enthält alle Regelungstatbestände.

Unvollständige Lösungen

Es besteht ohne arbeitsrechtlichen Beistand für die Parteien immer das Risiko, dass eine außergerichtliche Einigung nicht alle Probleme oder Ansprüche abschließend klärt.

Vertraulichkeit

Auch eine außergerichtliche Einigung kann mit einer Vertraulichkeitsklausel versehen werden, die beide Parteien verpflichtet, keine Informationen über die Einigung oder die zugrunde liegenden Umstände zu veröffentlichen.

Insgesamt bietet die außergerichtliche Einigung eine Möglichkeit, Konflikte im Zusammenhang mit fristlosen Kündigungen effektiv und mit möglichst geringen negativen Auswirkungen für beide Seiten beizulegen. Die Beauftragung eines Fachanwalts für Arbeitsrecht ist dabei sinnvoll und zielführend.

Musterschreiben für eine Kündigung als Arbeitgeber

Sehr geehrte(r) Frau/Herr ……………………..,

hiermit erklären wir die außerordentliche, fristlose Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund. Hilfsweise kündigen wir das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum ……………………….

Gegebenenfalls: Der Betriebsrat ist zu der außerordentlichen Kündigung sowie der hilfsweisen ordentlichen Kündigung angehört worden.

Wir weisen darauf hin, dass Sie zur Vermeidung von Nachteilen beim Bezug von Arbeitslosengeld verpflichtet sind, sich binnen 3 Tagen persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden. Die darüber hinaus erforderliche Arbeitslosmeldung muss persönlich bei der Agentur für Arbeit erfolgen, und zwar spätestens am ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit.

Mit freundlichem Gruß

Musterschreiben für eine Kündigung als Arbeitnehmer

Sehr geehrte(r) Frau/Herr ……………………..,

hiermit erkläre ich die außerordentliche, fristlose Kündigung meines Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund.

Mit freundlichem Gruß

Beendigung des Arbeitsverhältnisses: Wird eine Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet?

Arbeitnehmer sind oftmals der Auffassung, eine Abfindung, welche mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Verbindung stehe, werde auf das Arbeitslosengeld angerechnet. Seit einigen Jahren gibt es diese Möglichkeit jedoch grundsätzlich nicht mehr. Die Berücksichtigung von Entlassungsentschädigungen – hierunter fällt auch die Abfindung – ist nunmehr in § 143 a SGB (Sozialgesetzbuch) III geregelt. Diese Vorschrift gilt allerdings nicht für das Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Stellt sich die Frage, ob Entlassungsentschädigungen bei anschließendem Bezug von Arbeitslosengeld II als Einkommen oder als Vermögen zu berücksichtigen sind, sind die Vorschriften des SGB II heranzuziehen.

§ 143a SGB III lautet:

(1) Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ist die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber ausgeschlossen, so gilt bei

1. zeitlich unbegrenztem Ausschluss eine Kündigungsfrist von 18 Monaten,

2. zeitlich begrenztem Ausschluss oder bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine fristgebundene Kündigung aus wichtigem Grund die Kündigungsfrist, die ohne den Ausschluss der ordentlichen Kündigung maßgebend gewesen wäre.

Kann dem Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden, so gilt eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Hat der Arbeitslose auch eine Urlaubsabgeltung (§ 143 Abs. 2) erhalten oder zu beanspruchen, verlängert sich der Ruhenszeitraum nach Satz 1 um die Zeit des abgegoltenen Urlaubs. Leistungen, die der Arbeitgeber für den Arbeitslosen, dessen Arbeitsverhältnis frühestens mit Vollendung des 55. Lebensjahres beendet wird, unmittelbar für dessen Rentenversicherung nach § 187a Abs. 1 des Sechsten Buches aufwendet, bleiben unberücksichtigt. Satz 6 gilt entsprechend für Beiträge des Arbeitgebers zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung.

(2) Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht nach Absatz 1 längstens ein Jahr. Er ruht nicht über den Tag hinaus,

1. bis zu dem der Arbeitslose bei Weiterzahlung des während der letzten Beschäftigungszeit kalendertäglich verdienten Arbeitsentgelts einen Betrag in Höhe von sechzig Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt verdient hätte,

2. an dem das Arbeitsverhältnis infolge einer Befristung, die unabhängig von der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestanden hat, geendet hätte oder

3. an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können.

Der nach Satz 2 Nr. 1 zu berücksichtigende Anteil der Entlassungsentschädigung vermindert sich sowohl für je fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses in demselben Betrieb oder Unternehmen als auch für je fünf Lebensjahre nach Vollendung des fünfunddreißigsten Lebensjahres um je fünf Prozent; er beträgt nicht weniger als fünfundzwanzig Prozent der nach Absatz 1 zu berücksichtigenden Entlassungsentschädigung. Letzte Beschäftigungszeit sind die am Tage des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der letzten zwölf Monate; § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 gilt entsprechend. Arbeitsentgeltkürzungen infolge von Krankheit, Kurzarbeit, Arbeitsausfall oder Arbeitsversäumnis bleiben außer Betracht.

(3) Hat der Arbeitslose wegen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses unter Aufrechthaltung des Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung erhalten oder zu beanspruchen, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Soweit der Arbeitslose die Entlassungsentschädigung (Arbeitsentgelt im Sinne des § 115 des Zehnten Buches) tatsächlich nicht erhält, wird das Arbeitslosengeld auch für die Zeit geleistet, in der der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht. Hat der Verpflichtete die Entlassungsentschädigung trotz des Rechtsübergangs mit befreiender Wirkung an den Arbeitslosen oder an einen Dritten gezahlt, hat der Bezieher des Arbeitslosengeldes dieses insoweit zu erstatten.

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht also, wenn der Arbeitslose

 – wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses u.a. eine Abfindung erhalten oder zu beanspruchen hat

 und

– das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Frist beendet wurde, die der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entspricht.

Nur wenn beide Voraussetzungen kumulativ vorliegen, wird die Zahlung des Arbeitslosengeldes für den in Abs. 1 genannten Zeitraum hinausgeschoben, längstens für 1 Jahr (Abs. 2). Die Anspruchsdauer wird hierdurch nicht verkürzt. Abzugrenzen ist hiervon aber der Eintritt der Sperrzeit. Wird nämlich neben dem Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld gemäß § 143a SGB III auch der Eintritt einer Sperrzeit festgestellt, verringert sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld.

Im Umkehrschluss ruht der Anspruch also nicht wenn das Arbeitsverhältnis mit einer Frist beendet wurde, die der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entspricht (auch bei Aufhebungsvertrag oder Urteil). Dieser Regelung liegt die Vermutung zugrunde, dass eine Abfindung nämlich in dem Fall Arbeitsentgelt enthält, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beendet wird. Es soll verhindert werden, dass ein Arbeitsloser für einen Zeitraum, für den er eigentlich Arbeitsentgelt beanspruchen könnte – nämlich den der Kündigungsfrist – Arbeitslosengeld anstatt Arbeitsentgelt bezieht und gleichzeitig eine Abfindung erhält, die wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses verstecktes Arbeitsentgelt enthält.

Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht weiterhin auch dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis von Beginn an befristet war und fristgerecht endete oder wenn der Arbeitgeber berechtigt war, es aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu beenden.

Wird ein Arbeitsverhältnis beendet, bei dem der Arbeitgeber zeitlich begrenzt nicht ordentlich kündigen darf, so ist für das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld die Kündigungsfrist entscheidend, welche der Arbeitgeber ohne den besonderen Kündigungsschutz einhalten müsste. Wird es beendet, und ist der Arbeitgeber zeitlich unbegrenzt nicht zur ordentlichen Kündigung berechtigt, so gilt für das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld eine fiktive Kündigungsfrist von 18 Monaten. Darf der Arbeitgeber einem sogenannten unkündbaren Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich kündigen, so muss er eine fiktive Kündigungsfrist von einem Jahr einhalten. Beträge, welche der Arbeitgeber zugunsten eines Arbeitnehmers unmittelbar für dessen Rentenversicherung aufwendet, um eine Rentenminderung durch eine vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente auszugleichen oder zu verringern, und dessen Arbeitsverhältnis frühestens mit Vollendung des 55. Lebensjahres beendet wird, werden nicht als Entlassungsentschädigung berücksichtigt.

Demgegenüber führt eine Entlassungsentschädigung zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld, wenn sie dem Arbeitnehmer nicht am Ende des Arbeitsverhältnisses, sondern ganz oder teilweise (noch) später oder z.B. auch in Monatsraten ausgezahlt wird. Sie wird allerdings nur anteilig berücksichtigt. Der Anteil beträgt zwischen 25% und 60% des Bruttobetrages. Er ist abhängig vom Lebensalter des Arbeitnehmers am Ende des Arbeitsverhältnisses und von der Dauer seiner Betriebs- oder Unternehmenszugehörigkeit.

Kündigung einer Schwangeren

 

 

durch den Arbeitgeber

Die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung ist unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft/Entbindung bekannt war oder innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird; das Überschreiten dieser Frist ist unschädlich, wenn es auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird (§ 9 Abs.1 Mutterschutzgesetz, MuSchG). Die Vorschrift erhält der Schwangeren während der Mutterschutzzeiten den Arbeitsplatz und damit die wirtschaftliche Existenzgrundlage.

Es besteht in v.g. Zeitraum also ein absolutes Kündigungsverbot für den Arbeitgeber, welches unabhängig von der Betriebsgröße gilt. Voraussetzung ist lediglich, dass dem Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Kündigung die Schwangerschaft respektive die Entbindung bekannt ist oder die Schwangere ihn spätestens innerhalb von zwei Wochen nach dem Zugang der Kündigung über das Kündigungshindernis informiert. Vom Kündigungsverbot umfasst sind alle Kündigungen, auch die Änderungskündigung (BAG, Urteil vom 07.04.1970, AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 3). Nach den allgemeinen Beweislastregeln, wonach jede Partei die ihr günstigen Tatsachen auch zu beweisen hat, ist die Arbeitnehmerin im Streitfall gehalten, den Nachweis zu führen, dass sie dem Arbeitgeber die Mitteilung gemacht hat. Gelingt ihr dies nicht, greift der besondere Kündigungsschutz des § 9 MuSchG nicht ein.

Nun kann es sein, dass die Schwangere – zunächst – nichts von ihrem Zustand weiß und daher die Zweiwochenfrist versäumt. Die fehlende Kenntnis ihres Zustandes führt grundsätzlich zu einer unverschuldeten Fristüberschreitung. Denn sie ist ein „von der Frau nicht zu vertretender Grund“ i.S.d. § 9 MuSchG. Etwas anderes gilt nur, wenn zwingende Anhaltspunkte für das Bestehen einer Schwangerschaft vorliegen, die die Schwangere veranlassen können, sich Gewissheit zu verschaffen (vgl. LAG Düsseldorf NZA –RR 2005, 382). Trotz Kenntnis kann die Schwangere aber auch unverschuldet an der rechtzeitigen Mitteilung gehindert sein, wenn sie z.B. bei Zugang urlaubsbedingt abwesend war (vgl. BAG, Urteil vom 13.06.1996 AP MuSchG 1968 § 9 Nr. 31). Holt sie die Mitteilung unverzüglich nach, gilt der absolute Kündigungsschutz.

In besonderen Fällen kann die zuständige Aufsichtsbehörde (vgl. § 20 MuSchG) auf Antrag des Arbeitgebers eine Ausnahme vom absoluten Kündigungsverbot zulassen. Da dies dem Mutterschutz im Prinzip zuwiderläuft, wird dies nur möglich sein, wenn eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Die Einschätzung als „besonderer Fall“ ist nachprüfbare Tat- und Rechtsfrage.

Der „besondere Fall“ ist nicht identisch mit dem „wichtigen Grund“ gemäß § 626 BGB, sondern nur beim Vorliegen besonders gewichtiger Interessen des Arbeitgebers möglich, und zwar auch nur dann, wenn diese zweifelsfrei nicht mit der Schwangerschaft zusammenhängen.

Um die Zustimmung zu erhalten, muss der Arbeitgeber der Behörde darlegen, welche Art der Kündigung er beabsichtigt und aus welchen Gründen er sie aussprechen will. Die Behörde ermittelt dann von Amts wegen und nach pflichtgemäßem Ermessen, wobei sich ihre Tätigkeit auf alle relevanten Umstände erstreckt. Bejaht sie einen „besonderen Fall“, erklärt sie die Kündigung für zulässig.

Der Arbeitgeber darf dann umgehend schriftlich und unter Angabe des Kündigungsgrundes kündigen (§ 9 Abs. 3 S. 2 MuSchG). Die Beachtung der Schriftform ist zwingend, ob das auch für die Angabe des Grundes gilt, ist umstritten.

Die Kündigung ohne vorherige Zustimmung der Aufsichtsbehörde macht sie unwirksam. Allerdings entbindet dies die Arbeitnehmerin nicht davon, innerhalb von 3 Wochen beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage einzureichen (vgl. § 4 KSchG (Kündigungsschutzgesetz). Die Klagefrist des § 4 KSchG ist eine sogenannte Ausschlussfrist, welche aber erst mit Bekanntgabe der Entscheidung der Aufsichtsbehörde in Gang gesetzt wird, nicht schon mit Zugang der Kündigung bei der schwangeren Arbeitnehmerin. Wird die Frist versäumt, führt dies dazu, dass die Kündigung als von Anfang an rechtswirksam gilt (§ 7 KSchG, Fiktionswirkung der Kündigung). Ausnahmen hiervon sind wiederum nur unter engen Ausnahmen möglich (vgl. § 5 KSchG).

War die schwangere Arbeitnehmerin nämlich trotz Anwendung aller ihr nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Klage innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung zu erheben, so ist sie auf Antrag nachträglich zuzulassen. Gleiches gilt, wenn die Frau von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf der 3-wöchigen Klagefrist Kenntnis erlangt (vgl. 5 Abs. 1 KSchG). Der Antrag ist nur innerhalb von 2 Wochen nach Behebung des Hindernisses zulässig ((vgl. § 5 Abs. 3 S. 1 KSchG). Die Klageerhebung ist mit ihm zu verbinden (vgl. § 5 Abs. 2 KSchG). Nach Ablauf von 6 Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann der Antrag nicht mehr gestellt werden (vgl. § 5 Abs. 3 S. 2 KSchG).

 

durch die Arbeitnehmerin

Die Schwangere kann selbstverständlich jederzeit auch während der Mutterschutzfristen das Arbeitsverhältnis kündigen. Tut sie dies zum Ende der Schutzfrist, so ist sie nicht an die normalen Kündigungsfristen gebunden. Kündigt sie aber zu einem anderen Zeitpunkt als zum Ende der Schutzfrist, so muss sie wiederum die normalen Kündigungsfristen beachten.

 

Aufhebungsvertrag

Aufhebungsverträge unterliegen nicht dem § 9 MuSchG. Sie können deshalb jederzeit geschlossen werden, auch während der Schutzfristen des MuSchG. Arbeitsverhältnis und Mutterschutz enden dann zu dem vertraglich vereinbarten Zeitpunkt. Die Arbeitnehmerin bekommt aber gegebenenfalls einer Sperrzeit von 12 Wochen bei der Bundesagentur für Arbeit. Zudem entfällt der Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld.

Wird die Arbeitnehmerin innerhalb eines Jahres nach der Entbindung wieder eingestellt, so gilt gem. § 10 MuSchG das Arbeitsverhältnis hinsichtlich der Betriebs- und Berufszugehörigkeit als nicht unterbrochen. Dies gilt nicht, wenn die Frau in der Zeit von der Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zur Wiedereinstellung bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt war. (§ 10 Abs. 2 MuSchG)

Zu spät zur Arbeit: Wer Lohn bzw. Gehalt will, sollte auch bei Schnee und Glatteis pünktlich sein

 

In der kalten Jahreszeit ist das Erreichen des Arbeitsplatzes oft ein Problem. Das Auto springt nicht an, die Straßen sind spiegelglatt, kurzum, der Arbeitnehmer kommt zu spät.

In der Regel steht im Arbeitsvertrag, von wann bis wann der Arbeitnehmer arbeiten muss. Da die Erbringung der Arbeitsleistung eine sogenannte Bringschuld ist (d.h. sie ist im Normalfall im Betrieb des Arbeitgebers zu leisten), trägt der Arbeitnehmer folglich das Wegerisiko, den Ort der Erfüllung seiner Pflichten auch rechtzeitig zu erreichen. Absehbare Verkehrsbehinderungen im Winter muss er daher bei seinen Fahrzeiten einplanen. Der Arbeitgeber kann erwarten, dass der Mitarbeiter früher aufsteht oder anders als mit dem PKW zum Arbeitsplatz anreist.

Im Hinblick auf dieses Risiko bleibt es für die Vergütung nicht geleisteter Arbeit bei dem Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Kommt ein Mitarbeiter also zu spät, kann der Arbeitgeber grundsätzlich den Lohn für die verspätete Zeit kürzen, wenn die Arbeit nicht nachgeholt werden kann, so z.B. bei festen Arbeitzeiten. Bei Gleitarbeitszeit kann der Arbeitnehmer hingegen seinen Lohnanspruch durch Nacharbeiten in voller Höhe retten. Unabhängig davon darf ein verspäteter Arbeitnehmer wegen Verstoßes gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten abgemahnt werden – was im Wiederholungsfall sogar zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen kann. Der Arbeitgeber muss dafür nicht nachweisen, dass der Betriebsablauf gestört wurde. Es reichen die Verspätungen als solche aus. Gegebenenfalls enthalten Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen für die Arbeitnehmer günstigere Regelungen bei kurzfristigen (witterungsbedingten) Verspätungen.

Abzugrenzen ist das allgemeine Wegerisiko vom Vorliegen eines subjektiven, persönlichen Leistungshindernisses des Arbeitnehmers, welches ihm den Vergütungsanspruch erhält, wenn es nicht verschuldet und nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit besteht (z. B. Unfall auf dem Weg zur Arbeit, Arztbesuch, der über den Zeitpunkt des Arbeitsbeginns hinausgeht, etc.). Auch Abmahnung und Kündigung sind dann ausgeschlossen. Verspätung ist also nicht gleich Verspätung.

Kommt in umgekehrter Konstellation hingegen der Arbeitgeber zu spät und kann der Arbeitnehmer nicht zum vereinbarten Zeitpunkt mit der Arbeit beginnen, behält er trotz Nichtleistung der Arbeit seinen Lohnanspruch. Denn er hat seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß angeboten, die der Arbeitgeber nicht annimmt. Das Betriebsrisiko, welches Unterbrechungen umfasst, die ihre Ursache sowohl im als auch außerhalb des Betriebs haben können, trägt der Arbeitgeber. Damit wird die Verlagerung von Organisations- und Funktionsrisiken des Unternehmers auf den Arbeitnehmer vermieden.

Einstellung schwerbehinderter Arbeitnehmer – Chance oder Risiko?

 

I. Allgemeines

Arbeitgeber mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen müssen auf mindestens 5 % dieser Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen beschäftigen, insbesondere mit Schwerbehinderten, die bei der Agentur für Arbeit gemeldet sind (§ 71 Abs. 1 SGB IX).

Was viele Arbeitgeber nicht wissen:

Ist ein freier Arbeitsplatz zu besetzen, muss immer erst geprüft werden, ob die freie Stelle mit einem schwerbehinderten Menschen oder einem ihm Gleichgestellten besetzt werden kann (§ 81 SGB IX). Nimmt der Arbeitgeber diese Prüfung nicht vor, hat dies gegebenenfalls unangenehme Konsequenzen, insbesondere kann der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung eines nicht behinderten Arbeitnehmers verweigern.

Einen Einstellungsanspruch begründet § 71 Abs. 1 SGB IX allerdings nicht. Solange Arbeitgeber die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, entrichten sie für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz (lediglich) eine Ausgleichsabgabe. Die Zahlung hebt die Beschäftigungspflicht aber nicht auf.

Die Abgabe beträgt je unbesetzten Pflichtplatz

  • 105 € bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 3% bis weniger als dem geltenden Pflichtsatz (derzeit 5%),
  • 180 € bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 2% bis weniger als 3%,
  • 260 € bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von weniger als 2%.

 

Sonderregelung:

Hat der Arbeitgeber jahresdurchschnittlich weniger als 40 Arbeitsplätze, muss er nur einen schwerbehinderten Menschen einstellen und beschäftigen; andernfalls zahlt er je 105 €; hat er weniger als 60 Arbeitsplätze, muss er 2 Pflichtplätze mit schwerbehinderten Arbeitnehmern besetzen. Er zahlt dann 105 €, wenn er nur einen Pflichtplatz besetzt und 180 €, wenn er keinen schwerbehinderten Menschen beschäftigt.

 

II. Vorteile der Einstellung schwerbehinderter Arbeitnehmer

Arbeitgeber – auch Kleinbetriebe, die nach o.g. Kriterien nicht der Beschäftigungspflicht unterliegen – können in vielen Fällen Förderleistungen für die Beschäftigung und Einstellung schwerbehinderter Menschen in Anspruch nehmen.

Sie werden gewährt als

  • finanzielle Zuschüsse zur Ausbildung von Menschen mit einer Schwerbehinderung,
  • finanzielle Zuschüsse bei Einstellung von Menschen mit einer Schwerbehinderung,
  • finanzielle Zuschüsse für Hilfen im Arbeitsleben der Menschen mit einer Schwerbehinderung.

Die Integrationsämter, die Agenturen für Arbeit oder andere Rehabilitationsträger (z.B. gesetzliche Renten- oder Krankenversicherung) prüfen die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Förderung. Auch präsentieren die Bundesländer regelmäßig zeitlich befristete Sonderförderprogramme, bei denen vorrangig Arbeitgeber Förderleistungen erhalten, die ohne Beschäftigungspflicht oder über die Beschäftigungspflicht (§ 71 SGB IX) hinaus schwerbehinderte Menschen einstellen.

Voraussetzung: unbefristete oder für mindestens 12 Monate befristete Einstellung eines schwerbehinderten Menschen.

Höhe des Zuschusses: maximal 90% des Arbeitsentgelts zuzüglich des pauschalierten

Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag.

Dauer der Förderung: höchstens 24 Monate, bei schwerbehinderten Menschen ab 50 Jahren höchstens 36 Monate. Nach jeweils einem Jahr wird sie regelmäßig um mindestens 10% gekürzt. Eine teilweise Rückzahlungspflicht kann entstehen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von 12 Monaten nach Ende der Förderung beendet wird (Ausnahmen: Kündigungsgrund für Arbeitgeber, Eigenkündigung oder Erreichen des Rentenalters).

 

III. Nachteile der Einstellung schwerbehinderter Arbeitnehmer

1. Erhöhter Kündigungsschutz:

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen bedarf zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes (§ 85 SGB IX). Wird sie erteilt, kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats erklären. Die eigentliche Kündigungsfrist muss dann noch mindestens vier Wochen betragen (§ 86 SGB IX). Voraussetzung für den erhöhten Kündigungsschutz ist der Nachweis der Schwerbehinderteneigenschaft zum Zeitpunkt der Kündigung.

Aber:

Ist der Schwerbehinderte noch nicht länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt, ist die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung nicht erforderlich (§ 90 Abs. 1 S. 1 SGB IX).

Weitere Ausnahmen nach § 90 SGB IX, d.h. kein erhöhter Kündigungsschutz bei

  • schwerbehinderten Arbeitnehmern, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und Anspruch auf eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung auf Grund eines Sozialplanes haben,
  • schwerbehinderten Arbeitnehmern, die Anspruch auf Knappschaftsausgleichsleistung oder auf Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus haben, wenn der Arbeitgeber ihnen die Kündigungsabsicht rechtzeitig mitgeteilt hat und sie der beabsichtigten Kündigung bis zu deren Ausspruch nicht widersprechen.
  • bei Entlassungen aus Witterungsgründen, sofern die Wiedereinstellung bei Wiederaufnahme der Arbeit (bei besserem Wetter) gewährleistet ist.

Hat das Integrationsamt die Zustimmung erteilt, kann der Arbeitnehmer hiergegen Widerspruch einlegen und bei seiner Erfolglosigkeit Klage vor dem Verwaltungsgericht erheben. Allerdings haben Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung. Der Arbeitnehmer hat aber auch die Möglichkeit, Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einzureichen.

Sollte das Integrationsamt meinen, eine Zustimmung sei gar nicht erforderlich, so hebt dies die „Kündigungssperre“ auf und die Behinderung ist nur noch bei der Interessenabwägung im Kündigungsschutzverfahren zu berücksichtigen.

2. Schwerbehinderte haben Anspruch auf bezahlten zusätzlichen Urlaub von 5 Arbeitstagen im Urlaubsjahr (§ 125 SGB IX). Dies gilt aber nicht für Gleichgestellte (vgl. § 63 Abs 3 SGB IX).

3. Renten, welche wegen der Behinderung bezogen werden, werden auf das Arbeitsentgelt nicht angerechnet (§ 123 SGB IX).

4. Schwerbehinderte Menschen werden auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freigestellt (§ 124 SGB IX).

5. Für in Heimarbeit beschäftigte und diesen gleichgestellte schwerbehinderte Menschen beträgt die Kündigungsfrist vier statt zwei Wochen (§ 127 Abs. 2 SGB IX) gilt.

 

IV. Fazit

Die Beschäftigung eines schwerbehinderter Menschen kann eine echte Alternative sein. Je nachdem, wo er eingesetzt wird, ist er eine vollwertige Arbeitskraft. Auch sind gerade für Existenzgründer die staatliche Fördermaßnahmen zur Einstellung von Schwerbehinderten interessant. Andererseits haben viele Arbeitgeber Angst, einen schwerbehinderten Menschen nicht mehr „los zu werden“. Letztendlich muss der Arbeitgeber daher immer den konkreten Einzelfall beleuchten, um eine für sich tragfähige Entscheidung zu treffen.





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